Personennamen

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Personennamen. 1.) Vornamen. Zu den überkommenen Eigennamen der germanischen Namenswelt traten mit der Christianisierung zunächst zögernd, ab dem 12. Jh. in zunehmenden Maße biblische Namen sowie die Namen christlicher Heiliger aus verschiedenen Kulturkreisen. Neben Arnold, Dietrich, Eginhard, Friedenand, Heinrich, Hildebrand, Konrad, Ludwig, Otto, Rüdeger, Siegfried, Wilhelm, Adelheid, Gertrud, Hedwig, Mathilde usw. traten Adam, Antonius, Jacobus, Johannes, Paulus, Petrus, Theodor, Anna, Elisabeth, Maria usw. Teilweise wurden die Namen eingedeutscht und auf vielfältige Weise abgekürzt: aus Johannes wurde Jan, Hannes, Hans, aus Margarete wurde Grete, aus Dietrich wurde Dieto, Dietel, Dietze, Dirk oder Thilo, Nicolaus wurde zu Nicol, Nickel oder Claus verkürzt. Nicht immer ist klar, von welchem Namen eine Kurzform abgeleitet ist; so kann z.B. Aepelin (Ebellin, Epelin, Eppelein) – je nach Mundart – von Albrecht, Adalbert oder von Eberhard hergeleitet sein.

Bei der Namenswahl wählte man häufig denjenigen des Taufpaten bzw. der -patin, den der oder des Tagesheilige(n), den eines Kirchen-, Orts- oder Landespatrons, den eines wegen seiner Kampfesstärke bewunderten Tieres (Bernhard/starker Bär, Wolfgang//Wolfskrieger) den eines für eine bestimmte Berufsgruppe Zuständigen (z.B. Medardus für Winzer, Joseph für Zimmerer, Knut für Kaufleute), oder man ermittelte einen Namen durch ein mantisches Verfahren (z.B. durch Losen).

2.) Beinamen (Nachnamen, Namenszusätze, Zu-, Familiennamen). Aus karolingischer Zeit stammt der Brauch, den Personennamen Prominenter durch Zufügung eines charakterisierenden oder karikierenden Beinamens (cognomen) bildhaft ausschließlich an die so bezeichnete Person zu binden. (Karl der Dicke, Karl der Kahle, Walahfried Strabo [der Schieler], Notker Balbulus [der Stammler], Notker Labeo [der Großlippige] usf.) Adelige nannten sich vom Hochmittelalter an auch nach ihrem Besitz oder ihrer Burg (Wernherus comes de Habisburc, Gotefrit de Eptingen, Heinrich von Kärnten, Friedrich von Babenberg), ebenso ritterbürtige Dichter (Heinrich von Veldeke, Wolfram von Eschenbach) und edelgeborene Geistliche (Thomas von Aquino, Herrad von Hohenburg). Die Präposition “von” war in diesem Stadium jedoch keineswegs ein Adelsprädikat; dazu wurde sie erst im 17. Jh. Auch die Ortsbezeichnung einer klösterlichen Wirkungsstätte wurde dem Personennamen beigefügt: Hermann der Lahme von Reichenau, Helmond von Bosau, Ekkehard von Aura, Gerhoch von Reichersberg. Seit dem Emporkommen der Städte im 12. Jh. benannten sich auch Bürger nach ihrer Vaterstadt oder der Stadt ihres sozialen Aufstiegs: Gottfried von Straßburg, Johann von Würzburg usf. In Urkunden erscheinen mit dem Anwachsen der Bevölkerungszahl immer häufiger Personenbezeichnungen mit Vor- und Nachnamen: Johann genannt (bzw. heisset, dictus, cognomine) kramer. Bürgerliche und bäuerliche Familiennamen, die im 13./14. Jh. von den Behörden gefordert wurden und seit dieser Zeit von Generation zu Generation weitergegeben wurden (Patronyme), entstanden nach a) der Herkunfts-, Haus- oder Hofbezeichnung, b) der Berufs- oder Gewerbebezeichnung, c) Verwandtschaftsverhältnissen und aufgrund von c) Spitznamen s. Spott). (Verwandtschaftsnamen machten vom 12. bis zum 16. Jh. etwa 20 % aller Nachnamen aus. Etwa die Hälfte aller Nachnamen waren ursprünglich die Herkunftsnamen, bis sie von den Berufsnamen als stärkster Gruppe abgelöst wurden.)

a) Herkunftsnamen wurden aus Haus-, Häuser-, Hof-, Flur- und Ortsnamen gebildet; sie endeten in Süddeutschland meist auf -er (Bühler, Moser, Hofer, Rosegger, Ganghofer, Binswanger, Straubinger), in Norddeutschland blieben sie unverändert (Steinbrink, Buddenbrook, Hagenbeck) oder endeten auf -mann (Bachmann, Brinkmann, Brockmann, Beckmann). Soweit sie mit “von” zusammengesetzt waren (Hartman von Ouwe, Oswalt von Wolkenstein), konnten sie durch das Suffix -aere, -er abgeändert werden: der Ouwaere, der Wolkensteiner. Von slawischen Ortsnamen kommen Herkunftsnamen mit Endungen wie -ow, -itz, -witz, -vitz. (s. fremdsprachige Namensgebung) Heiratete ein Bauer eine Hoferbin oder eine verwitwete Bäuerin, so übernahm er mit dem Hof auch den Hofnamen, es sei denn, dass die ursprüngliche Besitzerin bereits einen erbberechtigten Sohn hatte, dann führte er oft einen Doppelnamen: den Namen des Hofes neben seinem alten Namen.

In mittelalterliche Städten gab es kaum Straßennamen und keine Hausnummern, Häuser wurden nach ihrem Namen identifiziert. Diese Häusernamen gingen oft auf den Bewohner über. Als Beispiel sei Johannes Gensfleisch genannt, der nach seinem Hausnamen “zum Gutenberg” als Johannes Gutenberg in die Geschichte einging. Andere von Häusernamen abgeleitete Familiennamen gingen aus der Lage des Hauses hervor: Muhrmann, Murrmann (beide wegen der Nähe einer Mauer), Thurn (bei einem Turm gelegen), Dörner, Torweger (nach einem nahegelegenen Tor). Auf dem Lande wurde der Familienname oft durch den Hausnamen ersetzt, der die Abkunft, das Gewerbe oder die Hoflage bezeichnet (z.B. Kaspersepp, Schustergirgl, Berghofbauer). Eine große Zahl von Familiennamen wurden nach der landsmannschaftlichen Herkunft gebildet (Bayer, Schwab, Böhm, Unger, Adenauer [Adenau i. d. Eifel], Furtwängler [Furtwangen]) oder nach der Lage der Wohnstätte (Berchtoldus dictus zem Tore, Hermannus up den Berghe; Amborn, Amend, Bachmann, Bacher, Berger, Imhof, Zumbusch). Als Zugezogene machten sich Familien mit Namen wie Neumann, Naumann, Neukam, Niemann kenntlich.

(s. Flurnamen, Ortsnamen, Stadtanlage)

b) Von Berufen, Gewerben oder Ämtern abgeleitete Nachnamen oder Namen nach Handwerks- und Gewerbetätigkeit waren z.B. Ulrich der Murer, Hans der Schmid, der Beck, Bauer (je nach der Größe des Betriebs Meier, Huber, Lehner, Söldner, Gütler), Böttcher, Büttner, Fassbind, Fechner, Fischer, Kastner, Kiepenheuer, Koch, Kugler, Müller, Schneider, Wagner, Weber, Weinzierl, Zimmermann usf. Mundartliche Sonderformen lassen die Herkunft erkennen: dem ostdeutschen Schubert (von schuworcht = Schuhwirker) entspricht der hessische Schuchart, Schuckert, der norddeutsche Schomaker, der alemannisch-schwäbische Suter, Sütterlin, Seuterlin, Seiterle (von lat. sutor = Näher, Flickschuster) und das süddeutsche Schuster (schuochsuter). Namen wie Bischof, Herzog, Graf oder Markgraf deuten auf ein Lehns- oder Dienstverhältnis zu einem Grundherrn hin. Nach Amts- oder Standesbezeichnungen entstanden Namen wie Bauer, Hofmann, Lehmann, Meister, Richter, Schulze.

c) Nachnamen, die auf Verwandschaftverhältnissen beruhten, waren z.B.: Fridericus filius Hiltmari, Johan Heinrichs sun, Heinrich hern Philippes sun. Nach und nach wurden filius oder sun weggelassen, der Nachname blieb im Genitiv: Hugo Eberhardi, Conradus Hermanni. Patronymika mit -sen (mhd. sun) überlebten in Schleswig-Holstein als Andersen, Detlevsen, Jansen, Thießen, solche mit Genitivformen auf -s im Niederrheingebiet als Heinrichs, Frings (v. Severinus). Verwandtschaft konnte auch ausgedrückt werden durch Suffixe wie -er (Gretler, Kuhner, Klauser), -ing (Humperdinck), -mann (Petermann, Hanselmann), durch Deminutivsuffixe wie -i (Rüedi, Fritschi), -li, -lin, -el (Niggli, Henslin, Nickel), -ke (Beneke, Heinke, Künecke) oder durch Attribute: Kleinpeter, Jungandreas.

d) Auch körperliche Erscheinung, Kleidung, Wesensart und Lebensführung fanden dank der meist derben Spottlust der Leute ihren Niederschlag in der Namensgebung (Spitzname, Übernamen), z.B. Arnoldus qui Vulpis dicitur, Heinrich Rehpoch, Cunradus Rufus, Jacobus Stegereif, Hasenfuß, Hebenstreit, Rumezlant; viele Spitznamen – wie etwa Greifirdran, Rübenstrunk, Scheißindipluomen oder Kuharsch – wurden als allzu diffamierend empfunden und wieder abgelegt. Namen nach körperlichen, charakterlichen oder geistigen Eigenschaften sind Groß, Klein, Schwarz, Weiß, Klug, Grimm oder Sauer. Schimmelpennig, Wucherpfennig und Gebenicht waren Geizige; Scheel, Schölch, Schilcher (später Schiller) wurden Schieläugige genannt; Arme wurden verspottet als Nagenranft, Truckenbrod oder Brodangst, Reiche eher neidvoll als Freudenreich, Lebansorg, Wohlgemut oder Sachtleben gerufen; Herforth wurde einer wegen Teilnahme an einem Kriegszug (Heerfahrt) genannt, ein anderer Kumsteller wegen einer Pilgerreise nach Santiago de Compostela; Achternbusch, Stürzenwagen, Schlaginhaufen, Hauenschild, Raubsack, Bauernfeind oder Klebsattel waren Raubritter oder Landsknechte; zur Schmiedezunft gehörten Raiffeisen, Gareis(en), Riefenstahl, Spannagel und Nothnagel (Stülp- und Wackernagel dagegen zielten auf das männl. Genitale). Spielleute legten sich werbewirksame Namen oder Namenszusätze nach ihrer jeweiligen Profession zu oder bekamen von ihrem Publikum kennzeichnende Namen angehängt. (Beispiele: Meister Singauf, Frauenehr, Frauenlob, Richard der Harfner, Suchenwirt, Suchsbrot, Nernsnabel [nähr den Schnabel])

Latinisierungen waren von Anfang des Mittelalter an beliebt, nicht zuletzt um einem ungeliebten, diffamierenden Namen einen besseren Klang zu geben. So wurde etwa aus einem “Sauschneider” ein “Castritius” oder aus einem “Schneider” ein “Sartotius”. Latinisierungen erfolgten teils durch Anhängen von -us oder -ius (z.B. Godofridus, Henricus), teils durch Übersetzung (z.B. Pictor, Pistor, Fabricius, Sutor, Institoris). Von falsch verstandener Etymologie zeugen Latinisierungen wie potens bucca (für Richmund = “mächtig” u. “Beschützer”) oder potens mihi (für Richmir = “mächtig” und “Berühmt”).

Bei der Verehelichung nahm die Frau üblicherweise den Beinamen ihres Gatten an. In manchen Fälle benannte sich der Mann mit dem Familiennamen seiner Frau, etwa wenn ein Bauer eine Hoferbin heiratete: die Erbin trug den Namen des Hofes, und dieser Hofname sollte erhalten bleiben.

Die richtige Zuordnung von Namen wurde dadurch erschwert, dass deren Schreibweise uneinheitlich und wechselnd war. V. Groebner beschreibt einen Gerichtsfall aus der Mitte des 14. Jh. der dadurch kompliziert war, dass der Name der Klägerin einmal als “de Cabris”, dann als “de Gabri” und ein andermal als “di Capri” geschrieben war. – Für die Erfassung und Archivierung von Personennamen kamen Listen unterschiedlicher Zwecksetzung in Gebrauch; so etwa Seelbücher (spätestens 12. Jh.), Beichtlisten (ab 1215), städtische Achtbücher, gerichtliche Proskriptionsregister (seit der 2. Hälfte des 13. Jh.), Ketzerlisten der Inquisition (seit dem Ende des 13. Jh.) oder Bürgerbücher, Zins- und Steuerlisten. Die Führung derartiger und neuer obrigkeitlicher Register wurde vom 15. Jh. intensiviert und spezialisiert; nunmehr wurden nicht nur ortsansässige Steuerbürger, sondern auch Leute jederlei Gruppenzugehörigkeit erfasst, also auch Kleriker, Tagelöhner, Dienstboten, Bettler, Sieche, Dirnen, Juden oder vorübergehend Einwohnende.

(s. jüdische Namensgebung, Namenstag)

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