Hygiene

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Hygiene (v. grch. hygieine [techne] = der Gesundheit dienende [Kunst]; nach “Hygieia”, der grch. Göttin der Gesundheit; mhd. reinekeit, suberlicheit). Reinlichkeit wurde nur von mittelalterliche Asketen verachtet, die Verwahrlosung des Äußeren, Schmutz, Ungeziefer und üblen Geruch quasi als Ausweis ihrer Heiligkeit, ihrer Verachtung alles Irdischen benutzten. (Alles was der Pflege des Körpers diente, galt als Verlockung zur Sünde. Die heilige Paula sagte: “Die Reinlichkeit des Körpers und der Kleider bedingt die Unreinheit der Seele.” Läuse wurden als “Perlen des Lieben Gottes bezeichnet; sie gehörten zum obligatorischen Kennzeichen Heiliger.) Ansonsten suchte man, je nach Stand und Möglichkeit, sein Äußeres zu pflegen und wenigstens den unmittelbaren Lebensraum sauber zu halten. In den Klöstern war eine mehrmalige tägliche rituelle Waschung, eine samstägliche Vollreinigung einschließlich Fußwaschung durch die meisten consuetudines vorgeschrieben. Es gab entsprechende bauliche

Einrichtungen auch für Wannenbäder; die Benutzung letzterer war im allgemeinen jedoch nur mit Einschränkungen gestattet. In St. Gallen gab es außer dem Badhaus (balnearius) der Mönche noch eigene Bäder für die Schüler, die Kranken und die Dienerschaft. Als Beleg für den Reinlichkeitssinn der Mönche kann auch die Tatsache gewertet werden, dass die Zisterzienser Wasserleitung, Abwasserkanal und Schwemmabort wiederentdeckten. Nonnen waren im Rahmen ihrer karitativen Tätigkeit auch um die Hygiene bemüht; es wird berichtet, dass sie für Arme und Fremde, für Kinder sowie für arme und kranke Frauen Bäder bereiteten.

In den Ritterburgen und in den Häusern der Oberschicht schätzte man das Kufenbad nicht nur zu Reinigung und Zeitvertreib, sondern auch als warme Zuflucht bei Winterfrost. Ein geachteter Gast konnte nach der Ankunft den Reisestaub im Bade des Gastherren loswerden, wobei ihm eine Tochter des Hauses hilfreich war, ihn wusch, kämmte und salbte. Bei Tisch wurde mehrmals Gelegenheit zum Händewaschen gegeben, zum Abtrocknen wurde das Tischtuch benutzt.

In den Städten kam vom 12. Jh. an das Badewesen auf, das neben anderen Leistungen auch die der Körperreinigung bot.

Aborte (v. mndd. afort = abgelegener Ort) kannte bis ins Spätmittelalter außer in den Klöstern nur in Patrizierhäusern und in den Burgen, wo sie als Erker an der Außenwand vorsprangen. Ansonsten verrichtete man die Notdurft in einem Verschlag auf der Dungstätte (swashus) oder benutzte den Nachtstuhl (daher “stuolganc”) bzw. das Nachtgeschirr. Der Reinigung dienten dabei Moos, Gras, Blätter, gelegentlich auch Stoffreste oder Stroh (“Den ars wischet man auch mit stro”). In vielen Kloaken wurden Tonkrüge gefunden, die wohl Wasser zur Reinigung der Hände enthalten hatten und durch Unachtsamkeit verloren gegangen waren.

Im Spätmittelalter kam in gutsituierten Haushalten das Waschkästchen (padbecken) auf, ein im Wohnraum an der Wand hängendes oder auf dem Boden stehendes schmales Schränkchen mit einem Gießfassbehälter und einer Auffangschale, das der Körperhygiene diente. In ärmeren Häusern blieb weiterhin der Holzzuber in Gebrauch.

In die reinigende Kraft fließenden Wassers setzte man großes – allzugroßes – Vertrauen. Nur unlösliche Abfälle und Materialien, die sofort untergingen, sollten nicht in Flüsse, Bäche und Stadtgräben gelangen, da sie vom Wasser nicht “verzehrt” werden konnten. Ansonsten wurde der Aushub der Latrinen ebenso wie die Abwässer von Färbern, Lederern, Bierbrauern, Badern, Schlachtern usf. über Fließgewässer entsorgt.

Insgesamt war es, trotz der angeführten Bräuche, um die Hygiene während des ganzen Mittelalter schlecht bestellt – nicht zuletzt auch deshalb, weil man von Infektionsträgern und Übertragungswegen nichts wusste.

(s. Abdecker, Abfallbeseitigung, Abort, Badhaus, Bestattung, Brunnen, Diätetik, Menstruation, Quarantäne, Schwamm, Seife, Serviette, Stadtbäche, Taschentuch, Umweltprobleme, Ungeziefer, Warenschau, Wäschewaschen, Zahn- und Mundpflege)

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