Ehe

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Ehe (mhd. eschaft; v. ahd. ewa, mhd. ewe, e = Ewigkeit, althergebrachtes Gewohnheitsrecht, der rechtmäßige Bund der Ehe; lat. matrimonium, coniugium, nuptiae). Vertraglich zwischen zwei Familien abgesicherte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau zum Zwecke der Existenzsicherung und Fortpflanzung. Im Frühmittelalter wurden unter christlichem Einfluss germanische Ehebräuche (Vertrag zwischen Brautvater und Bräutigam, Mehrehe, Entführungsehe) durch die Konsensehe abgelöst (s. Eheschließung). Die christl. Ehe war durch das augustinische triplex bonum coniugii gekennzeichnet: bonum prolis (Fortpflanzung), bonum fidei (Gattentreue) und bonum sacramenti (Unauflöslichkeit des Ehebundes).

Der Apostel Paulus hielt die Ehe für moralisch geringwertig; allerdings sei es “besser zu heiraten, als sich in Begierde zu verzehren” (1. Kor. 7,9). Dazu kam, dass angesichts der Endzeiterwartung Fortpflanzung bedeutungslos war. Stellungnahmen der Kirchenlehrer zur ehelichen Gemeinschaft waren durchwegs negativ. (Tertullian: “Die Ehe ist schrecklicher als jede Strafe und jeder Tod”; Origenes: “Der Ehestand ist unrein und unheilig, ein Mittel der sexuellen Leidenschaft”; Ambrosius: “Verheiratete Leute sollten über die Verhältnisse, in denen sie leben, erröten”; sie veränderten den gottgewollten Zustand der Jungfräulichkeit; Hieronymus: Da Jesus sich von seiner Familie losgesagt habe, seien Ehe und Familie antichristlich; Augustinus: Die Ehe ist “ein befleckter und schändlicher Lebensweg”.) Noch Bernhard von Clairvaux sagte, dass es für einen Mann leichter sei, einen Toten zum Leben zu erwecken, als mit einer Frau zu leben, ohne dabei seine Seele zu gefährden. So ist nicht verwunderlich, dass das Ehesakrament unter den sieben Sakramenten als letztes rangiert, nur gerechtfertigt aus dem alttestamentlichen Fortpflanzungsauftrag (“seid fruchtbar und mehret euch”) und zur Vermeidung der Unzucht (wenn man sich des Geschlechtsverkehrs schon nicht enthalten konnte, so sollte er ausschließlich in ehelicher Gemeinschaft vollzogen werden, möglichst ohne Lustempfinden und stets mit dem Ziel der Zeugung). Der Umfang der scholastischen Literatur zu dem Komplex Ehe und Sexualität ist erstaunlich und zeugt davon, dass dem Themenkreis seitens der Theologen besondere Aufmerksamkeit gewidmet wurde.

Die Ehe wurde unter Papst Alexander III. (1159-1181) auch Gegenstand des kanonischen Rechts. Mithilfe von Rechtsgelehrten aus Bologna und Theologen aus Paris dekretierte er die Unauflöslichkeit der Ehe (… bis dass der Tod euch scheidet …) und deren Vorbedingung im Konsens der Brautleute (eigenverantwortliche, freie Partnerwahl; Ja-Wort). Seit dem 12. Jh. wurde sie den unauflöslichen kirchlichen Sakramenten zugerechnet. Dabei sah man die Sakramentalität der Ehe nur darin, dass die christliche Ehe erlaubt macht, was an sich verboten ist.

Nach dem Kirchenrecht war Mehrehe verboten, waren Verwandtenehen bis zum siebten, vom 4. Laterankonzil (1215) an bis zum vierten Grad nicht möglich. (Das kirchliche Gebot der Exogamie stand im Gegensatz zum dynastischen Bestreben, den Familienbesitz durch Verwandtenehen zusammenzuhalten; dem Inzestverbot dürfte neben eugenischen Gründen der Gedanke der Friedensförderung durch Verschwägerung nicht verwandter Familiengeschlechter zugrundegelegen haben). Die Ehe galt – von wenigen Ausnahmegründen abgesehen – als unauflöslich; unmöglich war die Ehe mit einem Partner, der nicht katholischen Glaubens war; Eheverbot galt auch für Kleriker sowie zwischen Patenkind und Taufpaten (Taufpaten wurden der engeren Familie des Täuflings zugerechnet).

Wegen der hohen Sterblichkeit der Frauen im Kindbett und weil der Witwer sich schon bald eine neue Ehefrau nahm, kann man für das gesamte Mittelalter von sukzessiver Polygamie sprechen. Und dies galt für alle Bevölkerungsschichten.

Der rechten Gattenwahl ist eine Vielzahl mittelalterliche Schriften gewidmet. Theologen betrachteten den Ehebund nicht als Folge sondern als Voraussetzung für eine Liebesbeziehung. Die eheliche Liebe galt als Pflicht, vergleichbar der Liebe zu den Eltern und Geschwistern. – Für Berthold von Regensburg sind geringer Altersunterschied, gleicher Stand und Gesundheit die ausschlaggebenden Kriterien: “Unde dar umbe, daz dir gelich si an der jugent und an dem alter, an der edelkeit der friunde und an der ahtbaerkeit des libes, daz nim”; und an anderer Stelle: ” … Und da gar junge frouwen alte man nement, daz geraetet eht selten wol”.

Voraussetzung für Heirat und freie Gattenwahl war personenrechtliche Freiheit; Hörige oder Leute eingeschränkter Freiheit waren von der Zustimmung des Grund- oder Leibherrn abhängig. Auch Armut war ein limitierender Faktor bei der Eheschließung: so waren schlecht bezahlte Lohnarbeiter, Gesellen und Knechte ebensowenig heiratsfähig wie nachgeborene, erbelose Brüder. Als Folge der Heiratsbeschränkungen gab es viele uneheliche Kinder, die ihrerseits in Armut und Ehelosigkeit blieben.

(s. Ehebruch, Ehehindernisse, Eheleben, Ehescheidung, Entführung (Raubehe), Josephsehe, Konkubinat)

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