Lexikon des Mittealters | Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen |
Erkunde das Mittelalter: Über 3.979 Seiten und mehr als 6.400 Einträge bieten dir einen tiefen Einblick in diese Ära. Vom Ablass bis zur Zunftordnung - dieses eBook ist dein Guide durch die Geschichte, Gesellschaft und Kultur Europas von 500 bis 1500 n. Chr. | Entdecke in „Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen“ auf 111 Seiten die mittelalterliche Burgenwelt: Architektur, Alltag und ihre Rolle im Mittelalter kompakt erklärt. |
Musik und Medizin. Die antiken Erkenntnisse über die Wirkung der Musik als Heilmittel für körperliche und seelische Leiden waren über die arabische Medizin im 11./12. Jh. auch ins christliche Abendland gelangt. Musik wurde wegen ihrer an- und entspannenden Wirkung auf Körper und Geist zu einem festen Bestandteil der Therapie. In dem Tacuinum sanitatis des arabischen Arztes Ibn Butlan (11. Jh.) wird beschrieben, wie Instrumentalmusik hilft, die Gesundheit zu erhalten und wiederherzustellen, wie sie einem schwachen Gemüt auf ähnliche Weise aufhilft wie Arznei dem kranken Leib. Das quadriviale Musikstudium der Ärzte diente nicht zuletzt dem Abgleich des Musiktaktes mit dem Pulsschlag gemäß der Proportionenlehre. Musikanten agierten auf Anweisung der Buchärzte sowohl an höfischen Krankenlagern wie in städtischen Spitälern. Bernardus de Gordonio (12./13. Jh.), ein Lehrer an der Medizinschule von Montpellier, verordnete lautes Lärmen am Bett des Patienten (mittels Trompeten, Glocken, Pauken oder Hammerschlägen), damit der Kranke nicht in zu tiefen Schlaf versinke und stürbe. – Als Vorbeugung gegen die Pest verordneten Ärzte fröhliche Musik, da ein frohgestimmter Mensch kräftiger an Körper und Geist sei und der Krankheit besser widerstehen könne. – Die höfischen Tafelmusiken wurden geistlicher Kritik gegenüber mit ihrer gesundheitsfördernden Wirkung gerechtfertigt. Zudem bedürften Könige und Fürsten anregender Musik umso mehr, als ihr Geist durch die beständige wägende und urteilende Tätigkeit zur Abgespanntheit neigte und der Belebung bedürfe. – Der Chirurg Henri de Mondeville (14. Jh.) erachtete es als zur ärztlichen Sorgfaltspflicht gehörig, für Spielleute am Krankenbett zu sorgen, die dem Verwundeten mit ihren Weisen Trost spendeten, in bestimmten Fällen auch durch lachenerregende Possenreißerei aufhülfen. Johannes Tinctoris (15. Jh.) beschreibt 20 Arten, auf welche Musik heilsam wirkt – von der Aufhellung des Gemüts bis zum direkten Einfluss auf die Heilung eines Leidens.
So sehr man die magisch-hypnotische Macht der Musik als förderlich für die Gesundheit schätzte, so fürchtete man die gleiche Macht als potentiell abträglich fürs Seelenheil, als Verführung zum Rauschhaft-Sündigen, galten Spielleute als des Teufels Lockvögel.