Heilige

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Heilige (v. mhd. heilec, ahd. heilag; zu ahd. heil = unversehrt, gerettet). Die mittelalterliche Heiligenverehrung – für die sich im NT keine Begründung findet – ging aus dem altchristl. Märtyrerkult hervor, und galt Christen, welche in vorbildlicher Weise ihrem Glauben gemäß gelebt hatten, gar auf heroische Weise für diesen gestorben waren (“Blutzeugen”); Heilige gelangen unmittelbar nach ihrem Tod ins himmlische Paradies und sind auf ewig mit Gott vereint. An der Spitze der Heiligen steht die Gottesmutter Maria, umgeben von den Aposteln, von Märtyrern, Glaubensbekennern und -förderern und vielen im Glauben vollendeten Jungfrauen und Männern. Von der Anrufung der Heiligen erwartete man sich Fürsprache bei Gott (“ora pro nobis”) in besonderen Anliegen. Allerdings wurde in der Volksfrömmigkeit kaum unterschieden zwischen der Fürbitte der Heiligen bei Gott und ihrem direkten Beistand.

Der Glaube an Heilige als Mittler zwischen Himmel und Erde wurde umso bereitwilliger aufgenommen, als er an den weitverbreiteten Natur- und Schutzgeisterglauben anknüpfen konnte. Unter dem Einfluss germanischen Gedankenguts traten neue Elemente hinzu wie der Wunderglaube (Wunder als Voraussetzung der Heiligkeit) und der Nothelferglaube (Heilserwartung bei bestimmten irdischen Nöten als Ausdruck der Schutzpflicht des Patrons gegenüber dem ihm treu ergebenen Beschützten). Auf der 2. Synode von Nicaea (787) wurde die Heiligenverehrung dahingehend präzisiert, dass Anbetung (adoratio) allein Gott zukomme, den Heiligen aber Verehrung (veneratio) gebühre. Zu Leben und Wirken der Heiligen entstand eine unübersehbare Zahl von Heiligenviten, Exempel- und Mirakelbüchern (s. exemplum, Hagiographie, Legenden, Viten). Im 9. Jh. (unter Papst Gregor IV.) kam der Brauch auf, am 1. November pauschal aller Heiligen zu gedenken: ab da feierte man das Allerheiligenfest (lat. omnium sanctorum dies). Dessen Vorläufer war das Kirchweihfest der röm. Kirche “Sancta Maria ad Martyres”, seit etwa 610 am 13. Mai gefeiert.

Nachdem die Zahl der von den Bischöfen Heiliggesprochenen sich lawinenartig vermehrte und auch der Mengenunterschied zwischen den kanonisierten Heiligen und den vom Volk als Heilige Verehrten (Volksheiligen) immer größer wurde, sahen sich die Päpste gezwungen gegenzusteuern, indem sie (im 13. Jh.) die Heiligsprechung (Kanonisation) an sich zogen. Desungeachtet wurden weiterhin Heilige erfunden oder Leute heiliggesprochen, wenn dies der Verehrungssucht des einfachen Volkes entgegenkam oder der Kirche wirtschaftliche Vorteile einbrachte. Im Gefolge der inflationären Heiligenverehrung blühten Reliquien- und Devotionalienwesen, Wallfahrten und Pilgerfahrten, der Heiligenkult wurde zu einer ergiebigen Einnahmequelle.

(s. Devotionalien, Heiligentage, Kanonisationsprozess, Pilgerfahrten, Reliquien, Seligsprechung, Translation, Votivgabe, Wallfahrt)

Nachfolgend eine kleine Auswahl prominenter Heiliger:

Barbara, Jungfrau und Märtyrerin, deren Sinnbild, der Gefängnisturm, als Bergwerksförderturm umgedeutet wurde, verehrt als Patronin der Bergleute, aber auch der Kanoniere, Glocken- und Zinngießer, Schutzheilige gegen Blitz, Gewitter und Feuer.

Blasius, Bischof im armenischen Sebaste, Wundertäter, Freund der Tiere, Märtyrer; galt als Schutzpatron u.a. der Blasmusikanten, Windmüller und Bäcker, als Krankheitsheiliger gegen Hals-und Lungenkrankheiten, Blasenleiden, Kropf und Zahnweh. Attributiv ist ihm das Schwein beigesellt, das ein Wolf einer armen Frau gestohlen, aber auf Fürbitte des Blasius wieder zurückgetrieben hatte.

Christophorus, bekehrter Heide, Märtyrer; Pilgerheiliger in Spanien, Frankreich und Spanien, galt in Deutschland als Schutzheiliger gegen plötzlichen Tod; Patron der Seeleute und Reisenden, Helfer gegen Unwetter, Hochwasser, Hungersnot und Pest.

Georg (Jörg), exemplarischer Ritter, Drachentöter und Jungfrauenretter, Erz- oder Großmärtyrer, der unvorstellbare Foltern überstand, ehe er durch Enthauptung zu Tode gebracht werden konnte. Vorbild ritterlicher Tugend (Georgiritt). Sein Haupt wurde 896 auf die Insel Reichenau überführt. St.-Georgs-Reliquien (Schädelpartikel, Extremitätenknochen) werden auch in dem Eifelort Blankenheim verehrt. Der hl. Georg wird angerufen im Schlachtgetümmel, er ist Patron vieler Länder (u.a. England, Rußland, Schweden) und Städte (Bamberg, Bremen, Dinkelsbühl, Eisenach, Limburg, Nördlingen, Ulm), Schutzheiliger der Ritter, Krieger, Reiter, Waffenschmiede und Soldaten und vieler Hospitalgemeinschaften.

Hubertus, im 8. Jh. Bischof von Maastricht, verlegte den Bischofssitz nach Lüttich; erst seit dem 10. Jh. Heiliger der Jagd und der Hunde, Schutzheiliger gegen Tollwut (s. “Hubertusschlüssel”). Der legendäre Hirsch mit dem Kreuz im Geweih scheint erst im 15. Jh. bekannt geworden zu sein, als einem Ritterorden unter dem Patronat des Heiligen größere Bedeutung verliehen werden sollte.

Johannes von Nepomuk, Generalvikar von St. Veit in Prag, wurde als Verteidiger des Beichtgeheimnisses auf Geheiß König Wenzels gefoltert und von der Prager Moldaubrücke gestürzt, galt als Beschützer der Brücken, als Patron der Flößer und Müller, Stadtheiliger Prags und Landespatron Böhmens.

Josef (s. Schreiner)

Kosmas und Damian, die kilikischen Zwillingsbrüder und Wunderheiler, als standhafte Christen gefoltert und enthauptet, wurden, nachdem ihr Kult von Kleinasien in nach Europa gelangt war, zu Schutzpatronen der Bader, Ärzte, Hebammen und Apotheker. (Besonders in den Hansestädten entstanden Kosmas-und-Damian-Bruderschaften der Wundärzte, so in Bremen, Braunschweig, Danzig, Flensburg, Goslar, Greifswald, Hamburg, Hildesheim, Lübeck, Riga und Rostock). Angerufen bei der Pest, bei Seenot und bei Pferdekrankheiten, speziell gegen Druse. In bildlichen Darstellungen erscheinen sie mit Attributen wie Harnschauglas, Pillenschachtel oder ärztlichen Instrumenten.

Leonhard, wundertätiger Eremit und Abt aus vornehmen Geschlecht, Nothelfer der Wöchnerinnen, Bauern und Gefangenen, Schutzpatron des Viehs und der Pferde; dies aufgrund der Fehldeutung der ihm dargebrachten Ketten von Gefangenen zu Viehketten. (s. Inchenhofen)

Liborius (s. Translatio S. Liborii)

Martin (s. Martini)

Nikolaus von Myra, Bischof von Myra, Patron der Hafenstadt Bari und vieler anderer Städte, wurde zum Schutzheiligen der Kreuzfahrer und Seeleute, der Fährleute, Flößer, Schüler, Kinder und Reisenden erkoren.

Petrus, der Apostelfürst, erlitt zusammen mit Paulus das Martyrium. Pförtner des Himmels, Patron unzähliger Städte und Berufe, Universalschutzheiliger.

Sebastian, Hauptmann der Prätorianergarde Diokletians, als bekennender Christ mit Pfeilschüssen vermeintlich zu Tode gemartert, endlich mit Bleikolben und Knüppeln erschlagen. Schutzheiliger gegen die Pest (die Pfeile wurden als “Pestpfeile” verstanden); Patron der Armbrustschützen, Soldaten und Büchsenmacher.

Vitus, aus Sizilien gebürtig und schon als Kind wundertätig, erlitt um 300 in Italien unter Kaiser Diocletian das Martyrium, ging daraus jedoch unbeschadet hervor und starb um 304 in Lukanien. Teile seiner Gebeine (eine Armreliquie) wurden im 10. Jh. von Wenzel I., Herzog von Böhmen, aus der Reichsabtei Corvey nach Prag in eine eigens dafür erbaute Kirche überführt, aus der später der gotische Veitsdom hervorgehen sollte; sein Haupt wurde 1355 durch Karl IV. nach Prag in den Veitsdom verbracht. Patron Böhmens, Sachsens und Siziliens, angerufen gegen Besessenheit, Epilepsie (s. “Veitstanz”), Tollwut und Schlangenbisse, gegen Blind-, Stumm- und Taubheit, Schutzheiliger u.a. der Apotheker, Bierbrauer, Winzer und Kesselflicker. St, Veit wird als einer der Vierzehn Nothelfer verehrt.

Vom 13. Jh. an wurden in Deutschland in Nöten aller Art die ®”Vierzehn Nothelfer” angerufen, Heilige, die vor ihrem Märtyrertod Gott gebeten haben sollen, demjenigen Gehör zu schenken, der in ihrem Namen um Hilfe bäte.

Walpurga. Aus England stammende Äbtissin in Heidenheim, starb dortselbst nach einem vorbildlichen Leben. Ihre Reliquien wurden nach Eichstätt verbracht, wo aus ihrem Grabmal bald ein wundermächtiger Ölfluss einsetzte. Patronin der Bauern, Schutzheilige der Feldfrüchte, Helferin gegen Hundswut und Pest.

Wendelin, St. Wendel. Der Legende nach ein schottischer Königssohn, der auf den Thron verzichtet hatte und unerkannt als Pilger durch die Lande reiste und in der Fremde Gott diente. In der Gegend von Trier ließ er sich als Einsiedler nieder, betätigte sich als Zeichen seiner Demut als Hirte und wirkte viele Wunder. Die Mönche der nahen Benediktinerabtei Tholey erwählten ihn nach dem Tod ihres Abtes zu dessen Nachfolger. Aufgrund seiner vorbildlichen Leitung erblühte das Kloster und wurde wegen seiner Ordenszucht weitberühmt. Auf dem Sterbebett offenbarte Wendel dem Bischof von Trier seine wahre Herkunft. Sein Grab wurde bald zu einem Wallfahrtsziel, um das sich das saarländische Städtchen St. Wendel bildete. Beigesetzt war er ab 1360 in einem Hoch-Sarkophag hinter dem Hochaltar der dortigen Wallfahrtskirche. Die Pilger konnten unter dem Grab hindurchziehen, so dass die segensreiche Ausstrahlung der reliquia von oben auf sie herabströmte. Wendelin war Patron der Bauern, Hirten, Schäfer und Pilger; dargestellt wurde er mit Hirtenstab als Mönch, Abt oder junger Prinz, Schweine oder Schafe hütend.

(s.a. Antonius von Ägypten, St. Dionysius, Elisabeth (Heilige), Gregor I. der Große (Papst), Hildegard von Bingen, Mauritius, Nikolaus von Flüe, Jacobus Maior Santiago de Compostela, Sebald, hl., St. Brendan, Thomas von Aquin, Veronika, Wenzel I. der Heilige, Wolfgang)

Vom Frühmittelalter an erwählten sich Herrscher und Hochadelsfamilien “eigene” Heilige als Helfer in der Schlacht und bei der Wahrung des sozialen und politischen Renommees. Im Spätmittelalter unterstellten sich auch Zünfte und Bruderschaften jeweils eigenen Schutzheiligen, so z.B. die Goldschmiede dem hl. Eligius, die Schuhmacher St. Crispinus und St. Crispinianus (s. Schuster), die Bergknappen dem hl. Daniel.

Heilige wurden auf mittelalterliche Abbildungen fast durchwegs als hellhäutig dargestellt, von folgenden Ausnahmen abgesehen:

Sara, Missionarin in Südfrankreich, Patronin der Zigeuner;

Caspar, Mohrenkönig, einer der Drei Weisen aus dem Morgenland; (s. Heilige Drei Könige)

Mauritius, Soldat der Thebaischen Legion, Märtyrer, Patron der Krieger, vieler Handwerke und der Pferde;

Moses der Äthiopier, bekehrter Gewalttäter, wundertätiger Eremit, Patron der Afrikaner.

(s. Feuerheilige, Drei hl. Jungfrauen, Drei hl. Madl, Hagiographie, Heilige Drei Ärzte, Heilige Kümmernis/St. Wilgefortis, Krankheitsheilige, Patrozinium, Schutzpatron, Weinheilige, Wetterheilige, Wunder, Zunftpatron)

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