Milch

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Milch (mhd. milch, milich; lat. lac). Das Gemelk von Kühen, Schafen, Ziegen oder Eselinnen enthält als einziges Nahrungsmittel alle Nähr- und Wirkstoffe, die zum Wachstum und zum Aufrechterhalten der Lebensvorgänge nötig sind: Proteine, Fette, Kohlenhydrate, Mineralstoffe und Vitamine. Im Mittelalter galt Milch als schwer verdaulich und wurde nur geronnen und ohne Molke oder als Suppenzusatz, als Brei oder mit eingebrockten Brotstücken verzehrt. Molke wurde als Getränk der Bauern bezeichnet. Kuhmilch hatte im Mittelalter schon deswegen einen weit geringeren Anteil an der menschlichen Ernährung, weil sie von geringer Haltbarkeit war und weil sowohl die Viehstapel als auch der Milchertrag wesentlich kleiner waren als heute. Kuhmilch wurde vor allem im kühlen Norden Europas als Getränk genutzt, im Süden trank man überwiegend Schafs- und Ziegenmilch. Frische Tiermilch wurde aus medizinischen Erwägungen hauptsächlich Kindern, Heranwachsenden und Gebrechlichen verabreicht.

In Fastenzeiten zählten Laktizinien (Milch, Butter, Käse) – als “flüssiges Fleisch” – zu den verbotenen Speisen. Als Ersatz für Frischmilch wurde von Fastenden Mandelmilch genossen, in Wasser, Fleischbrühe oder Milch aufgeschwemmte gemahlene Mandeln.

Stutenmilch wurde bei asiatischen Reitervölkern vergoren und als Kumys (Milchwein) genossen.

In der Schönheitspflege spielten Esels-, Stuten- und Frauenmilch eine Rolle. Da Esel- und Stutenmilch in der Zusammensetzung der Muttermilch (lac muliebre) ähnlich sind, wurden sie bei deren Mangel als Ersatz gegeben. Hildegard von Bingen empfiehlt Eselsmilch als Nahrung für Säuglinge und Kranke.

Mit paradiesischem Überfluss assoziiert ist das Bild vom Land, wo Milch und Honig fließen (II. Moses 3.8). So war denn Milch neben dem Ei ein Fruchtbarkeitssymbol.

Wenn ein Frauenantlitz an Milch und Blut gemahnt, so ist es von besonderer Schönheit und vornehmer Blässe.

Das leuchtende Band, das den Nachthimmel überpsannt, wurde von den Gelehrten wegen seiner milchig-hellen Färbung Galaxis genannt, nach dem grch. Wort gala für Milch (s. Milchstraße).

Als Reliquien wurden vielerorts Fläschchen mit Liebfrauenmilch (“lac miraculosum beatae Mariae virginis”, ²lac muliebre”) verehrt. So etwa in der Michaelskirche zu Lüneburg oder im Kloster St. Stephan in Zeitz. (In der frühen Neuzeit sollte die Menge der Marienmilch-Reliquien derart anschwellen, dass der Spott aufkam, Maria müsse mehr Milch gegeben haben als ganze Kuhherden.) – Als kostbare Reliquie wurde im Frühmittelalter in einer Kirche zu Konstantinopel ein Gürtel Mariens gezeigt, der mit einigen Tropfen ihrer Milch besprengt war. – Von der Wand einer Felsengrotte bei Bethlehem tropfte Marienmilch, wodurch scharenweise Pilger angezogen wurden.

An den Brüsten der Hl. Jungfrau sog in einer erotisch gefärbten Vision der große Mariologe Bernhard von Clairvaux ebenso wie der Theologe Fulbert von Chartres, der Ordensgründer Petrus Nolaskus und der Ketzerjäger St. Dominicus; auch die Mystikerin Mechthild von Magdeburg genoss eine Lactatio-Vision.

Frauenmilch hatte einen festen Platz im mittelalterliche Liebes- und Fruchtbarkeitszauber sowie in der Volksmedizin; selbst Albertus Magnus nennt – hierin Plinius folgend – ein Rezept mit lac mulieris gegen Podagra (Gicht). Frauenmilch galt als Mittel gegen Augenleiden, als Stärkungsmittel für Kranke und Schwache und wurde Greisen zur Lebensverlängerung gereicht. – Unter den mittelalterliche Hexendelikten ist der “Milchzauber” – das Versiegenlassen der Milchproduktion eines Melktieres – eines der am häufigsten genannten. Hexen saugten aber auch Wöchnerinnen die Brüste leer und trieben mit der Frauenmilch vielerlei Zauber. – Schon zur Karolingerzeit galt zauberischer Milchraub als maleficium. Wurde auf dem Concilium Parisiense (7. Jh.) noch der Glaube an Milchhexen verdammt, so fanden sich schon bald in Bußbüchern drastische Strafen für das nunmehr als real erachtete Delikt, so etwa im Poenitentiale Arundel, 9. Jh., “3 annos gravissime peniteat” (drei Jahre strengstes Fasten). Milch, vor allem solche von Frauen, fand auch bei vielerlei volkstümlichem Heil-, Schadens- und Liebeszauberzauber Verwendung.

(s. Almwirtschaft, Butter, Käse, Maria Lactans (Kunstmotiv), Milchzauber (s. Hexendelikte), Rinder, Schafe, Ziegen; Amme, Stillen)

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