Haar

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Haar (mhd. har; lat. capillus, crines). Konrad von Megenberg gibt in seinem “Puoch von den nutürleichen dingen” die wissenschaftliche Ansicht seiner Zeit zum Thema menschliches Haar zum Besten: “Des menschen har auf dem haupt wechst auz irdischem groben rauch und haizem, der mit zacher fäuhten ist gemischt …”. Bei Toten wachse das Haar weiter: “daz ist dar umb, daz sogtaner [solcher] rauch bei inen belaip, da daz har auz wehst”. Haarausfall komme von Ernährungsfehlern (“gepresten der kost”) oder “von fauler fäuhten in dem haupt oder in dem leib”, wie man beispielsweise bei Leprösen beobachten könne. Männer neigen aufgrund ihrer heißen Natur eher zu Haarlosigkeit als Frauen, “da von daz si kelterr natur sint wan die man”. Unzählige Rezepturen sollten der Kahlköpfigkeit vorbeugen, andere galten dem Glanz und der Farbe, seltenere einem unerwünschten Haarwuchs. – Gegenseitiges Kämmen (mhd. kemben, kemmen, straelen) galt – zumal da Spiegel noch seltene Luxusartikel waren – als selbstverständlicher wechselseitiger Alltagsdienst.

Zum Haareschneiden gab es Empfehlungen bezüglich des Zeitpunkts: bei zunehmendem Mond wuchsen sie schneller und länger nach, umgekehrt sollte man bei abnehmendem Mond schneiden, um starkes Wachstum zu vermeiden. Auch Haareschneiden an einem Freitag – besonders dem Karfreitag – fördere guten Haarwuchs, ebenso am Magdalenentag (22. Juli), war doch die Heilige für ihr üppiges, schönes Haar bekannt.

Zu den Leibesstrafen zählte das schimpfliche Haarabschneiden oder -ausraufen. Aus einer Glosse zum Sachsenspiegel: “das man einen zu der staupen schlegt ind windet in die haare mit einer kluppen oder knebel aus dem haupte.” Andererseits wurde mit hohen Strafen belegt, wer einem gewaltsam an die Haupt- oder Barthaare ging.

Aus Beschaffenheit und Farbe des Haupt- und Barthaares zog man Rückschlüsse auf den Charakter des Betreffenden und auf dessen Lebensgeschick. So galt z.B. gold-blondes Haar als Attribut der Glücks- und Königskinder; Rothaarigkeit nahm man zumeist als Zeichen von Untreue und Jähzorn (Konrad v. Würzburg: er hete rotelehtez har/und was mit alle ein übel man/sin herze in argem muote bran); graues Haar rührt laut K. v. Megenberg “von der kelten des hirns”, “von alter oder von sorgen oder von unvuor” (unvuor = ausschweifende Lebensart); starke Behaarung sagte Glück und Reichtum voraus, Leute mit zwei Haarwirbeln sollten zu Selbstmord neigen. Abschließend sei erwähnt, dass Haare eine bedeutende Rolle bei Liebes- oder Krankheitszauber spielte, weswegen man abgeschnittene oder ausgekämmte Haare sorgsam verwahrte oder durch Verbrennen oder Vergraben entsorgte.

Theologen wie z.B. Augustinus (in De civitate Dei 22,19) stellten tiefgründige Überlegungen an, ob abgeschnittene Haare und Nägel zum wiederauferstandenen Menschen zurückkehrten.

(s. Barttracht, Haartracht, Rasur, Rechtssymbolik, Schönheitspflege, Strafen an Haut und Haar, Tonsur)

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