Lexikon des Mittealters | Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen |
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Hufeisen (mhd. huofisen; lat. solea ferrea). Um Abnutzung und Verletzungen der Hufe von Militärpferden – zumal auf steinigem Boden, unter teils erheblicher Last und bei schneller Gangart – zu verhindern, hatte man in der Antike aus Bast geflochtene oder lederne Hufschuhe (Hipposandalen) entwickelt, die sich aber schnell abnutzten und verloren gingen. Erst die aufgenagelten U-förmigen Hufeisen brachten eine zufriedenstellende Lösung; sie waren in 1./2. Jh. von den Kelten entwickelt und von den Römern übernommen worden. Die ältesten Funde sind aus dem Ende des 1. Jt. v. u. Z. und stammen aus keltischen Siedlungen im Alpenraum. Mit den röm. Truppen verbreitete sich das H. im Imperium Romanum. Bis zum 9. Jh. hatten sie sich für Militär- und Kurierpferde allgemein durchgesetzt. Im Lauf der Zeit dürften fremdländische Hufeisen – wie die der Reiterkrieger der Hunnen (5. Jh.), der Araber (Kreuzzüge, ab 11. Jh.) und der Mongolen (13. – 15. Jh.) – Einfluss auf Formgebung und Eisenqualität abendländischer H. genommen haben. Im 13. Jh. waren fast ausschließlich die Reitpferde hoher Adliger und Geistlicher beschlagen, im 14. Jh. setzte sich der Hufbeschlag für Zug- und Lastiere allgemein durch.
Das U-förmig gebogene H. wird entsprechend der Größe und Form des jeweiligen Hufes zurechtgeschmiedet und heiß auf den Trachtenrand aufgepasst („aufgebrannt“), wodurch kleine Unebenheiten am Trachtenrand beseitigt werden und das Eisen völlig plan zu liegen kommt. Es liegt unter dem äußeren Rand der Bodenfläche des Hornschuhs derart, dass der Bogen unter dem Vorderrand des Hufs sitzt und die freien Enden der Schenkel am hinteren Rand der Trachten enden. Die zum Boden weisende Seite des H. hat Versenkungen oder eine umlaufende Rille für die Löcher, in welche die Köpfe der eingschlagenen Hufnägel zu liegen kommen und so vor Abrieb geschützt sind. Die Anzahl der Nägel beträgt meist 5 bis 8, und ist umso kleiner, je leichter das Tier und der Dienst der Tiere ist. Um die Griffigkeit des H. zu erhöhen, waren die Enden der Schenkel nach unten umgebogen oder mit je einem angeschweißten Eisenklotz („Stollen“) unterlegt. Der wellenförmige Umriss früher H. („Wellenhufeisen“, 11./12. Jh.) ist wohl durch Materialverformung beim Einschlagen der Nagellöcher zustandegekommen.
Die wohl früheste Verwendung des H. in der Heraldik findet sich im Wappen des Stallmeisters von Herzog Wilhelm dem Eroberer, Heinrich von Ferres: es zeigte sechs schwarze H. auf silbernem Grund. Das Wappen dürfte um 1070 entstanden sein und deutet wie sein Name (Ferres v. lat. ferrum = Eisen) auf die Stellung des Heinrich als Aufseher über die Schmiede (praefectus fabrorum) hin.
Da die Hufe nachwachsen, mussten sie in Abständen von vier bis sechs Wochen neu beschnitten und neu beschlagen werden. Es gab besondere Hufeisen für Sommer und Winter, für Vorder- und Hinterhufe, sowie für Reit-, Zug- und Tragtiere.
Außer zur Schonung und Leistungsoptimierung kannte man auch spezielle Hufeisen zur Verbesserung fehlerhafter Stellung und zur Beschleunigung der Ausheilung von Hufverletzungen und -krankheiten. Von daher rührt die enge Verzahnung von Hufschmiede- und Stallmeisterkunst (Marschallskunst), der Vorläuferin der Tierheilkunde.
Weitverbreitet war im Mittelalter der Aberglaube, Hufeisen hätten schadenabwehrende und glückbringende Kraft. Grund dafür könnte seine Ähnlichkeit mit der Mondsichel sein, die ja auch als Glückssymbol galt, oder weil es für das Pferd stand, der Verkörperung von Kraft, Schönheit und Majestät. – Das H. wurde von den einen mit der offenen Seite nach unten an die Haus- oder Stalltür genagelt, von anderen umgekehrt. Einmal sollte es seine Kraft verströmen, das andere Mal sollt es sie bewahren.
(s. Hufschmied, Klauenbeschlag, Nagel)