Getreide

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Lexikon des Mittealters Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen
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Getreide (mhd. getregede, ahd. gitregidi = Ertrag, eigtl.: das, was getragen wird; mhd auch: korn, kern; lat. frumentum). Getreide stellte mit einem Verbrauch von mehr als 250 kg pro Kopf und Jahr (= ca. 70 % des Kalorienbedarfs) die Nahrungsgrundlage der Bevölkerung dar, die Tätigkeit für die Getreidegewinnung stand daher im Mittelpunkt des bäuerlichen Arbeitslebens. Der Ernteertrag der einzelnen Sorten war weit geringer als der heutige, außerdem war die Anfälligkeit gegen Pflanzenkrankheiten größer, sodass witterungsbedingte Ernteminderungen stets zu ernsthaften Hungersnöten führten. Die Getreideähren standen auf einem – gemessen an heutigen „Kurzstroharten“ – sehr langen, schlanken Halm.

Mit je nach Boden- und Klimabeschaffenheit wechselndem Anteil wurden Roggen, Dinkel, Gerste, Hafer, Weizen, Einkorn, Emmer, Hirse und Buchweizen angebaut. (Das Quellenmaterial gestattet nicht immer eine einwandfreie Identifizierung der angebauten Getreidesorten. Unsicherheit besteht vor allem bei der Zuordnung volkssprachlicher zu lateinischen Begriffen. Der lat. Begriff „frumentum“ z.B. stand außer für Weizen auch für alle anderen Arten von Getreide.)

Der Anbau erfolgte vom Hochmittelalter an nach dem System der Dreifelderwirtschaft mit der Fruchtfolge Wintergetreide, Sommergetreide, Brache. Ein limitierender Faktor beim Getreidebau war der Düngermangel (s. Düngung); Viehdung wurde zudem bevorzugt in Gärten und Weinbergen ausgebracht. Das geschrotene oder gemahlene Getreide kam als Grütze, Brei, Fladen oder Brot zum Verzehr, ungemahlenes wurde gemälzt, gelegentlich auch als Viehfutter verwendet. Hauptbrotgetreide war Roggen, Hauptbreigetreide waren Hafer, Gerste und Hirse. Im Frühjahr säte man eher Getreide, das als Pferdefutter und zum Bierbrauen benötigt wurde, also Hafer und Gerste, im Winter vornehmlich Brotgetreide wie Roggen und Weizen.

Die durchschnittliche Ertragsquote (das Verhältnis von Aussaat und Ernte; Ernteertrag) betrug im Frühmittelalter wahrscheinlich nicht mehr als 1 : 2, im 12./13. Jh. bereits etwa 1 : 4 und im Spätmittelalter in begünstigten Lagen ca. 1 : 10. Den Bauern verblieb dennoch nach Abzug der Anteile für Naturalzins und Saatkorn kaum genügend Korn, um damit über den Winter zu kommen. Der schmale Vorrat erlitt durch Fäulnis, Verschimmeln, Mäusefraß, Insekten- und Larvenbefall u.ä. weiteren Schwund. (Das gegenwärtige Verhältnis von Aussaat und Ernte beträgt in Mitteleuropa durchschnittlich 1 : 25 – 30).

Getreide erlitt häufig Qualitätsminderung durch Feuchtigkeit (Keimung, Gärung), durch Befall mit Pilzen bzw. Pilzsporen (Schmier- oder Stinkbrand des Weizens, Mutterkorn des Roggens, Schimmelpilzbefall) sowie durch Verunreinigung mit Mäusexkrementen und die darin gegf. enthaltenen Krankheitserreger.

Eine Großstadt wie das spätmittelalterliche Köln (35.000 – 40.000 Einwohner) benötigte im 14./15. Jh. jährlich 60.000 Malter (zu je ca. 150 l), also an 7.000 t Getreide. Dies entsprach 10.000 Wagenladungen mit je etwa 6 Maltern oder 2.400 Schiffsladungen zu je 25 Maltern – anbetrachts des geringen Erntertrags und des üblichen Ertragsschwundes ein gigantisches Versorgungsproblem.

Reis war im Spätmittelalter nördlich der Alpen zwar bekannt, wurde jedoch nur als teuere Leckerei genossen; ein Reisgericht („Reisz von Kriechen“, griechischer Reis) findet sich in der Würzburger Handschrift „Buoch von guter spise“.

Getreide wurde – abgesehen von der dünnen Schicht der Begüterten – als Brei, Grütze, Suppe oder Schwarzbrot verzehrt; helles Herrenbrot war aus Weizen gebacken.

Das Getreide wurde auf kurzem Halm, also knapp unterhalb der Ähre geschnitten, um den Körnerverlust klein zu halten. (Mit der linken Hand bündelte man einige der Ähren, mit der von der rechten Hand geführten Sichel schnitt – besser „sägte“ – man die Garbe unter der haltenden Faust ab.) Im 13. Jh. kam bei der Getreideernte die ® Sense zunehmend in Gebrauch, woraus Arbeitserleichterung und Ertragssteigerung resultierten. Das nunmehr stehengebliebene Langstroh (mhd. stro, strou) wurde später geschnitten um als Viehfutter, zum Dachdecken, als Beimengung in Lehmbeschlägen oder als Dünger verwendet zu werden.

Weite Verbreitung im Volksglauben des Abendlandes hatte die Geschichte, dass die Getreideähren ursprünglich bis zum Boden gereicht hätten und dass sie von Gott aus Zorn über die Unbotmäßigkeit der Menschen auf ihre jetzige Länge verkürzt worden seien.

( s. Korn)

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