Lexikon des Mittealters | Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen |
Erkunde das Mittelalter: Über 3.979 Seiten und mehr als 6.400 Einträge bieten dir einen tiefen Einblick in diese Ära. Vom Ablass bis zur Zunftordnung - dieses eBook ist dein Guide durch die Geschichte, Gesellschaft und Kultur Europas von 500 bis 1500 n. Chr. | Entdecke in „Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen“ auf 111 Seiten die mittelalterliche Burgenwelt: Architektur, Alltag und ihre Rolle im Mittelalter kompakt erklärt. |
Folter (das Substantiv erscheint um 1400 als föltrid, wahrscheinlich abgeleitet von lat. poledrus = Fohlen, eine röm. Folterbank; mlat. auch tormenta, quaestio rigorosa, quaestio criminalis; mhd. pinliche vrag, tort, marter). Die Folter galt schon im römischen Strafrecht unter bestimmten Voraussetzungen als legitimes Mittel zur Erlangung von Geständnissen und zur Feststellung der Wahrheit. Während im Frühmittelalter die Folter in Vergessenheit geraten war, wurde das erfolterte Geständnis in dem sich im 13. Jh. herausbildenden Inquisitionsprozess höchstes Beweismittel („confessio est regina probationum“), und so wurden Androhung und Anwendung körperlicher Qualen zur Erlangung von Geständnissen bei Gerichtsverfahren eine immer geläufigere Praxis; dies umsomehr, nachdem Friedrich II. 1231 in seinen „Constitutiones Augustales“ die Folter bei Kapitalverbrechen, begangen von Personen niederen Standes (besonders von landschädlichen Leuten), ausdrücklich empfohlen hatte. Hatte noch der Schwabenspiegel gewichtige Indizien für die Täterschaft als Voraussetzung für die Anwendung der Folter gekannt, so blieb dies in der weiteren Entwicklung der Willkür des Gerichts überlassen. Außerdem wurde die Folter als Züchtigungs- und Strafmittel angewandt. Die Goldene Bulle Karls IV. von 1356 bestätigte die Rechtmäßigkeit der Folter in Fällen von Majestätsverbrechen. Von 1252 an fand sie aufgrund der Bulle „Ad extirpanda“ Innozenz‘ IV. Eingang in den geistlichen Inquisitionsprozess; vordem war sie von der Kirche abgelehnt worden (Augustinus, Gregor I.).
Die Folter war auch wichtiges Beweismittel in Verfahren nach der ® Halsgerichtsordnung.
Dem ungeständigen Delinquenten wurden zunächst in der Folterkammer (mhd. torthus, vragestat) Folterwerkzeuge und -methoden drastisch vor Augen gestellt (territio verbalis). Blieb der „Inquisit“ verstockt, so kamen schmerzhafte Torturen zur Anwendung, die sich bis zu unvorstellbarer Grausamkeit steigern konnten (territio realis). Willkür des Gerichts und der Folterknechte fanden dabei nur Schranken in der Regel, das Leben des Opfers nicht direkt zu endigen und „die Glieder“ (worunter wohl die langen Röhrenknochen verstanden wurden) nicht zu zerbrechen.
Dass – zumal Frauen – neben den körperlichen Qualen noch seelische Versehrungen zugefügt wurden, die bis zum Wahnsinn führten, soll hier nur angedeutet werden.
Unter der Folter wurde sogut wie jede Missetat und noch die phantastischste Perversität „gestanden“. Dass es dabei nicht um Wahrheitsfindung, sondern um die Bestätigung der vorgefassten Richtermeinung ging, ist unumstritten.
Folterimmunität genossen alle Minderjährigen (d.h. Kinder unter 14 Jahren), kranke und bettlägerige Personen, Schwangere, stillende Wöchnerinnen sowie Geistliche, Adlige und Personen höherer Würden.