Hirt

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Lexikon des Mittealters Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen
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Hirt, Hirte (mhd. hirt[e], ahd. hirti; v. ahd. herta = Tierrudel; lat. pastor). Zum Hüten einer Tierherde haben Fronhöfe und Klöster Eigenleute abgestellt, später gab es angestellte Dorf- und Stadthirten für die jeweiligen Pferde-, Rinder-, Schweine-, Schaf- oder Ziegenherden. Die städt. Viehhalter waren verpflichtet, ihre Tiere von keinem anderen als dem Stadthirten austreiben zu lassen. Das Gänsehüten war Sache der Mädchen, die Aufsicht über kleinere Stapel von Rindern, Schafen oder Ziegen wurde Buben anvertraut. Bei größeren Herden unterstanden dem Meister- oder Oberhirten mehrere Unterhirten oder Gesellen. Bei der Übergabe des Amtes (hirten-ambet) wurde mancherorts ein Festmahl veranstaltet, bekam der Hirt den Hirtenstab – Gehstock, Stütze und Waffe zugleich – formell übergeben und leistete den Hirteneid, „dem vieh getreu und wohl zu warten“. (Der Hirtenstab bildete zusammen mit der obligatorischen Hirtentasche die Berufssymbole des Hirtenstandes.) Der Hirtenlohn richtete sich nach der Tierzahl und bestand entweder in einem Stück Nutzland (hirt-lehen) oder in Geld (hirtenpfrunde). Nach alten Rechten und Weistümern standen Hirten unter besonderem Schutz. Zu den obligaten „Werkzeugen“ eines Hirten gehörte die Schleuder, mit deren Geschossen sie ihre Herde antrieben und lenkten und Schadgetier vertrieben.

Der Schweinehirt trieb seine Tiere morgens in die Laubwälder zu Äsung und Suhle, nachts wurden sie im Pferch verwahrt bzw. ins Dorf oder in die Stadt zurückgetrieben. Der Schafhirt (s. Schäfer), mit Hirtenstab, Hirtentasche und Pfeife (Flöte), personifizierte den Hirtentyp schlechthin. Der Austrieb von Tierherden auf Wiesen, Weiden und Brachfelder diente nicht nur der Äsung, der Anfall von Exkrementen war als Düngung geschätzt. Unersetzlicher Gehilfe des Hirten waren seine Hütehunde, großrahmige, starkknochige, temperamentvolle Tiere, die beim Treiben und Pferchen halfen und die Herde vor Viehdieben und Raubtieren schützten. Eine Sonderstellung unter den Hirten nahmen die Berghirten ein, die ihre Schaf- und Ziegenherden oberhalb der alpinen Baumgrenze hüteten und zu Pionieren der Almwirtschaft wurden. Ihr Wissen um Gefahren und Wege der Hochgebirgsregion machte sie zu gesuchten Führern für Alpenüberquerungen.

Das glückliche Einbringen der Herde am Ende des Weidegangs (zu Leonhardi/6. November oder Martini/11. November) wurde festlich mit Schmaus und Tanz gestaltet. An diesen Hirtenfesten war auch die Entlohnung fällig, die in Naturalien und Geld gereicht wurde.

Durch ihren intensiven Naturkontakt besaßen alle Hirten gute Kenntnisse von Wetter, Tierkrankheiten, Heilpflanzen und essbaren Kräutern. Man glaubte sie zaubrischer Fähigkeiten mächtig und suchte insgeheim ihren Rat, was ebenso ein Grund für ihre Verfemung als unehrliche Leute gewesen sein könnte wie das Töten und Abhäuten altersschwacher oder kranker Tiere, welches sie in die Nähe des Abdeckers brachte, sowie ihr häufiges Fehlen beim Gottesdienst. Zudem waren sie nach dem Sachsenspiegel vom Heeresdienst befreit, um ständig bei ihrer Herde bleiben zu können, und kamen durch diesen Umstand in den Ruch der Wehrunfähikeit.

Nach dem Bild eines Schafhirten wurde der Bischof als geistlicher Hirt seiner Herde, als ®“Guter Hirt“ (pastor bonus) der Christengemeinde dargestellt. Sein Amtszeichen war der Hirtenstab (virga pastoris), seine Rundschreiben an die Diözese hießen Hirtenbriefe. (Das Bild vom „Guten Hirt“ stammt von einer Selbstbezeichnung Jesu nach Joh. 10,1 ff).

Schutzpatrone der Schäfer und Hirten waren neben St. Leonhard und St. Martin noch die Heiligen Wolfgang, Wendelin, Jakobus und Castulus, deren Gedenktage je nach landschaftlichem Brauch als Hirtenfeste gefeiert wurden.

In der mittelalterliche Lyrik verschmelzen die Topoi von Ritterideal, Natursehnsucht und Erotik im Hirtenlied (Pastorale). In der Wirklichkeit kamen Schäferinnen und Hirtinnen weit weniger häufig vor als in der Welt der Lyrik. – Schutzheiliger der Hirten war St. Wendelin, ein legendärer iro-schottischer Einsiedler, der zeitweilig als Sau-, Rinder- und Schafhirte gedient hatte und später als Abt des Klosters Tholey berufen wurde. Sein Grab wurde bald zu einem Wallfahrtsort, um den herum das Städtchen St. Wendel im Saarland entstand. Als Attribute des Heiligen, der als Mönch mit Hirtenstab dargestellt wird, erscheinen Schweine, Schafe oder Rinder.

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