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| Lexikon des Mittealters | Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag |
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Gämse (Gams, Gamswild; mhd. gemeze, gemze, gamze, gamz; lat. rupicapra, damma; zool. Rupicapra rupicapra). Ziegenartiges Säugetier der höheren Alpenregionen Europas und Kleinasiens; der klauenbeschuhte Wiederkäuer zeichnet sich durch trittsicheres Klettervermögen aus und ist kenntlich durch lange, kräftige Beine, nach hinten gebogene Hörner (“Krucken”), langbehaarten Widerrist (bei Böcken; “Gamsbart”) und lebt in Rudeln, die von einer Leitgeiß geführt werden.
Die Gämse galt im Mittelalter als Wild der Hohen Jagd und war als Beute umsomehr geschätzt, als die Bejagung im Hochgebirge kräftezehrend und gefährlich war. Begehrt waren ihr schmackhaftes Fleisch, ihr Fell die (“Decke”), ihre Hörner und die gelegentlich im Magen vorkommende Haarkugel (s. Bezoar).
Der Enzyklopädiker Megenberg (14. Jh.) greift in seinem ” der Natur” wohl auf Plinius zurück, wenn er vom Verstand, von der Kräuterkenntnis und von den scharfen Sinnen der Gämse schreibt. Er kennt sie auch als Wetterorakel: “wierth der gambs im hörbst zeitlich schwarz so wierth es zeitlich zueschneiben” (HDA, Bd. 3, Sp. 629).
In der mittelalterliche Volksmedizin finden sich viele Heilanzeigen für Teile des Gemsenkörpers, so galten Milch, Blut, Hirn, Herz, Leber und Klauen als Mittel gegen Schwindelgefühl, der Gamsbart verlieh Körperkraft, eine Halskette aus Gamszähnen erleichterte Kindern das Zahnen, Gamslunge half gegen Atemwegserkrankungen und verlieh ausdauernden Atem, Pulver von Gamskrucken taugte zur Blutstillung, der Talg beugte dem Wundlaufen vor und half gegen Erfrierungen und der Rauch von angesengten Krucken wirkte der Fallsucht enthehen. Die Haarkugel (“Gämsenkugel”, “-ballen”) aus dem Gamsmagen endlich hatte viele Wunderkräfte: sie machte unempfindlich gegen Hexenzauber und gegen Hiebe und Stiche, wirkte gegen Vergiftungen und Atembescherden, half der Potenz auf, erleichterte die Geburt und vertrieb Leibschmerzen.
