Nordlicht

Cinque Terre Forest
Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
Erkunde das Mittelalter: Über 3.979 Seiten und mehr als 6.400 Einträge bieten dir einen tiefen Einblick in diese Ära. Vom Ablass bis zur Zunftordnung - dieses eBook ist dein Guide durch die Geschichte, Gesellschaft und Kultur Europas von 500 bis 1500 n. Chr. Entdecke in „Leben im Schatten der Zinnen“ auf 122 Seiten die mittelalterliche Burgenwelt: Architektur, Alltag und ihre Rolle im Mittelalter kompakt erklärt.

Nordlicht (Polarlicht; mhd. himelzeichen, liehtschin, liuhte; lat. aurora borealis). Die Bezeichnungen Nordlicht wie Polarlicht sind falsch, denn die Himmelserscheinung kann auch in der südlichen Hemisphäre (Aurora australis) und südlich des nördlichen Polarkreises auftreten. Die Leuchterscheinung entsteht durch das Auftreffen der elektrisch geladenen Teilchen des Sonnenwindes auf die obere Schicht der Erdatmosphäre (Magnetosphäre), etwa ab 60° nördl. bzw. südl. Breite, und kann auch in den gemäßigten Breiten auftreten. In die polaren Regionen der Lufthülle werden sie durch das irdische Magnetfeld gelenkt und lösen dort durch atomare Reaktionen Leuchterscheinungen aus. Je nach Stärke der Sonnenaktivität können sie auch unter bzw. über dieser Breite zu sehen sein, wobei die im hohen Norden weiß, blassgrün, gelblich, violett oder blau und die weiter südlich rotfarbig erscheinen. Sie bilden leuchtende Bogen, Flammen, Vorhänge oder Girlanden, die sich wie vom Wind bewegt über den Himmel bewegen. Die Tatsache, dass Polarlichter nur nachts und fast ausschließlich im Herbst und Winter beobachtet werden ist darin begründet, dass Polarlichter zwar zu jeder Tages- und Jahreszeit auftreten, aber nur bei Dunkelheit gesehen werden können.

Seit je haben Nordlichter die Menschen fasziniert, zur Bildung von meist schreckhaften Aberglauben und von Mythen und Märchen veranlasst.

An einer Stelle im Alten Testament (Ezechiel 1:1-28) wird ein Nordlicht in Babylonien beschrieben: “… Ich schaute, und siehe, ein Sturmwind kam von Norden und eine große Wolke, rings von Lichtglanz umgeben, und loderndes Feuer und aus seinem Innern, aus der Mitte des Feuers, leuchtete es hervor wie Glanzerz. Mitten aus ihm heraus wurde etwas sichtbar, das vier lebenden Wesen glich. … und hellen Schein verbreitete das Feuer und von dem Feuer gingen Blitze aus.”

Eine Polarlichterscheinung um das Jahr 467 v.u.Z. hat der grch. Philosoph Anaxagors beschrieben: “Fünfundsiebzig Tage hindurch wurde fortwährend in den Himmeln ein feuriger Körper von weit ausgedehnter Größe gesehen, als wäre er eine flammende Wolke, die nicht an einem Orte ruhte, sondern mit verwickelten und regelmäßigen Bewegungen hinzog, sodass feurige Fragmente … abgebrochen … und in alle Richtungen getragen wurden …”.

Von den röm. Gelehrten Manilius, Plinius und Seneca stammen Auszeichnungen über “atmosphärische Feuer” im ersten Jh. u.Z.

In der Schrift “Chronographia” des Abtes Theophanus (~760-817) heißt es zum Jahr 378 u.Z.: “In diesem Jahr sind in der Luft mit Waffen versehene Männer gesehen worden, die aus Wolken geformt waren”.

Für 563 berichtet Gregor von Tours (538/39-594) “… und ein brennender Himmel wurde gesehen”.

Eine Überlieferung von der britischen Insel berichtet für das Jahr 774: “dass Schlangen aus dem Boden gesprungen seien, während der Nachthimmel gespenstisch geleuchtet habe.” (Neuzeitliche Untersuchungen an Holz aus jener Zeit haben ergeben, dass dieses die zwanzigfache Menge an radioaktiven Kohlenstoffatomen {C14} enthält, was auf einen Ausbruch von kosmischer Strahlung auf der Sonne – einen “Sonnensturm” – schließen lässt.)

Für das Jahr 869 berichten Annalen von “vielen roten Kreuzen am nächtlichen Himmel” (d.h. von einem Nordlicht) und von einem darauffolgenden “sehr hellen Kometen”. Der Sommer des Jahres sei heiß und trocken gewesen und Frankreich von Heuschrecken-Schwärmen heimgesucht worden. Mainz sei von einem Erdbeben erschüttert worden und der Himmel einige Nächte lang blutrot erleuchtet gewesen. Außerdem wurden bei bedecktem Himmel Sternschnuppen gesichtet (Ann. Fuld.). Der irische Chronist Marianus Scotus (1028-1082) berichtet in seiner “Chronicon” für das genannte Jahr von einem großen Sterben.

Die Wikinger hielten Nordlichter für Brücken zum Totenreich, als Zeichen dafür, dass irgendwo auf der Welt eine große Schlacht geschlagen würde oder als Wegweiser nach Grönland.

Im Norwegischen Königsspiegel von 1250 findet sich folgende Schilderung eines Nordlichts (Nordrljos): “Es erscheint als eine große, weit entfernte Flamme von einem starken Feuer; von derselben schießen, dem Anschein nach in die Luft hinauf scharfe Spitzen von ungleicher Höhe und sehr unbeständig, so dass bald die eine, bald die andere höher ist, und so schwebt dieses Licht wie eine leuchtende Lobe”. In der gleichen Schrift werden natürliche Erklärungen des Phänomens versucht: “Weil Grönland am äußersten Rand der Erde liegt, könne das Randfeuer, das Meere und Gewässer umgibt, hereinleuchten und die Erscheinung bewirken.” Und: “Wenn die Sonne unter dem Erdball untergehe, könnten einzelne Funken von ihr am Himmel hinauffahren; …”

In den gemäßigten Breiten erklärte man die hier rötlich-rot erscheinenden Himmelslichter fast ausschließlich als übernatürliche Unglücksboten, und sah Krieg, Hungersnot, Pestilenz und andere Katastrophen auf sich zukommen. Davon abweichend erklärte Konrad von Megenberg in seiner Schrift “Von den fewern in den lüften” Nordlichter als feurigen Dunst.

(s. Meteorologie, Prodigia)

Nach oben scrollen