Müller

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Lexikon des Mittealters Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen
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Müller (mhd. müller, mülner, mülnaere, mülmeister; ahd. mulinari, von lat. molinarius). Mahlen war in den frühen Kulturen Frauenarbeit, wurde in den Großmühlen der Spätantike zur Fron von Sklaven und Sträflingen und kam nach dem Zusammenbruch des Römerreiches und seiner urbanen Kultur wieder in die Domäne der Frau. Erst mit dem Aufkommen der Wassermühlen vom Frühmittelalter an wurde Mahlen Männersache und im Lauf der Zeit wurde aus dem Grundholden, der eine Mühle im Auftrag eines Mühlenherrn im Nebenerwerb betrieb, der hauptberufliche Müller. Er war vom Kriegsdienst und anderen Diensten befreit, um sich ausschließlich auf den Betrieb und die Instandhaltung der Mühlenanlagen konzentrieren zu können. Zudem hatte er das Fischrecht im Mühlwasser und Nutzungsrecht an einem zur Mühle gehörigen Grundstück. Dem Besitzer musste er unentgeltlich Korn mahlen und aus dem Mahllohn der übrigen Kundschaft noch Abgaben leisten, sodass meist nur ein geringes Einkommen übrig blieb. Zum Schutz der Müllerei waren schon in den Volksrechten und den Codices der Karolinger Bestimmungen enthalten, die dem „Mühlenfrieden“ galten, also freien Zugang zur Mühle und ungestörten Wasserzulauf sicherten, Diebstahl aus Mühlen mit erhöhter Buße belegten, auch Asylrecht einräumten, wohl um die Mühlenanlage vor Beschädigung bei gewaltsamer Festnahme eines Flüchtigen zu bewahren. Gemäß einer Bestimmung des Sachsenspiegels (13. Jh.) sollte einer, der den Mühlenfrieden durch Brandstiftung verletzte, aufs Rad geflochten werden („sal man radebrechen“). In Weistümern finden sich Verordnungen zum Mühlenrecht; so soll der Müller den Mühlenbach „fegen“ (von Unrat säubern); das beim Bachfegen anfallende Material soll er auf die angrenzenden Felder, Wein- und Obstgärten werfen dürfen; er hat Anspruch auf Holz zum Ausbau oder zur Reparatur der Mühle; was den Weg zur Mühle betrifft, so soll dieser so breit sein, „dass ein Ross dem anderen mit einem Sack ausweichen kann.“ Über die Anzahl der zum Mahlen gebrachten Kornsäcke sollte mittels eines Kerbholzes Buch geführt werden.

Zwischen dem 9. und 11. Jh. kam die Müllerei unter die monopolistische Verfügungsgewalt der Landes- oder Grundherren und der Städte („Mühlenbann“), nicht zuletzt auch deshalb, da für eine wachsende Bevölkerung immer leistungsfähigere Mühlen gebraucht wurden, deren Einrichtung und Unterhaltung nur noch von finanzkräftigen Grundherren oder Körperschaften geleistet werden konnte. Um die Wirtschaftlichkeit einer Mühle zu sichern, durften in ihrer Nähe keine weiteren Mühlen errichtet werden und verpflichtete der Grundherr alle seine Untertanen, ausschließlich in seiner Mühle mahlen zu lassen („Mühlenzwang“). Verletzung oder Umgehung des Mühlenzwangs wurde mit empfindlichen Strafen geahndet. Die Mahlgäste sollten- ohne Ansehen der Person – in der Reihenfolge der Anmeldung bedient werden („Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“). Zwangspflichtige gingen freiwilligen Mahlgästen vor; vor allen anderen rangierten die Bäcker.

Als gegen Ende des 12. Jh. die Windmühlen aufkamen, wurde auch deren Einrichtung gemäß dem Grundsatz „Der Wind gehört der Herrschaft“ genehmigungs- und abgabepflichtig.

Müller galten anfangs als unehrliche Leute, teils, weil sie wie die verrufenen Schäfer oder Abdecker abseits der Siedlungsgemeinschaft wohnten, auch, weil sie die Feiertagsheiligung missachteten und weil das unheimliche Knarren und Rumoren in der Mühle Angst und Grauen erregte und an Dämonen oder Kobolde glauben machte. Zudem verdächtigte man die Müller allgemein des Getreidediebstahls, hasste man sie als Mahlgebühreneintreiber des Mühlenherren, machte die Volksphantasie die Mühle zum Schauplatz sexueller Ausschweifungen, brachten Räuber-, Teufels- und Zaubergeschichten den Berufsstand in Verruf. Als die Städte in zunehmendem Maße die Mühlenrechte (Mühlenbann und Mühlenzwang) erlangten, suchten sie Mühlen auch im Schutz ihrer Mauern anzusiedeln. Dadurch kam es mancherorts zu einer Ehrbarmachung des Müllerberufs, vom 13. Jh. an durften sich Stadtmüller in Zünften zusammenschließen (Straßburg 1263, Worms 1281). Doch selbst jetzt noch hing dem Müllergewerbe ein Ruch der Verwerflichkeit an, waren die Menschen aller Länder doch davon Überzeugt, dass jeder Müller vom Mahlgut in eigene Säcke abzweigte.

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