Notre-Dame-Epoche

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Lexikon des Mittealters Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen
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Notre-Dame-Epoche (-Schule). Die Domschule der Pariser Notre-Dame-Kathedrale wurde gegen 1200 mit der Universität vereinigt, an der Musik als „scientia media“ – als Wissenschaft zwischen Mathematik und Physik – gelehrt wurde. Hier, an der Singschule von Notre-Dame, vollzog sich um die Wende des 12. zum 13. Jh. eine Revolution im Ablauf der Musikgeschichte: die Mehrstimmigkeit wandelte sich von einem schmückendem Beiwerk des liturgischen Gesangs („decus organale“) zu einer selbständigen Kompositionsweise, der „musica mensurabilis“. War bisher die Mehrstimmigkeit an Tropus und Sequenz gebunden, so wurde von da an der liturgische Gregorianische Gesang mehrstimmig komponiert. Waren bislang Kompositionen in der Anonymität der Klöster entstanden, so wurden nun die Namen der Komponisten als künstlerischer Autoritäten zusammen mit dem Werk tradiert. Als Hauptwerke der Notre-Dame-Epoche (etwa von 1150 bis 1250) gelten Organum (ein mehrstimmiges liturgisches Werk), Motette (eine Weiterentwicklung des Organum) und Conductus (ein mehrstimmiges Lied, geistlichen oder weltlichen Inhalts). Hauptmeister waren der ältere Magister Leoninus (nach 1250 tätig) und der jüngere Perotinus Magnus (urkundlich nachgewiesen zwischen 1213 und 1238). Leoninus, auch „optimus organista“ genannt, verfasste den „Magnus Liber Organi de Graduali et Antiphonario“, einen Zyklus zweistimmiger Organa über Responsorien für die Messen und Offizien des ganzen Jahres. Magister Perotinus Magnus arbeitete den Magnus Liber weitgehend um, und ersetzte die meisten Diskantpartien durch neue, straffer rhytmisierte Kompositionen (daher sein Beiname „optimus discantor“). Außerdem schuf er drei- und vierstimmige Organa (organa tripla et quadrupla) und mehrstimmige Conductus. Die Werke wurden in Modalnotation aufgezeichnet und wirkten stilbildend auf die gesamte abendländische Musik.

Der Chor der Pariser Notre-Dame-Kathedrale war wohl er erste, der einen Mess-Gesang durch vier verschiedene zusammenklingende Stimmen zu Gehör gebracht hat. Es soll dies am 1. Weihnachtstag des Jahres 1198 beim feierlichen Einzug des Bischofs Odo von Sully (amt. 1196-1208) gewesen sein und diesen derart begeistert haben, dass er den betreffenden clerici et pueri chori eine bedeutende finanzielle Stiftung zuwandte; hatten sie doch die Gesänge (Responsorium Alleluja) „in organo triplo seu quadruplo decantabunt“. (Nach Wolfgang Spindler bei Matthias Puhle in „Aufbruch in die Gotik“, Bd. I.)

(s. Ars antiqua, Ars nova, Duplum)

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