Hungertuch

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Lexikon des Mittealters Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen
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Hungertuch (mhd. hungertuoch, mndd. hungerdoek, Schmachtlappen, Palm-, Fastentuch; kirchenlat. velum). Vom Frühmittelalter an war der liturg. Brauch bekannt, während der 40-tägigen Fastenzeit vor Ostern mit einem großen Leinentuch den Hauptaltar, oder – zwischen den Pfeilern ausgespannt – den ganzen Chor zu verhüllen. Dieses Tuch war mit Szenen aus der biblischen Geschichte, mit Passionsszenen oder Passionswerkzeugen bemalt oder bestickt. (Die “Tüchleinmalerei” war eine Art Freskotechnik auf Stoff.) Hergestellt wurden Hungertücher in Frauenklöstern.Da das Tuch dem Volk den Beginn der Fastenzeit anzeigte, wurde es “Hungertuch”, in Niedersachsen und im Rheinland auch “Schmachtlappen” genannt.

Als eines der wenigen erhaltenen Beispiele seiner Art sei das Große Zittauer Fastentuch eines unbekannten Meisters genannt, das auf 56 m² (8,20 m Höhe, 6,80 m Breite) in 90 Feldern die christl Heilsgeschichte von der Schöpfung bis zum Jüngsten Gericht erzählt. Es wurde 1472 von einem Zittauer Bürger gestiftet und ist heute wieder am Ort seiner ursprünglichen Bestimmung, in der ehemaligen Zittauer Friedhofskirche, zu besichtigen. – Ein Fasten-Velum mit der Darstellung der Kreuzigung Christi im Mittelpunkt (seidengestickte Leinwand, Ende des 13. Jh.) findet sich im Halberstädter Domschatz. Ein großes Hungertuch aus dem Jahre 1458 wird im Dom zu Gurk (Kärnten) aufbewahrt.

(Der Brauch der Altarverhüllung mit einem Hungertuch ging nach der Reformation allmählich zurück; am längsten hat er sich im Münsterland erhalten, wo er noch im 17. Jh. geübt wurde.)

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