Huhn und Hahn

Cinque Terre Forest
Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Huhn und Hahn (mhd. huon/hane; lat. gallina/gallus). Das Haushuhn ist das älteste Hausgeflügel; es stammt von dem in Südostasien beheimateten Bankivahuhn (Gallus gallus) ab, das zur Gruppe der Kammhühner innerhalb der Familie der Fasanenvögel zählt. Schon im 3. Jt. v. Chr. wurde es im Bereich der Industal-Kultur domestiziert – möglicherweise aus kultischen Motiven. Über Mesopotamien und Griechenland kam es nach Italien, von wo es im 7./6. Jh. v. Chr. nach Mitteleuropa gelangte. Knochenfunde belegen eine starke Zunahme der Hühnerbestände im Frühmittelalter

Skelettmorphologisch stehen die frühmittelalterliche Haushühner – bei beträchtlichen regionalen Größenunterschieden – zwischen rezenten Zwerghühnern und leichten Hühnerrassen (Leghorn, Italiener). Die Nutzung war vorwiegend auf das Fleisch – Hühnerfleisch galt als Fastenspeise -, in geringerem Maße auf das Eigelege angelegt, wie aus Altersgliederung und Geschlechterverteilung hervorgeht. Im Spätmittelalter lassen sich deutliche Erfolge züchterischer Bemühungen erkennen: mittlere Körpergröße und Formenvielfalt nehmen zu. Von alters her war zur Verbesserung der Mastleistung das Kastrieren der Hähne bekannt. Dabei wurden Kamm und Bartlappen abgeschnitten, die Sporen abgesengt oder unter Eröffnung der Bauchhöhle vom Rücken her die nahe den Nieren gelegenen Hoden entfernt. (Der kastrierte Hahn hieß ahd. kappo, mhd. kappe, kappan, kapphan, kappauner, kappaun oder hanreyge, hanreye, hanrei; lat. capo, mlat. cappo, capus.) Hühner, Kapaune und Eier gehörten zu den dem Grundherrn geschuldeten Abgaben. Hühnerfleisch wurde gebraten, gekocht oder als Frikassee genossen. Es war besonders als Speise für Kranke und Genesende geschätzt.

Das Hühnerei (s. Ei) galt als Fruchtbarkeitssymbol, als Zaubermittel und als Apotropäum. Der Brauch, zu Ostern Hühnereier zu weihen, ist erstmals für das 12. Jh. belegt.

Im christlichen Glauben galt der Hahn als Warner vor bösem Tun, hatte er doch bei der Verleugnung Christi durch Petrus gekräht. Vom 9. Jh. an taucht der Kirchturmhahn auf, zunächst in Italien, Deutschland und England; er symbolisiert Wachsamkeit, Kampfesbereitschaft und Erweckung zu einem höheren Leben. Sein morgendlicher Weckruf verkündet das Ende der Nacht, und vertreibt die im Dunkel umgehenden Teufel, Hexen und Gespenster. – Als Heiligenattribut ist ein Hahn St. Gallus und St. Veit zugeordnet. St. Petrus mit dem Hahn war der Schutzpatron der deutschen Uhrmacher.

Huhn und Hahn galten im Mittelalter als Wetterpropheten und Orakeltiere. In schwarzen Hennen sah man eine Hexe oder den Satan selbst; andererseits galten Zubereitungen aus einer schwarzen Henne als besonders heilkräftig. Ein weißer Hahn galt als glücksbringend und unheilabwehrend. Der rote Hahn galt dagegen als Symboltier des Schadfeuers (RW: “einem den roten H. aufs Dach setzen”). Im schwarzen Hahn sah man ein Teufelstier, in dessen Gestalt verdammte Seelen und böse Geister ihr Unwesen trieben und das Hexen als Reittier diente. – Wegen seiner Rolle im Hühnerhof haftet dem Hahn auch das Odium der Lüsternheit an; von daher erscheint er in mittelalterliche Darstellung gelegentlich als Symboltier der Geilheit. Wegen seiner Kampfeslust versinnbildlicht das Motiv aufeinander losgehender Hähne Zorn, Streitsucht und Gewalttat.

Aus dem Ei eines roten oder schwarzen alten Hahns, das auf dem Mist von einer Kröte oder Schlange ausgebrütet worden war, entstand nach einem griechischen Mythos, der auch im Mittelalter noch geläufig war, das Mischwesen Basilisk (s. Ungeheuer). In antiker Tradition weiß der mittelalterliche Aberglauben von dem Stein “Alectoria”, der in der Leibeshöhle von Kapaunen wachse, der Frauen unwiderstehlich mache und der – so man ihn im Munde trüge – keinen Durst aufkommen lasse.

(s. Hahnenkampf, Wetterfahne)

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