Klosteranlage

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Klosteranlage. Das frühmittelalterliche Kloster war eine Zweckanlage, für die es keine verbindlichen Bauvorschriften gab; es entsprach außerhalb der Klausur in Anlage und Organisation auf mustergültige Weise einem Wirtschaftsbetrieb nach den Forderungen des Capitulare de villis. In der Benediktregel (Kap. 66) heißt es: “Das Kloster soll … so angelegt werden, dass sich alles Notwendige, nämlich Wasser, Mühle und Garten, innerhalb der Klostermauern befindet und die verschiedenen Arten des Handwerks dort ausgeübt werden können.”

Da es keine vollständig erhaltenen Klöster aus der Zeit gibt, müssen wir uns anhand schriftlicher Berichte und eines idealisierten Lageplans, des St. Gallener Klosterplans aus der Zeit um 820, eine Vorstellung von den wichtigsten Bauteilen und deren Zuordnung zueinander machen. (Der Plan stammt wahrscheinlich von Haito, 802-23 Bischof von Basel, 806-23 auch Abt der Reichenau, einem der einflussreichsten Männer am Hof Karls d. Gr. Der Plan ist geostet; nicht alle Bauteile sind eindeutig zu identifizieren. Träger des Plans sind fünf zusammengenähte Kalbshäute.)

Den Mittelpunkt des Klosters bildete der religiöse Trakt mit Kirche und Claustrum. Um den südlich der (geosteten) Kirche gelegenen, vom Kreuzgang umschlossenen Innenhof gruppierten sich Kapitelsaal, Dormitorium, Refektorium, ein beheizter Wärmeraum (s. Calefactorium), ein Raum für kleine handwerkliche oder hauswirtschaftliche Verrichtungen und private Gespräche der Mönche (Auditorium, Lokutorium, Kollocutorium, Confabulatorium, Fraterie/Bruderhaus), verschiedene Vorratsräume sowie Küche (Coquina), Bäder (Balneum, Balnearium, Lavabo) und Abtritt (Latrina, Necessarium). In der Nähe des Refektoriums fand sich am Kreuzgang ein Brunnenhaus mit ritueller Waschstelle (Lavatorium, Tonsur), die vor den Mahlzeiten aufgesucht wurde und an der man die rituelle Schur und Rasur bei der Klerikerweihe vollzog. Nördlich der Kirche lagen Herbergen (Hospitia) für geistliche und weltliche Besucher, Wirtschaftsräume, Schule und die Bibliothek mit Skriptorium. Die Klosterpforte war dem Westportal und dem Vorhof (Atrium, Narthex) der Kirche vorgelagert; zu ihr gehörte die Zelle des Pförtners, häufig auch eine Kapelle (capella ad portas, Torkapelle) für Frauen, Dienstleute und Herbergsgäste. Den östlichen Klosterteil bildeten, außerhalb der Klausur, Unterkünfte für Novizen (Noviciorum cella) und für Klosterschüler, die Krankenstation (s. infirmarium) samt Krankenräumen, Arztraum, Apotheke (camera dispensatoria, armarium pigmentorum), Heilkräutergarten, Krankenküche, Krankenbadhaus, Aderlassraum, Laxierraum und Spitalkapelle (vom 10. Jh. an meist der hl. Maria zugewidmet). Am Rande des Klausurbereichs befand sich das repräsentative Abtshaus, im Außenbereich noch ein Pilgerhaus (xenodochium, hospitale pauperum, hospitium) mit eigener Bäckerei und Brauerei sowie Räume für Armenfürsorge; ferner Stallungen (für Geflügel, Schafe, Ziegen, Schweine, Rinder und Pferde), Klosterscheune, Mühle, Stampfe und Darre, Obst- und Gemüsegärten (s. Klostergarten), Behausungen für Schuster, Sattler, Pergamentmacher und andere Handwerker.

Diese idealisierte Klosteranlage war auf einer Fläche von 154 x 205 m geplant und hatte Raum für alle erforderlichen Einrichtungen der klösterlichen Lebens- und Leistungsgemeinschaft. Sie dürfte ein allgemeingültiges Muster eines mittelalterliche Klosters sein und kann darüberhinaus an den Anfang der mittelalterliche Stadtbaukunst gestellt werden. In diesem Zusammenhang darf die Anlage von Wasserzufuhr und -ableitung nicht unerwähnt bleiben, die für die Ver- und Entsorgung von Küche, Waschhaus, Krankenstube und Latrine nötig war. Die Wasserzuleitung erfolgte über Aquädukte und Wasserleitungen direkt an die jeweiligen Entnahmestellen. Bachläufe wurden durch unterirdische Steinkanäle so geführt, dass sie Unrat an seiner Entstehungsstelle aufnahmen und aus den Klosterbezirk schwemmten. Durch die Vertunnelung wurden Geruchsbelästigung und Beeinträchtigung durch Schadgetier vermieden.

Für die Klöster der Franziskaner und Dominikaner hatten deren Gründer keine Bauvorschriften erlassen. Änderungen gegenüber dem oben geschilderten Schema ergaben sich aus dem Verzicht auf landwirtschaftliche Produktion (Wegfall von Wirtschfts- und Lagergebäuden), aus der Gleichheit aller Brüder (eine Trennung von Laien- und Priesterkloster entfiel, da im Prinzip alle Franziskaner Laien, alle Dominikaner Priester waren) und aus der Gewohnheit, in Einzelzellen zu schlafen (Wegfall des Dormitoriums zugunsten eines Zellentraktes).

Klöster der Benediktiner wurden meist auf landschaftsbeherrschen Bergen, die der Zisterzienser an Wasserläufen in unbesiedeltem Land angelegt (s. Zisterzienserklöster), Häuser der Bettelorden fanden sich in größeren Städten; wenn im Bering kein Raum mehr war, auch einmal ante muros.

(s. Klostergarten, Klosterherberge, Klosterkirchen, Klosterschule, Klostertor, Kollationsgang)

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