Farbenherstellung

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Farbenherstellung. Das Wissen um die Technik der Herstellung von Textil- und Malfarben wurde mündlich von einer Generation zur nächsten weitergegeben, gelegentlich auch in Werkstattbüchern tradiert, wobei die Namen der Farbstoffe je nach Land und Zeit, auch von Werkstatt zu Werkstatt verschieden waren. Die Ausgangsstoffe wurden direkt von den Erzeugern oder von Apotheken bezogen, die eigentliche Farbenherstellung besorgten die Maler selbst. Vor der Anwendung wurden Farbmittel stets mit Bindemitteln vermischt; für die Buchmalerei waren diese Mittel wasserlöslich, für Tafel-, Fass- und Leinwandmalerei öllöslich und kalkbindend für Wandmalerei. Einschlägige Fachliteratur gab es schon in karolingischer Zeit (“De coloribus et artibus Romanorum”, “Compositiones ad tingenda musiva”, “Mappae Clavicula”). Im Hochmittelalter enstanden Werke wie “De clarea” (zur Herstellung eines Bindemittels aus Eiklar) und “Schedula diversarum artium” (handelt in Teilen von Farben und Malerei). Im 14. Jh. erschien in Italien “De arte illuminandi”, ein Handbuch für Buchmaler”. Vom 15. Jh. an entstanden auch volkssprachliche Schriften zum Thema “Farbherstellung”.

Die im Folgenden bei der Schilderung einiger Herstellungsverfahren benutzten Namen sind im heutigen Schrifttum allgemein gebräuchlich.

1.) Farben aus Erden, Kreiden und Mineralien. Farbige Erden (Rot-, Braun-, Gelb-, Grüntöne), Löschkalk (s. Mörtel) und Kreide (beide weiß) ließen sich relativ leicht zu gebrauchsfertigen Pigmentpulvern zerreiben. Lapislazuli (ein ultramarinfarbener Halbedelstein), Azurit (“Bergblau”, Kupferkarbonat), Kobalt (“Kobaltblau”), Auripigment (lat., = Goldfarbe; “Operment”, “Schwefelgelb”, “Rauschgelb”, goldgelbes Arsentrisulfid), Realgar (aus dem Arab.; mlat. arsenicum rubrum; orangerotes Arsensulfid) und Malachit (“Berggrün”, ein Kupfererz) waren harte Mineralien, und mussten mühsam zu immer kleineren Brocken zerschlagen und bis zu feinpulvriger Form aufgerieben werden. Aus dem Steinpulver stellte man durch Aufschwemmen in einer Öllösung das gebrauchsfertigte Farbpigment her.

2.) Chemisch hergestellte anorganische Farben. Zur Herstellung von Bleiweiß (basisches Bleicarbonat) sagt Theophilus: “… lasse dir Bleiplatten dünn ausschlagen, lege sie trocken in ein ausgehöhltes Stück Holz, …, und nachdem heißer Essig oder Urin eingefüllt ist, decke es zu (sc. mit Mist, d. Verf.). Nach einem Monat löse die Bedeckung, entnimm alles was weiß geworden ist, ..”. Der dünne Überzug von giftigem Bleiweiß wurde von der Bleiplatte abgeschabt. Durch Erhitzen von Bleiweiß entsteht Bleigelb, im Farbton von hellem Eigelb; noch höhere Temperaturen (um 480° C) führten zu Bleimennige (lat. minium) mit leuchtend orangegelbem Farbton. Grünspan (“Salzgrün”; ein Gemisch basischer Kupferacetate) wurde ähnlich hergestellt, das dazu verwendete Kupferblech musste jedoch zusätzlich mit Salz behandelt werden. Ein Rezept zur Darstellung des leuchtend roten Zinnobers (lat. minium, cinnabaris, mlat. cinnabrium, cenobrium, daraus mhd. cinnabar, cynobar; HgS) lautet: “Nimm reines Quecksilber 2 Teile, lebendigen Schwefel 1 Teil und tu sie in ein enghalsiges Gefäß. Erhitze ohne Rauchentwicklung bei gelindem Feuer. Du wirst Zinnober erhalten, den du gehörig auszuwaschen hast”. In der Schwarzfärberei spielten Eisenfeilspäne und Eisensalze bzw. -oxyde zusammen mit Gerbsäuren die Hauptrolle.

3.) Pflanzliche Farben wurden seltener zum Malen, hauptsächlich zum Färben von Textilien benutzt. Waidblau wurde aus den im Kollergang der Waidmühlen zerquetschten Blättern des Färberwaids (Isatis tinctoria; s. Waid) gewonnen. Diese wurden vor dem Mahlen gewaschen und getrocknet, nach dem Mahlen vergoren und eingedickt. Die so entstandene klumpige Masse wurde zum Versand in Fässer gefüllt. Der Färber gab die Waidklumpen in einen Trog (“Küpe”), wo daraus nach Zugabe von Aschenlauge und ausgefaultem Urin durch Gären und Luftzutritt (Rühren) und nach abschließendem Kochen die blaue bis schwarze Flotte entstand. In geringerem Umfang wurden zum Blaufärben Holunderbeeren und Blüten von Kornblumen verwendet. Krapp war ein leuchtendroter Farbstoff (Alizarin) aus den Wurzeln der Färberröte. Die Wurzeln mussten sorgfältig verlesen werden, und kamen nach Waschen, Schälen und Trocknen in die Farbmühlen, um fein ausgemahlen zu werden. – Folium hieß eine Farbe, die seit dem 11. Jh. häufig verwendet wurde. Sie wurde wahrscheinlich aus dem Saft der Früchte oder der ganzen Pflanze des Krebs- oder Lackmuskrauts (Croton tinctorium) hergestellt. Je nach Zusätzen erhielt man rotbraunes, saphirfarbenes oder purpurfarbenes Folium. Zur Herstellung des folium purpureum empfiehlt Theophilus, dem rotbraunen Farbsaft (folium rubeum) durchgeglühte Asche und Urin beizugeben. Folium saphireum erhielt man aus folium purpureum durch Zugabe von ungelöschtem Kalk. Zum Rotfärben verwendete man in der Zeit von ca. 1100 bis 1450 auch das aus Java und Ceylon importierte Indische Rotholz, das einen satten braunroten Farbton ergab. – Kreuzfahrer brachten den gelb-orangen Farbstoff Safran (mlat. crocus) mit, der in Vorderasien und in den Mittelmeerländern hergestellt wurde. Man verwendete dazu die getrockneten Blütennarben einer Krokusart (Crocus sativus), aus denen hauptsächlich Würze, wegen ihres hohen Preises nur in geringem Umfang Farbe für Buchmalerei und – mit Galle vermischt – auch Tinte hergestellt wurde. Um 1 kg Safran zu gewinnen, mussten 120.000 bis 200.000 Blüten gesammelt werden. Der Farbstoff wurde durch Auswaschen der getrockneten Blütennarben gewonnen. – Zum Gelbfärben verwendete man auch Saflor, Mädesüß und Wau (“Färberblume”; s. Textilfarben) und die Rinde des wilden Apfelbaums. Grüne Farbstoffe (lat. viride) wurden aus zahlreichen Pflanzen ausgepresst oder erkocht, so z.B. aus Gartenmelde (s. Melde), Geißblatt, Lauch, Petersilie, Schwertlilie, Weg- und Kreuzdorn. Zum Mischen von Laubgrüntönen empfiehlt Theophilus: “Grünspan mische mit reinem Wein, und wenn du Schatten machen willst, gib etwas Pflanzensaft von Schwertlilie, Kohl und Lauch dazu”.

4.) Farben aus tierischen Ausgangsstoffen. Der Färbestoff Purpur wurde aus verschiedenen Schneckenarten (Murex trunculus, Murex brandaris, Purpurea haemastoma) gewonnen. Dazu wurden die Schneckengehäuse zerschlagen und eine Drüse (die Hypobranchialdrüse) aus der Mantelhöhle entnommen. Deren wasserklares Sekret färbte sich, dem Sonnenlicht ausgesetzt, erst gelb, dann über grün und braun zu violettrot oder violettblau. Zur Herstellung von 1,5 gr. kristallinem Purpurfarbstoff benötigte man ca. 12.000 Schnecken. – Das tief purpurrote Karmin (arab. kirmizi; lat. carmin oder vermiculum = Würmchen) wurde im Mittelalter aus den Weibchen verschiedener Arten der Kermesschildlaus (Kermes vermillio, Kermes ilici) gewonnen, die im Mittelmeerraum und im Vorderen Orient von den Blättern der Kermeseiche (Quercus coccifera) leben. Färbender Bestandteil ist die Karminsäure. Große Mengen der gesammelten und getrockneten Läuse (50 kg ergaben ca. 5 kg Karmin) mussten zur Gewinnung des Farbstoffs (Karminlack) mit Alaun behandelt werden. Wurde Essig oder Zitronensaft zugegeben, so erhielt man das orangefarbene Vermiculum. – Tiergalle (von Ochsen, Kälbern oder Schildkröten) ergab sowohl im natürlichen Zustand, als auch verdickt oder vermischt mit Safran, Schwefel oder Kreide einen hellen, leuchtenden gelben Farbstoff für die Buchmalerei. Zusatz von Eiweiß ergab eine strahlendere Farbwirkung.

(s.a. Tinte)

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