Hunde

Cinque Terre Forest
Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Hunde (mhd. hunt; lat. canis; zool. canis lupus familiaris). Stammvater aller unserer Hunderassen ist der Wolf (Canis lupus), aus dem vor ca. 9.000 bis 15.000 Jahren, also während der Sesshaftwerdung des Menschen im Spätpaläolithikum bzw. im Frühholozän, die ältesten Haushundformen hervorgegangen sind. (Dies die bisher unbestrittene Lehrmeinung. Dagegen gelangten 1997 US-Forscher anhand von Erbgutvergleichen an Hunden und Wölfen zu der Ansicht, dass die Domestikation schon vor 135.000 Jahren stattgefunden habe.) Anlass der Domestikation, dürften vor allem die Vorteile gewesen sein, welche Jäger aus Spürsinn und Gelehrigkeit der Tiere zogen, ihre Verwendbarkeit im Treib-, Hüte- und Wachdienst und ihre emotionale Bindungsfähigkeit. Im Verlauf der Haustierwerdung und später durch gezielte Zucht änderten sich Größe, Form, Charakter und Sinnesleistungen auf vielfältige Weise. Ausweislich bildlicher und figürlicher Darstellungen sowie kultischer Bestattungen (Hundeskelette, -mumien) kannten die alten Ägypter schon um 1500 v.u.Z. viele unterschiedliche Hunderassen. Die ca. 400 neuzeitlichen Hunderassen sind aus Rassen hervorgegangen, die ihrerseits teilweise schon für das Frühmittelalter belegt sind. Quellen sind Handschriften der Volksrechte, paläoosteologische Befunde und Buchmalereien. (In den Volksrechten der Alamannen und der Baiern werden Bußgelder je nach Nutzungsart der Hunde festgelegt.) Der Variationsbereich der Körpergröße spannte sich von 26 bis 72 cm (Widerristhöhe). Skelette kleinwüchsiger Hunde fanden sich vor allem in Burgen und städtischen Siedlungenen.

Die im Mittelalter bekannten Hunderassen wurden genutzt als:

1. Jagdhunde (mhd. jagehunte). Die Jagdleidenschaft des Adels forderte erheblichen Aufwand, nicht zuletzt an Hundemeuten für die beliebten Hetzjagden. Die Zahl der von einem Jagdherren gehaltenen Jagdhunde konnte in die Hundert gehen. Für Haltung und Pflege der Tiere war geschultes Personal angestellt, schon weil diese einen großen Wert darstellten.

Leit-, Treib- und Spurhunde. Die Lex Salica (um 510) nennt den laut jagenden, mit tiefer Nase spürenden Leithund – seine Bedeutung unterstreichend – Segusius magister canis (v. lat. sequi = folgen; auch seguser, segutius, seucis, seusius). In der Lex Baiuvariorum (7. Jh.) wird er als leitihunt benannt und gegen triphunt (mlat. precursor) und spurihunt (mlat. investigator) abgegrenzt. Sie wurden vor allem auf Rotwild, auf Ur, Wiesent, Sauen und Bären angesetzt; für Wolfsjagden mussten die Hunde besonders abgerichtet (eingejagt) werden, da sie eine natürliche Furcht vor Wölfen hatten. Leit- und spurihunt waren durch höhere Buße geschützt als der triphunt. 1254 wird eine Strafe von zwölf Schilling für den festgesetzt, der einen “leythunt stilt oder ze tot sleht” bzw. soll er “seinem Herrn das der hunt was, einen als gut geben as seynen was”. Leit-, Treib- und Spürhunde waren zunächst keine reingezüchteten Rassen, die Bezeichnung stand vielmehr für deren besondere Ausbildung. Erst seit dem 14. Jh. scheint es formstabile Rassen gegeben zu haben. Ma. Dichtungen beschreiben an ihm die große Nase, sehr lange Ohren, stark ausgebildete Lefzen, bogenförmig aufwärts getragene Rute.

Spür- und Hetzhunde (mhd. ruorhunt; v. ruor = Hatz; auch bracke, v. frz. braque). Kräftige, großrahmige Hunde, die mithilfe ihres Geruchssinnes die Fährte des Wildes finden, das Stück aufstöbern und es mit lautem Gebell dem Anstand des Jägers, aufgestellten Netzen oder Fallen zutreiben. Aus dem Nibelungenlied: “so sult ir mir lihen einen suochman und etlichen braken, so wil ich riten in den tan”. Der ruorhunt wurde spätestens seit dem 6. Jh. wegen seiner schnellen und ausdauernden Laufleistung auch zu Parforcejagden benutzt, bei der die Jäger einer vielköpfigen Hundemeute zu Pferde folgten. Karl d. Gr. unterhielt Meuten, seine Hofjagden waren jedoch Treibjagden mit Netzen, wohl nach orientalischem Vorbild.

Das Landvolk war z.T. pachtrechtlich verpflichtet, eine gewisse Zahl von Hatzrüden für die herrschaftlichen Saujagden zu halten. – Der Bluthund (mhd. pluetthunt) wurde angeschweißten Stücken “uf rotvarwer vert” nachgehetzt, um das Wild zu stellen und niederzuziehen. Berittene folgten ihm um ihn daran zu hindern, das Stück anzuschneiden.

Stöbernde und apportierende Hunde. In einer Pariser Minnehandschrift aus dem 13. Jh. ist ein dem modernen Spaniel gleichender Hund als Hund der Falkenjagd (beizihunt, vogelhunt, hapihunt [=Habichthund]; mlat. canis acceptorius) abgebildet. Er wurde als Stöberer (mit “hoher Nase”) bei der Beizjagd verwendet. In der Manessischen LHS erscheint er als gelehriger, Kunststücke machender Schoßhund. In der Lex Friesonium (8. Jh.) ist unter der Bezeichnung Canis Acceptorius sein Schutz bestimmt. Im Sachsenspiegel (13. Jh.) ist er als stoubere erwähnt. (Wie der heutige Nachfahr des vogelhunt zu dem Namen Spaniel kam ist ungewiss.)

Vorstehhunde. Wahrscheinlich aus Bracken und Hatzrüden gezüchtet. Gekennzeichnet durch das Verhalten gegenüber dem versteckten Wild: dieses wird mit hoher Nase und ohne Lautäußerung ausgekundschaftet; ist der Standort lokalisiert, bleibt der Hund wie erstarrt in typischer Pose stehen, bis das Flugwild oder der Hase hochgegangen ist. Die Pose des Vorliegens, also das Verweisen des Wilds in liegender Stellung, wurde den Tieren für die Hühnerjagd andressiert, bei der sich der vorliegende Hund mitsamt den Hühnern von einem großen Decknetz überdecken lassen musste. 1467 verlangte ein Landgraf von Hessen einen “vorleygenden” Hund für seinen Blaufußfalken; sie dienten demnach neben dem Spaniel zur Beizjagd.

Hetz- und Windhunde (mhd. wintbrake, wint-, hirzhunt, wollaufender hunt; mlat. canis veltrarius oder vertragus) waren großrahmige, schlanke und schnelle Jagdhunde, die man besonders zur Hetzjagd auf Fuchs und Hase ansetzte; sie wurden erst von den Hetzleinen losgelassen, nachdem die Stöberhunde das Wild aufgetan hatten, und hetzten dann auf Sicht. Man kannte einen leichteren Schlag (veltrus leporarius) für die Hasenhatz und einen schwereren (veltrus porcarius) für die Hatz auf Rot- oder Schwarzwild.

Doggenartige Hunde benutzte man zur Jagd auf Auerochsen, Bär und Wolf. Leichtere Rassen (rezenten Dachshunden und Terriern ähnelnd) wurden für die Erd- und Hasenjagd gezüchtet. –

(Fritz Röhrig konstatiert: “Die weitaus besten Hunde zogen die Franzosen, die die Jagd mit spürenden Hunden im späteren Mittelalter zu einer Vollkommenheit brachten, wie sie bisher nie wieder erreicht wurde.”)

Jagdhunde für die Baujagd. Um Fuchs und Dachs aus ihren engen unterirdischen Röhren zu treiben, brauchte man einen niedriggestellten, kurzbeinigen dazu starken und kampfmutigen Hund, der obendrein auch zur Schweißarbeit und zum spurlauten Jagen taugte. Schon im Mittelalter wurden entsprechende Dachs-Hunde gezüchtet, die damals noch etwas großrahmiger waren und Stehohren hatten .

2.) Nutz- und Wachhunde

Schäfer-, Metzger-, Senn- und Hirtenhunde. Gelehrige, nicht allzu scharfe Tiere, meist von mittlerer Größe und kräftiger Behaarung. In den Landschaften Europas wurden schon im ausgehenden Mittelalter jeweils eigene Rassen stabil. Sie dienten dem Schäfer als Treib- und Hütehunde, trieben dem Metzger das auf dem Lande gekaufte Schlachtvieh zur Stadt und dem Senn die Kühe zum Melken zu und verteidigten ihre Herde. Außerdem taugten sie schon im 13. Jh. “zum ußspüren der diep und der boesewiht”.

Wachhunde. Als Wachhunde wurden kleinere spitzartige Hunde (mhd. mistbelle, spitzhunt) oder größere Hunde, etwa vom Typ des modernen Hovawart (mhd. hovewart = Hofhund, eigtl. Hofwächter) gehalten. Große, ursprünglich als Hatzhunde gezüchtete Doggenartige liefen frei im Zwinger von Burgen und Fürstenhöfen.

3.) Arbeitshunde.

Im Bergbau spielten Hunde als Trag-, Zug- und Göpeltiere eine erhebliche Rolle, konnten sie sich doch in den niedrigen Gängen besser bewegen als noch so kleine Menschen. (Das Erz wurde in lederne Beutel gefüllt und den Hunden mittels Traggeschirr aufgebürdet.) Kleinhändler und arme Gewerbetreibende nutzten Hunde als Zugtiere vor ihren Minifuhrwerken. (Hunde können das drei- bis fünffache ihres Eigengewichts ziehen und wurden meist paarweise eingespannt.) Göpelwerke und Treträder für mindere Leistung – etwa zum Bewegen von Blasebälgen – wurden von Hunden in Bewegung gesetzt.

4.) Haus- und Schoßhunde.

Klein- bis zwergwüchsige Luxushunde sind typisierender Bestandteil vieler mittelalterliche Buchmalereien, so auch der Manessischen LHS. (bei den Bildern zu Reinmar von Hagenau, Heinrich von Morungen oder Dietmar von Aist), wo sie sich jeweils in den Arm der Dame schmiegen. Sie dürften dem Typ des Zwergspaniels, des Maltesers oder des Italienischen Windspiels entsprochen haben. Kleinwüchsige Hunde wurden auch zur Bekämpfung der allgegenwärtigen Hausratte gehalten.

5.) Dressierte Hunde der Schausteller (s. Dressur)

6.) Schlachttiere

Hunde wurden geschlachtet um – zumindest in Notfällen – Fleisch für die menschliche Ernährung und um Körperteile als Heilmittel zu gewinnen. Unklar ist, inwieweit Hunde eigens als Schlachttiere gehalten wurden. Dies dürfte wohl nur in Gebieten intensiver Fischerei der Fall gewesen sein, wo die Verfütterung von Fischabfällen die Hundehaltung begünstigt hat – ansonsten wäre ja der Hund als Fleischfresser ein Nahrungskonkurrent gewesen. In Zeiten von Hungersnot hat man sicher Hunde als Fleischlieferanten geschätzt. Auch manche der streunenden Straßenköter, die städtischen Hundefängern in die Schlinge gegangen sind, dürften im Kochtopf gelandet oder von Heilkundigen als Organspender genutzt worden sein. (s. Hundefleisch)

Dem mittelalterliche Menschen galt der Hund wegen seiner Eigenschaften – Treue, Gelehrigkeit, Wachsamkeit, Mut, Gehorsam, Loyalität – als schätzenswertes Tier. Aufgrund dieser Bewertung galt die Bezeichnung “Hund” als ehrendes Attribut; diese positiven Eigenschaften des Tieres lagen seinem Erscheinen in der Heraldik zugrunde. In Wappenbildern und Helmzier erscheinen meist Rüden von Bracken und Windspiel. Von seinen Vettern, dem Fuchs und dem Wolf, die ebenfalls in der Heraldik vertreten sind, unterscheidet sich der Hund durch ein umgelegtes Halsband. Die von Toggenburg haben sich nach der Dogge benannt. Auch legten sich Adelsfamilien, wie beispielsweise die Kuenringer-Dynastie, den Beinamen “Hund” bei. In einem Wortspiel benannten sich Angehörige des Dominikanerordens, zuständig für das Zusammentreiben der Herde der Gläubigen wie für das Aufspüren und Jagen von Ketzern, als “Domini canes” (Hunde des Herrn).

Die Wertschätzung des Hundes bezog sich nicht auf die Parias der Rasse, die herrenlosen Streuner, die als Lästlinge verächtlich waren und als mögliche Überträger der Hundswut ausgerottet wurden (s. Hundeschläger). Wegen des ruhestörenden Gebells mussten Bürger ihre Hunde über Nacht ins Haus einsperren (Nürnberg, 1430). Bauernhunde mussten beim Haus angekettet sein oder hatten einen Prügel angehängt zu bekommen, der beim Laufen stark behinderte; so sollten sie daran gehindert werden, das herrschaftliche Jagdvergnügen zu stören. Dem Sachsenspiegel zufolge hatten Hunde, die über Land mitgeführt wurden, angeleint zu sein, damit sie keinen Schaden anrichten konnten. Manche Klöster, Gutshöfe, Mühlen oder Abdeckereien waren zur Hundelege (mhd lege = Lager), d.h. zum Deckbetrieb, zu Aufzucht, Abführen (Abrichten) und Unterhalt herrschaftlicher Jagdhunde verpflichtet.

Hochwertige Jagdhunde wurden von ihren herrschaftlichen Haltern hoch geschätzt und entsprechend umsorgt. Es gab speziell ausgebildete Bedienstete, welche sich um das Wohlbefinden der Tiere kümmerten, Fell, Pfoten und Gebiss pflegten, Wunden und Verletzungen behandelten, Parasiten beseitigten usf. Hrabanus Maurus, Abt des Klosters Fulda und seit 847 Erzbischof von Mainz, geißelt in einer seiner Predigten das sündhafte Verhalten derer, die ihre Hunde besser halten als ihre Knechte: “… Man kann nämlich in vielen Häusern gepflegte und wohlgenährte Hunde herumlaufen sehen und gleichzeitig Menschen, die bleich und wankend einhergehen.”

Bei drohender Tollwuterkrankung erflehte man Schutz und Beistand von “Hundeheiligen”, etwa des hl. Rochus, des hl. Vitus oder des St. Hubertus von Lüttich (s. Tollwut, Hubertusschlüssel).

Schon in der Heilkunde der Antike spielten Fleisch, Organe und Ausscheidungen von Hunden eine große Rolle; Hippokrates, Galen, Sextus Empiricus und Plinius zählten eine Vielzahl von Hundeheilmitteln auf. Im Mittelalter wurden vor allem Fett, Lunge und Fleisch in Arzneien für Lungenkranke verarbeitet; Hundehaut sollte gegen Arthritis helfen; eine Salbe aus Hundefleisch wurde gegen Lähmungen verordnet; Urin und der weiße Knochenkot waren in Zubereitungen gegen Zahnweh, Halsleiden und Schwindsucht enthalten. Auch Fell, Knochen, Hoden, Galle, Milz, Herz, Hirn, Zunge, Speichel und Milch von Hunden wurden in der mittelalterliche Volksmedizin als Heilmittel benutzt. Um sich von einer Krankheit zu befreien, setzte man sein Aderlassblut einem Hunde zum Trank vor.

Hundehaut war ein geschätztes Rohmaterial mittelalterliche Gerber, Schuster, Handschuhmacher, Beutler, Riemer, Gürtler und Kürschner. Als Lieferanten der Handwerker betätigten sich Abdecker und Hundeschläger, deren “Unehrlichkeit” nicht auf das Produkt übertragen wurde. Hundehaare wurden zu Filz verarbeitet, oder – betrügerischerweise – der Schafwolle beigemengt. Hundeknochen und -sehnen wurden zu Leim verkocht.

Obwohl der Hund das älteste der Haustiere ist, wird ihm mit abergläubischer Scheu begegnet: wegen seiner feinen Witterung hält man ihn für fähig, Zukünftiges anzuzeigen; auch vermag sein Gebell, Dämonen zu verjagen, weswegen ihm als gutem Hausgeist auch besondere Gaben zustanden. – Nach alttestamentlichem Muster galt der Hund als schlecht, schamlos und verachtenswert, von daher ist der Begriff “Hund” im mittelalterliche Sprachgebrauch negativ besetzt (mhd. hunt als Scheltwort = Bösewicht). Die Bibel nennt an 32 Stellen den Hund in verächtlichmachender Konnotation, u.a. zusammen mit “Zauberern, Huren und Mördern” (Apokalypse). Juden und Muslimen galt der Hund – wohl wegen seiner Vorliebe für Aas – als unrein wie das Schwein. – Von einem Hundsbegräbnis sprach man bei einer ehrlosen Bestattung (nach einer Hinrichtung), hunde-frey bedeutete eine verächtliche Form der Vogelfreiheit, öffentliches Hundetragen galt als eine besonders schändliche Form einer Ehrenstrafe. Juden wurden üblicherweise zusammen mit einem Hund gehenkt. Das Handwerk städtischer Hundeschlägerei wurde verrichtet von Leuten unehrlichen Standes. –

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