Jagd

Cinque Terre Forest
Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Jagd (mhd. jaget, jagat, v. mhd. jagen = verfolgen, hetzen, mhd. auch weidwerc; lat. venatio). Bis zum Anfang des 9. Jh. galt der freie Tierfang, es bestand – außer gelegentlichen Reglementierungen der Jagdzeit – keine Beschränkung hinsichtlich Jagdtechnik, Jagdgebiet und jagbarem Wild. Die Jagd diente zunächst den Bedürfnissen nach Nahrung (Wildpret, Fett) und Kleidung (Leder, Pelzwerk), zum Schutz vor wilden Tieren (Wölfen) und vor Feldschädlingen, erst in zweiter Linie der Befriedigung jagdlicher Leidenschaft. Die fränkischen Könige begannen mit der Einforstung von Bannwäldern, in denen Jagd, Rodung und Holznutzung Königsrecht waren.

Dem Adel galt Jagd als Demonstration von Mannbarkeit und Herrschermacht, und war der beliebteste Zeitvertreib der Höfischen Gesellschaft. Unter dem Einfluss höfischer Etikette bildete sich das wilde Jagdtreiben zum edlen Weidwerk um. “Die Reitjagd hinter der fährtenreinen Meute, die kunstvolle Beize mit dem edlen Falken erreichte gegen Ende des Mittelalters eine Höhe, wie nie wieder in Europa” (Fritz Röhrig).

Die hohe Jagd auf Ure, Wisente, Rot- und Damhirsche, Rehe, Steinböcke, Wildsauen, Bären und andere hochgeschätzte und wertvolle Wildarten (Auerwild, Schwäne, Kraniche, Fasane) war herrschaftliches Privileg, war prinzipiell aus dem Nutzungsrecht nichtfürstlicher Waldbesitzer ausgeschlossen. Zum Wild der Niederjagd zählten Wölfe, Füchse, Hasen, Kaninchen, Biber Fischotter, Marder, Hamster, Siebenschläfer, Wiesel und kleineres Federzeug wie Wildenten, Blässhühner, Tauben, Wachteln usf.

Zum kunstgerechten Weidwerk gehörte nicht zuletzt das richtige Ansprechen einer Fährte (“zeychen”). Ein Jagdtraktet aus dem 14. Jh. nennt 25 Zeichen zum Erkennen eines Hirschen nach Trittsiegeln, Losung oder nach Malen, die das Hirschgeweih durch Anstoßen oder Wetzen an Bäumen und Sträuchern hinterlässt. Der Suchmann (mhd. suochman) machte dem Jagdherrn (jagemeister) Meldung über seinen Befund, und dieser entschied darüber, ob und mit welcher Taktik gejagt werden sollte.

Treibjagd und Hatz zu Pferde (Parforcejagd) wurden mit größerem Gefolge betrieben und dienten nicht zuletzt der Selbstdarstellung, als Macht-, Mut- und Geschicklichkeitsbeweis. Die Hetzjagd auf Hirsche wurde von berittenen Jägern und mit Hilfe von Hunden betrieben; Waffen kamen nicht zum Einsatz, es sei denn zum Erlegen des bis zur Erschöpfung gehetzten Wildes. Die Jagd auf Schwarzwild (Wildschweine) erforderte Mut und Gewandtheit von Hunden und Jägern. Dabei wurden Sauen und Keiler so lange von der Meute gehetzt (Sauhatz), bis sie sich stellten und vom Jäger mit der Saufeder abgefangen werden konnten. (Die Saufeder – mhd. jage-, wilt-, swinspiez -, die auch zum Abfangen von Bär und Hirsch verwendet wurde, hatte an der Basis der Stoßklinge ein Querstück [knebel], das verhinderte, dass der Spieß zu weit in den Tierkörper eindrang. Der Schaft war durch Noppen oder Riemenwicklung griffig gemacht.) Die Beizjagd (Beize) mit dem abgerichteten Greifvogel (meist einem Falken) auf Feder- und kleines Haarwild war aus dem Orient übenommen worden und ein eher elitärer Sport. Kaiser Friedrich II. hat ihm seine Handschrift “De arte venandi cum avibus” gewidmet.

Als Jagdwaffen benutzte man Spieße, Wurflanzen, Pfeil und Bogen, verschiedene Messer, später auch die Armbrust. Auf Vögel und Pelztiere, deren Balg man nicht beschädigen wollte, schoss man mit hölzernen Kolbenpfeilen mit plattem oder eiförmigem Kopf. (Feuerwaffen waren auch im Spätmittelalter noch zu ungefüg zu jagdlichem Gebrauch und entsprachen auch nicht dem ritterlichen Empfinden von Weidgerechtigkeit.) Bären wurden in massiven Fallen (“Bärenfang”) erlegt. Bauern jagten auch mit Fallgruben (z.B. Wolfsgruben), Netzen und Schlingen. Außerdem betrieb man “Heckenjagd” an Lücken (Zwangswechseln) in eigens dazu angelegten Buschreihen. Das Wild (Hirsche, Rehe, Sauen) wurde durch Treiber oder Hunde gegen die Hecken vorgetrieben und an den Zwangswechseln in Netzen abgefangen. Bauern wurden im Rahmen der Frondienste zu jagdlichen Arbeiten bestellt (Treiben, Fallen-, Hecken- und Gatterbau). Im Spätmittelalter kamen Berufsjäger und Jagdpersonal auf. Abgesehen von der Fallenstellerei und dem Vogelfang mit Netzen, Leimruten und “Finkenkloben” (klobe, klobeholz = gespaltene Hölzer) dürfte kaum eine Jagdart ohne Spür- und Hetzhunde betrieben worden sein. Daneben bediente man sich der Hilfe anderer Tiere, etwa der von Frettchen oder Beizvögeln. Zum Aufstöbern von Wild lärmte man mit Hörnerschall oder mit Stockhieben gegen Bäume; Erdbauten und Baumhöhlen räucherte man mit qualmendem Feuer aus. Für jedes Wild gab es besondere Jagdzeiten: Im Sommer jagte man das Rotwild, im Winter Schwarzwild (Bären, Auerochsen und Wildsauen), in der Fastenzeit Hasen.

Zur Jagdkunst gehörte auch das Häuten (“aus-der-Decke-Schlagen”) und Zerwirken des Wildes. Der Körper wurde üblicherweise durch einen Längs- und einen Querschnitt in vier Teile zerlegt; minderwertige Teile wie Drossel, Pansen und Därme (großes und kleines Gescheide) sowie Geschlechtsteile bekamen die Hunde.

Geistliche, namentlich “Bischöfe, Priester und Diakone, Äbte und Mönche” hatten sich der Jagd zu enthalten (Kapitulare von Mantua, 787). Ein karlisches Verbot aus etwa der gleichen Zeit richtete sich gegen das Halten von Hundemeuten und Jagdfalken durch Bischöfe, Äbte und Äbtissinen. Trotz derartiger gesetzgeberischer Maßnahmen dürften ranghohe Geistliche, fast ausschließlich dem Hochadel entstammend und höfischem Leben zugetan, kaum auf des edle Jagdvergnügen verzichtet haben.

Nach früheren Vorbildern wird in einem spätmittelalterliche frz. Jagdtraktat die Jagd als nützliches Werk gelobt: “Die Jagd ist für alle … eine sehr unterhaltsame und gleichzeitig nützliche Beschäftigung. Die Reichen meiden durch die Jagd den Müßiggang, ein sehr verderbliches Laster und Ursache allen Übels, und die Armen können durch sie Geld verdienen.” (Zit. bei Frank Meier) – Kritik findet die Jagd an Sonn- und Feiertagen sowie in der Fastenzeit. Johann von Salisbury kritisiert in seinem “Policraticus” (1156/59) die Jagd als leichtfertiges Vergnügen und bloße Zeitverschwendung der Mächtigen, die Bauern dagegen erlitten vielfältigen Schaden und Benachteiligung. Ein weiterer Kritikpunkt war die Inkaufnahme von Leibes- und Lebensgefahr durch den Jäger.

(s. Allmende, Beizjagd, Forst, Förster, Frettchen, Fuchs, Hase, Hirsch, Hunde, jagdbare Tiere, Jagdtraktate, Jagd- und Forstregal, Kaninchen, Pirsch, Reh, Schonzeit, Ur (Auerochs), Vogelherd, Wald, Wildbann, Wilderei, Wildschwein, Wisent, Wölfe)

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