Lexikon des Mittealters | Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen |
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Bronzeguss (mlat. bronzium, v. lat. aes brundisium = Erz aus den Metallwerkstätten von Brindisi; nicht immer eindeutig von anderen Metallen unterschieden, auch als aes oder auricalcum bekannt). Guss und Bearbeitung von Legierungen aus Kupfer und Zinn (bzw. Zink oder Blei) waren im Mittelmeerraum schon im 3. Jahrtausend v. Chr. bekannt, gelangten in Griechenland und Rom zu hoher technischer und künstlerischer Vollkommenheit und versanken mit dem Untergang des röm. Reiches in Vergessenheit. Im Mittelalter ist der Bronzeguss unter Karl d. Gr. in dessen Aachener Gießhütte – wahrscheinlich von zugezogenen byzantinischen Erzgießern – wiederaufgenommen worden. In Aachen ließ Karl von den frühen 90er Jahren des 8. Jh. an die Bronzetüren und -gitter für die dortige Pfalzkapelle gießen, von denen Einhard in seiner Karlsvita schreibt: „basilicam … ex aere solido cancellis et ianuis adornavit“ (er hat die Kirche mit Gittern und Türen aus solidem Erz geschmückt). Unter dem kunstsinnigen und neuerungsbegierigen Bischof Bernward von Hildesheim (993 – 1022) kam der Bronzeguss in Deutschland zu voller Blüte (Bernwardssäule [Höhe 3,79], Hildesheimer Domportale [Höhe 4,72 m]). Während der roman. Epoche entstanden monumentale Bronzegussreliefs (Portale, Epitaphien), bronzene Kultgegenstände (Kruzifixe, Taufbecken, Weihrauchfässer usf.) und Denkmalsstatuen. Bronzegefäße unterschiedlicher Funktion (Becher, Kochkessel, Nahrungsmittelbehälter usf.) wurden von „caldarii“ genannten Spezialisten gegossen oder getrieben. In der Kunst der Gotik trat der Bronzeguss in den Hintergrund, während die Erzeugung von bronzenem Haushaltsgerät sprunghaft anstieg. Frühe Nachrichten über den Guss bronzener Steinbüchsen gehen in die zweite Hälfte des 14. Jh. zurück (s. Artillerie).
Das Gussmetall (3 – 9 Teile Kupfer : 1 Teil Zinn; meist 4 : 1; geringe Mengen von Antimon zur Härtung) wurde in angeblasenen Schachtöfen über Holzkohlefeuer bei 1100° C erschmolzen und beim Abstich über eine mit Lehm ausgekleidete Holzrinne in die Gussform geleitet. Kleinere Stücke (Kruzifixe, Gürtelschnallen, Fibeln) wurden in offenen Formen aus Stein, Lehm oder Ton gegossen (offener Herdguss). Für größere Stücke kannte man mehrteilige Hohlformen (Schalenguss); auf diese Technik weisen Gussnähte hin.
Als Bronzegießer (fusarii, conflatores) dürften sich – sowei es sich um Kleinbronzen wie Schwertknäufe oder Gürtelschnallen handelte – auch Goldschmiede betätigt haben, da das Gussverfahren für Gold und Bronze grundsätzlich gleich ist. Großbronzen goss man nach der Technik der „verlorenen Form“. Dabei wurde auf einem feuerfesten Kern das Original aus Wachs oder Talg modelliert und anschließend von einem Mantel aus Lehm umgeben, in dessen Innenseite sich das Oberflächenrelief des Modells einprägte. Durch Hitzeeinwirkung wurde das Wachs- oder Talgoriginal ausgeschmolzen, der entstandene Hohlraum wurde mit Bronzeschmelze gefüllt. Kleine Öffnungen im Mantel (sog. Windpfeifen) ließen die Luft entweichen und verhinderten das Entstehen von Luftblasen. Die aus den Windpfeifen ausgetretene und in Form von Stacheln erstarrte Bronzemasse musste am fertigen Stück abgesägt und glattgefeilt werden.
Beim Bronzeguss standen mittelalterliche Bildhauer und Gießer auf gleicher Stufe. So trägt das Grabmal des 1302 gestorbenen Bischofs Wolfhart von Roth im Augsburger Dom eine Aufschrift in lat. Hexametern, die besagt: „Otto machte mich aus Wachs und Conrad aus Erz“.
(s. Artillerie, Glocke, romanische Plastik, Rotguss)