Disziplin

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Disziplin (lat. disciplina = Kenntnis, Erziehung, Beherrschtheit, Selbstbeherrschung, Wohlgezogenheit; hier: curiales disciplinae = höfische Zucht; mhd. zuht, zuhtheit; lat. temperantia, moderatio). Im klösterlichen, und – unter dessen Einfluss – im höfischen Erziehungsprogramm kam der Einübung geistiger und körperlicher Zucht ein hoher Stellenwert zu. Dementsprechend widmet ihr Hugo von St. Victor in seiner Schrift “De institutione novitiorum” (“Über die Erziehung der Klosterschüler”) breiten Raum. Er schreibt: “disciplina ist der gute und würdige Lebenswandel; ihr ist es zu wenig, nichts Böses zu tun; vielmehr ist sie bemüht, in dem, was sie Gutes tut, in jeder Beziehung untadelig zu erscheinen. Ebenso ist disciplina die geordnete Bewegung aller Glieder und die geziemende Haltung in jeder Lage und bei jeder Handlung.” Er verbindet so die Disziplin des Geistes und die des Körpers. Er fordert Zucht und Maß besonders für die Kleidung, für Gestik, Sprechweise und Tischsitten. Viele seiner Normen finden sich in der höfischen Kultur wieder, mit Ausnahme solcher, welche Frauen betreffen.

Was die Kleidung anbetrifft, so lagen die monastischen und die höfischen Idealvorstellungen was Material, Farbe, Zuschnitt und schicklicher Tragensweise weit auseinander. (s. Mode, Mönchsgewand)

In der Gestik drückt sich die innere Befindlichkeit durch körperliche Bewegung aus. Ein ungeordneter Geist äußert sich in unbeherrschten Bewegungen. Umgekehrt wird durch disziplinierte Bewegung und Körperkontrolle innere Harmonie bewirkt. Jede Bewegung soll angemessen, würdig und sittsam sein (“mit schoenen zühten”). Im höfischen Bereich galt für Frauen größere Zurückhaltung als für Männer. Damen sollten beim Gehen nicht zu fest auftreten und keine zu großen Schritte machen; sie sollten beim Sitzen die Beine nicht übereinander schlagen und einem fremden Mann gegenüber die Augen niederschlagen. In allen Situationen sollte die höfische Gesellschaft sich nach den Maßgaben von vornehmer Eleganz, Mäßigung und sittlichem Anstand bewegen.

(s. Gebärden, Gebärdensymbolik)

Bei der Disziplinierung der Sprache sind nach Hugo fünf Umstände zu beachten: was gesprochen wird, mit wem gesprochen wird, wo gesprochen wird, wann gesprochen wird und wie gesprochen wird. Überflüssiger, ungehöriger und schädlicher Reden hat man sich zu enthalten. Verpönt waren plumpe Witze, Spott und Angeberei. Die Sprechweise soll auf Geschlecht, Alter, Bildungsstand, Rang und Amt des Gesprächspartners abgstellt sein. Jungfrauen stand es an, selten, kaum je ungefragt zu reden; auch erwachsene Damen sollten nicht viel reden. Generell galt disziplinierte Zurückhaltung in Gebärde und Mimik, in Ton und Lautstärke zu halten, in wohlgesetzten Worten und stets wahr zu sprechen.

Die Disziplin bei Tisch war im Kloster gekennzeichnet durch Schweigen, zurückhaltende Bewegungen, mäßiges und sauberes Essen und Trinken. An höfischen Tafeln galten – abgesehen von der Schweigepflicht – die gleichen Regeln.

Die höfische “disziplinierte” Lebensweise wurde zum Leitbild der großbürgerlichen Kultur im Spätmittelalter (s. urbanitas)

(s. Hofzuchten, Tischzuchten)

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