Lexikon des Mittealters | Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen |
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Ottonisches Reichskirchensystem. Schon in der Karolingerzeit war es königl. Vorrecht, Bistümer, Klöster, Stifte oder Pfarrkirchen unter Königsschutz zu stellen und dafür auf diese Einfluss auszuüben und hohen geistl. Würdenträgern Funktionen der Reichsadministration zu übertragen. Ohne die Mitwirkung des Klerus hätte das Reich nicht regiert werden können. Otto I. entwickelte aus diesem alten Brauch (prisca consuetude) ein Machtinstrument, indem er Kandidaten seiner Wahl in vakante hohe Kirchenämter setzte, sie mit Reichsgut und Privilegien (volle Gerichtsbarkeit, Markt-, Münz- und Zollprivilegien), mit Immunutät und mit Reichsunmittelbarkeit ausstattete und dadurch auf sich verpflichtete. Als Reichslehensnehmer konnten die kirchlichen Würdenträger zur Reichsverwaltung und zu Heeresdiensten herangezogen werden, konnten sie als Gegengewicht zu illoyalen Landesfürsten dienen. Ein zusätzlicher Vorteil war, dass die Geistlichen aufgrund ihrer Zölibatsverpflichtung nicht in der Lage waren, eigene Dynastien zu begründen und das Reichsgut zu schmälern. Das Reichskirchensystem Ottos wurde von seinem jüngeren Bruder Brun I., dem Erzbischof von Köln und Propagator der Reformbewegung von Gorze, nachdrücklich gefördert. Die Hofkapelle (Capella regia), schon bisher bewährt als Bildungsstätte der künftigen Bischöfe unter unmittelbarem Einfluss des Herrschers, kam nun zu ihrer höchsten Bedeutung als Kaderschmiede des Reichsepiskopats. Ihre Zöglinge rekrutierten sich ausschließlich aus den führenden Adelshäusern.
Mit der Kaiserkrönung (962) war für Otto I. Rangerhöhung und Machtzuwachs verbunden. Als Vogt von Rom oblag ihm der Schutz der Kirche, die Ausbreitung des Glaubens und die Bekämpfung der Ketzerei. Der Kaiser stand nunmehr als “Schwert der Kirche” gleichberechtigt neben dem Papst.
Gemäß dem 962 erlassenen Privilegium Ottonianum durfte der rechtmäßig gewählte Papst erst dann geweiht werden, wenn er den Treueid gegenüber dem Kaiser geleistet hatte. Auf diese Weise konnte das ottonische und salische Kaisertum Einfluss auf die Besetzung des Stuhles Petri nehmen und Kandidaten ihrer Wahl durchsetzen.
In diesem nur mühsam ausbalancierten System von Imperium (Kaiserliche Befehlsgealt) und Sacerdotium (Priesterliche Gewalt) war die Auseinandersetzung zwischen den beiden Machtträgern von vorneherein angelegt.
Die ottonisch-salische Reichskirche endete im Investiturstreit, als dessen Ergebnis die Einsetzung hoher kirchlicher Würdenträger durch weltliche Herrscher (“Laieninvestitur”) untersagt wurde. Allerdings blieben geistliche Reichsfürsten – gemäß dem Wormser Konkordat (1122) – auf Grund der Regalieninvestitur (s. Investitur) dem Herrscher zu bestimmten Diensten (z.B. bei der Verwaltung von Reichsgut) verpflichtet.