Brunnen

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Brunnen (mhd. brunne, ahd. brunno; auch: burne, burn, born; bezeichnet sowohl eine natürliche wie eine künstlich gefasste Wasserquelle, auch den Urin). Der kultischen Reinigung dienten Schalenbrunnen in Vorhöfen mittelalterliche Kirchen und an Kreuzgängen mittelalterliche Klöster. Darüberhinaus besaßen Klöster leitungsgespeiste Wasserstellen im Infirmarium, in der Küche, im Back- und im Brauhaus, häufig auch im Abtshaus und in der Herberge für hochgestellte Gäste. Außerhalb der Klöster unterhielt man während des ganzen Mittelalter zur Versorgung mit Trink-, Brauch- und Löschwasser sowohl städtische Grundwasserbrunnen (fons civium) als auch hauseigene, private Brunnen. Wasserleitungen gab es bis zum Hochmittelalter nur in Klöstern, wo das Wasser durch Gerinne zu den Bedarfsstellen (Küche, Brunnenhaus, Latrine) geleitet wurde, oder gelegentlich in Gewerbebetrieben. Haushalte, die öffentliche Brunnen nutzten, waren zu “Brunnengemeinden” zusammengefasst und gemeinsam zur Wartung ihrer Brunnenanlage verpflichtet. Privatbrunnen wurden in etwa jährlichem Abstand “gefegt”, d.h. leergeschöpft und gereinigt. Die Verjauchung von Hausbrunnen war ein häufiges Ärgernis und Gesundheitsrisiko, da zwischen Abtritten bzw. Mistgruben und Brunnenschächten meist nicht genügend Abstand gelassen wurde, und so Fäkalienwässer in das den Brunnen speisende Grundwasser sickern konnten. Vom 15. Jh. an versuchte man diesem Übel durch städt. Verordnungen abzuhelfen.

Vorsätzliche Schädigung oder Verunreinigung von Brunnen hatte strenge Strafen zur Folge (s. Brunnenvergiftung). Einschlägige Verordnungen untersagten das Waschen von Schuhen, Windeln oder Kleidern in öffentlichen Brunnen, weiters das Tränken von krankem Vieh und die Benutzung durch seuchenbehaftete Personen. Andererseits wurde eine mit Friedloslegung (s. Acht) verbundene Aufhebung der Heimstatt durch Brunnenwüstung sinnfällig besiegelt. Vom 14. Jh. an gab es städtische Brunnenfeger (bornfegere), die unter der Aufsicht vereidigter städt. Brunnenmeister arbeiteten, kam die Betreuung der Wasserversorgungsanlagen in die Zuständigkeit des städt. Baubetriebs.

Brunnen als Spender des lebensnotwendigen Trinkwassers wurde nicht nur behördlicherseits sondern auch seitens der Kirche besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Neue Brunnen wurden gesegnet, “damit jeder, der daraus schöpft, trinkt oder das herausgeschöpfte Wasser zu irgendwelchen Zwecken gebraucht, die Annehmlichkeit vollkommener Kraft und Gesundheit genießen möge …” (12. Jh., Wessobrunner Rituale, zit. nach S. Epperlein.)

Zur Anlage eines Brunnens wurde eine oberirdische Quelle gefasst oder ein Schacht bis zu einer wasserführenden Schicht niedergebracht (Grundwasser-, Schachtbrunnen). Dieser Schacht, die “Brunnenstube”, wurde über viereckigem oder rundem Grundriss mit Rutenflechtwerk, Bohlen (“Kastenbrunnen”), Ziegelsteinen oder Steinquadern ausgekleidet, und füllte sich von der Sohle oder der Wandung her mit Grundwasser. Der Brunnenschacht verjüngte sich oft im untersten Abschnitt. Die Schachtsohle war lose mit flachen Steinen, Kies oder Backsteinen ausgelegt, damit der Schöpfeimer den Bodensatz nicht aufwirbeln konnte. Über dem Bodenniveau umgab ein kniehoher Zaun oder eine Mauer den Brunnenschacht, um Verunreinigung und Unfälle zu verhindern; mancherorts kam eine Überdachung als Wetterschutz hinzu (Brunnenhaus). Zum Schöpfen wurden hölzerne Eimer (hebevaz) verwendet, die mit einer Wippe und angelenkter Hebestange (mhd. galgbrunne, ziechbrunne) oder mit einer Haspelwinde an Seil oder Kette auf und ab bewegt wurden (windebrunne). Die Wippe des Galgbrunnens war so austariert, dass der längere Hebelarm dem kürzeren samt vollem Eimer das Gleichgewicht hielt. Galgbrunnen hatten einen beschränkten Hub; sie eigneten sich nicht für Brunnenschächte, die tiefer als 3 – 4 m waren. Bei Brunnen mit Doppeleimer senkte sich der leere Eimer, während der volle am anderen Ende des Seiles heraufgewunden wurde. Bei großdimsionierten Windebrunnen wurden die Eimer statt mit der Haspel mittels Tretrad oder Göpel gefördert. Der Stadt- oder Dorfbrunnen lag meist an einem zentralen Platz, war gemeinschaftsfördernder Mittelpunkt und wurde vom Hochmittelalter an entsprechend anspruchsvoll mit Bauplastik (Brunnenfigur, Wappen, got. Zierrat) oder Ziergittern geschmückt. Üblicherweise hatten Brunnen eigene Namen, z.B. Löwen-, Schmieds-, Linden-, Stockbrunnen, Oberer oder Unterer Brunnen. Mit dem Wachstum der Städte nahm die Anzahl der Brunnen zu. In Basel gab es um 1400 40 öffentliche und 22 private Brunnen, in Nürnberg zählte man um 1450 50 öffentliche Brunnen auf der Sebalder und 49 auf der Lorenzer Seite.

Besonderheiten unter den Schachtbrunnen stellten die Burgbrunnen dar, die bei Höhen- oder Spornburgen bis zu 150 m abgeteuft werden mussten, bis eine wasserführende Schicht erreicht war. (s.a. Brunnenturm)

In mittelalterliche Klöstern war die Brunnenanlage in einem kleinen Bau, dem lavatorium (Brunnenhaus), untergebracht, in dem die Mönche auch ihre rituellen Waschungen vollzogen. Als ältestes erhaltenes lavatorium in Deutschland gilt das am Kreuzgang des Magdeburger Prämonstratenser-Klosters “Unser Lieben Frauen” gelegene aus dem 11./12. Jh..

Reichte in einer Stadt aufgrund des Bevölkerungswachstums die Wasserversorgung durch Schachtbrunnen nicht mehr aus, musste Quellwasser durch hölzerne Röhren (mhd. tiuchel, mndd. pipe) in die Stadt geleitet werden und füllte dort die Brunnentröge (“Laufende Brunnen”, “Röhrenbrunnen”, “Stockbrunnen”). Die Holzröhren waren meist aus harzreichem Kiefernholz, seltener aus Eichen- und Erlenholz gefertigt; ihre Länge betrug ca. 4 m bei einer Stärke von ca. 23 cm und einer lichten Weite von 5-6 cm. Untereinander waren sie mit Rohrstücken aus Eisen, Zinn oder Kupfer verbunden oder einfach ineinander gesteckt, indem man ein Ende zuspitzte und dieses in des aufgweitete und mit einem Eisenring verstärkte Ende des nächsten Rohres steckte. (Die Holzröhren wurden im Liegen von beiden Enden her aufgebohrt. Das Gestänge der Deichelbohrer hatte die halbe Länge der Röhre, wurde mittels einer Kurbel in Drehung versetzt und trug als Werkzeug einen eisernen Hohlzylinder, den man vor dem Bohren zur Glut erhitzt hatte. Rohre aus Gusseisen finden erstmals 1455 für Schloss Dillenburg Erwähnung.

Vom 14. Jh. an stieg die Zahl der Laufbrunnen deutlich an. (Beispiele: Nürnberg: hier wurde 1340 – 60 der erste leitungsgespeiste Brunnen eingerichtet; bis zum Ende des Mittelalter wuchs die Zahl der Laufbrunnen auf 50 [auf der Sebalder Seite] und 49 [auf der Lorenzer Seite]. Basel; um 1400 bestehen 40 öffentliche und 22 private Brunnen.) Mit dem Überlaufwasser der Röhrenbrunnen wurden häufig weitere, tiefer gelegene öffentliche Brunnen und Privathäuser versorgt. Der existentiellen Bedeutung des Wassers für die Stadtbevölkerung wie für Burginsassen entsprach die Geheimhaltung der außerhalb der Mauern gelegenen ® Wasserleitungen und die Härte der Strafandrohungen für Brunnenvergiftung.

In der christl. Bilderwelt erscheinen Brunnen als “Quell der Erkenntnis”, “Quelle des Lebens”, “Quelle der Unsterblichkeit” usf. Aus dem Paradiesesbrunnen entspringen vier Flüsse, die in die vier Weltrichtungen entströmen. Im Spätmittelalter erscheint das Motiv des Jungbrunnens.

Im Volksglauben ranken sich viele Geschichten und Bräuche um die Wunderkraft von Brunnenwasser, um Brunnendämonen und -heilige, um Brunnen als Durchgang zur Ober- oder Unterwelt, um die Reinhaltung des Brunnenwassers und um Opfergaben, die man in bestimmten Anliegen dem Brunnenwasser anvertraut. Mancherorts, besonders in wasserarmen Gegenden (etwa auf der fränkischen Alb), wurden – und werden – die Brunnen zu Ostern mit Blumen und Kränzen geschmückt um für das gespendete Wasser zu danken und darum zu bitten, dass es nicht versiegen möge. – Bei der Suche nach wasserhöffigen Stellen vertraute man auf “Brunnenschmecker”, die sich einer Wünschelrute oder anderer magischer Mittel bedienten.

(s. Heilbäder, Mikwe, Ostern)

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