Münzen und Aberglauben

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Münzen und Aberglauben. Münzen als geprägtes Geld bedeuteten seit je die Möglichkeit, Güter und Besitztümer zu erwerben, sich Dienstleistungen jeder Art zu erkaufen oder sich überirdische Mächte durch ein Weiheopfer gewogen zu machen. Zudem hat sich lange vor der Erfindung des Buchdrcks die Möglichkeit ergeben, in Form der Prägung gewisse Inhalte (z.B. Herrscherbildnisse, politische oder religiöse Propaganda) zu vervielfältigen und in Umlauf zu bringen. Darüberhinaus hatten Münzen noch eine Vielzahl von Bedeutungen religiöser, abergläubischer oder brauchtümlicher Natur.

Nach römisch-antikem Brauch hatte man zur Zeit der Merowinger den Toten Geldstücke mit ins Grab gegeben, wohl als Reise- oder Zehrgeld für den Weg ins Jenseits (ein Viaticum von hunderten Gold- und Silbermünzen fand sich 1563 im Grab Childerichs I., bei Doornick, 5.Jh.), und noch in frühmittelalterliche und spätmittelalterliche Gräbern hat man Schädel gefunden, die kleine Silbermünzen in der Hand oder in der Mundhöhle hatten (in ungar. Gräberfeldern des 10. – 12. Jh., in Steinsärgen des 15. Jh. zu Trier). Deutungen gehen dahin, dass diese Totenmünzen oder Grabobuli eine letzte Liebesgabe oder einen Tribut für den Himmelspförtner (tributum Petri) darstellte oder verhindern sollte, dass die Verstorbenen als Geister umgingen, um sich ihren Besitz wiederzuholen.

Geldmünzen mutete man teils wegen des Münzmetalls, teils wegen ihrer Prägung eine magische Wirkung zu. So galten Gold und Silber und bestimmte Prägebilder (wie Kreuze oder Heiligendarstellungen) als unglückabwehrend und heilbringend. Als Beispiel sei ein im 12./13. Jh. in Schwäbisch-Hall geprägter Pfennig genannt, der auf der Vorderseite ein Kreuz und auf der Rückseite die Hand Gottes zeigte: wenn man diesen als Amulett bei sich trug oder von ihm abgefeilte Metallspäne schluckte, so war man gegen “alle Verwundung, die hinfallende Sucht, das Beschreien der Kinder und vieles andere Unglück” gefeit (HDA, Bd. 3, Sp. 597). Goldmünzen (Gulden, Dukaten) waren im Sinne eines Analogiezaubers wirksam gegen Gelbsucht.

Münzen, die nicht als Zahlungsmittel sondern – meist in kirchlichen Prägeansdtalten und mit religiösen Bildmotiven – als Weihe- und Erinnerungszeichen, als Medaillen oder Amulette geschlagen worden waren, hatten je nach Zuwidmung spezielle Schutzfunktionen. Beispielsweise schützte die im 15. Jh. in päpstlichem Auftrag geprägte Agnus-Dei-Münze gegen Hagelschlag, Krankheit und Zauberei; eingenommenes Geschabsel davon half gegen Augen- und Zahnschmerzen. Daneben gab es Pesttaler, Pestpfennige, Agnus-Dei-Münzen, Ablassppfennige u.v.a.m.

Als Münzorakel wurde vor allem der Hand- oder Händleinspfennig benutzt, der im 13./14. Jh. in der Reichsmünzstätte von Schwäbisch Hall geprägt wurde und in Süddeutschland mengenweise im Umlauf war. Das Münzbild zeigte auf der Vorderseite eine Hand, die als die Hand Gottes gedeutet wurde, und auf der Rückseite ein Kreuz. Hugo von Trimberg (um 1300) beschreibt die Münze in seinem “Renner”: “diu triuve bezeichenet uns diu hant/den gelouben tuot daz kriuze bekant”. Ein Mitglied der Nürnberger Tucherdynastie hat sich sein Eheweib durch Werfen eines solchen Händleinspfennigs erlost. Daneben half das Einnehmen von Geschabsel der Münze “gegen alle Verwundungen, die hinfallende Sucht, das Beschreien der Kinder und vieles andere Unglück.” (Eigentlich sind Hand und Kreuz mittelalterliche Marktrechtssymbole.)

Goldmünzen wurden wegen ihrer gelben Färbung im Sinne des Analogiezaubers für ein Heilmittel bei Gelbsucht und Leberentzündung gehalten, so beispielsweise der sog. Rabendukat, der unter König Mathias Corvinus Ende des 15. Jh. geschlagen wurde. Namengebend ist die rückseitige Abbildung eines Raben im Hunyadischild, der einen Ring im Schnabel trägt. Dem liegt zugrunde, dass der König einen Raben, der ihm einen Ring gestohlen hatte, im Flug erlegte.

(s. Geld)

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