Das Nachschlagewerk gibt einen umfangreichen Überblick über die Zeit des Mittelalters, erfahre hier mehr darüber!
Musik und Kirche. Der Kirche war jede nichtliturgische und außerwissenschaftliche Art des Musizierens suspekt; sie diffamierte weltliche Musik, Tänzer und Spielleute als Werkzeuge des Teufels, als Verführer zu Schamlosigkeit, Unzucht, Ehebruch, Völlerei, Wollust und anderen sündhaften Abweichungen von gottgefälligem Leben. Gründe für die Verdammung von Spielleuten (und anderer fahrender Schausteller) waren Erinnerungen an heidnische Kulte, der große Anklang, den die Darbietungen der Spielleute auch bei Geistlichen fanden und die bedrohliche Konkurrenz, den sie für geistliche Veranstaltungen darstellten. Der Diffamierung folgten kirchenrechtliche Sanktionen, zu deren Begründung man sich neben anderen (Tertullian, Lactantius, Hieronymus) auf Augustinus berufen konnte; dieser verweigert in seinem Werk “De fide et operibus” (“Vom rechten Glauben und den guten Werken”) “meretrices et histriones” (“Huren und Schaustellern”) die Spende der Sakramente, solange sie ihrem schändlichen Gewerbe nicht abschworen. Solcher kirchlichen Meinung folgte die Unehrlichmachung der Spielleute im weltlichen Recht. Ein Kapitulare Karls d. Gr. untersagte Bischöfen, Äbten und Äbtissinnen, Joculatores zu unterhalten. Im Sachsenspiegel (um 1225) ist die eingeschränkte Rechtsfähigkeit u.a. der Spielleute festgeschrieben. Das Konzil von Ravenna (1286) verbot Klerikern, Spielleuten Herberge zu gewähren. Von Ort zu Ort unterschiedlich gehandhabt wurde das Abendmahlsverbot für Spielleute. Thomas von Aquin vertrat die differenzierende Ansicht, dass nur Musikanten zu verurteilen seien, die bei Fressereien und zum Tanz aufspielen, nicht jedoch die Sänger von Helden- und Heiligenepen. Insgesamt hat die Verächtlichmachung der Spielleute durch die Kirche kaum Eindruck gemacht. Tanz, Lied, Gaukelei und Akrobatik erfreuten sich bei der höfischen Gesellschaft wie beim einfachen Volk – und wohl auch beim Großteil des Klerus’ – weiterhin größter Beliebtheit.
(s. Trauermusik)