Rad

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Lexikon des Mittealters Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen
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Rad (Wagenrad; mhd. rat, ahd. rad = das sich Drehende [am Wagen]; lat. rota). Wurden fahrbare Geräte, die nicht zur Überwindung größerer Entfernungen gedacht waren (etwa Hunte, Wandeltürme oder Kriegsmaschinen) mit kleinformatigen Scheibenrädern ausgerüstet, so kannte man in Mitteleuropa schon vor dem Mittelalter das Streben- und das Speichenrad, die der schlechten Straßen wegen, um dem Fahrzeug größere Bodenfreiheit zu geben und um über Unebenheiten leichter hinwegzukommen, von größerem Durchmesser waren.

Das Speichenrad besteht aus dem zentralen „Radhaufen“ mit der Nabe, den Speichen und den Felgen mit Beschlag.

Der Radhaufen ist gleichsam das Herzstück des Rades. Er ist axial von der Nabe (mhd. nabe, ahd. naba; lat. modiolus) durchbohrt, die drehbar um den Achschenkel gelagert ist. Auf dem Umfang des Radhaufens werden mit einem Greifzirkel die Stellen für das Einsetzen der Speichen festgelegt und in rechteckiger Form ausgestemmt. Der Radhaufen wurde aus einem ca. vier Jahre lang abgelagerten Stammholz von Bergahorn oder Ulme gefertigt. Dazu wird dieses abgelängt, auf der Drechselbank abgedreht, in der Längsachse mit einem Löffelbohrer (mhd. nabe-ger/Nabenspieß = Nabenbohrer) durchbohrt, oberflächlich mit einem Schlichteisen geglättet und ausgeformt. Zuletzt wurde der Haufen durch beidseits aufgezogene Eisenreifen stabilisiert.

Die Speichen wurden aus Esche oder Akazie gefertigt, die Felge aus Esche, Rüster, Buche oder Nuss. Die Felgen der Speichenräder bestanden entweder aus über Dampf gebogenen schlanken Segmenten (Biegefelgen) oder aus breiten, aus Brettern geschnittenen und zum Kreis gefügten Segmenten. Auf ein Felgensegment entfielen meist zwei Speichen, die – wie am Radhaufen – in Zapflöcher eingeschlagen waren. Die einzelnen Felgenteile waren untereinander mit Holzdübeln verbunden.

Im 13. Jh. wurde es üblich, die Radkränze mit Kopfnägeln zu beschlagen, um den Abrieb des hölzernen Felgenrandes zu vermindern. Um 1300 kam der einteilige, eiserne Reifen (mhd. reif) in Gebrauch, der rotglühend aufgezogen und sofort mit Wasser abeschreckt werden musste, damit das Felgenholz nicht angesengt wurde. Beim Abkühlen schrumpfte der Radreifen und legte sich eng um das Felgenholz. Eisenreifen lösten die älteren Methoden des Felgenbeschlags mit Eisennägeln und Eisenplatten ab und verminderten nicht nur den Felgenabrieb, sondern stabilisierten die gesamte Radkonstruktion.

Der schon in der Antike bekannte Radsturz (die Schrägstellung der Räder zur Achse, wobei der obere Totpunkt des Radumfangs von der Wagenmitte weg, der untere zur Wagenmitte hin verlagert war), verhinderte das Abgleiten der Räder von der Achse und das Radflattern (Schlottern) auf unebenen Straßen. Um das Speichenrad gegen Seitendruck stabiler zu machen, wurden – wahrscheinlich erst seit dem 13. Jh. – der Speichensturz (Schrägstellung der Speichen zwischen Nabe und Radkranz) eingeführt.

Die Räder wurden an der Nabe durch hölzerne oder eiserne Achsnägel auf den hölzernen Achsschenkeln gehalten. Die Nabe selbst war als „Verschleißteil“ als auswechselbare Metallhülse (Buchse) ausgebildet. Um den Abrieb im Radlager, also zwischen Achsschenkel und Buchse, möglichst gering zu halten, benutzte man verschiedene Schmiermittel.

Die Spurbreite mittelalterliche Wagen betrug etwa 110 cm, mit Abweichungen bis 80 bzw. 160 cm.

Die Radmacherei war Sache des schon im Frühmittelalter florierenden Handwerks des Stellmachers oder Wagners.

Im mittelalterliche Brauchtum spielte anlässlich der Jahresfeuer (Oster-, Johannis-, Wintersonnwend-, Neujahrsfeuer) das Feuerrad eine Rolle: ein Wagenrad, das an der Felge mit Stroh umwickelt war, wurde auf dem Berg in Brand gesetzt und funkenstiebend bergab gerollt. (Ein solches Feuerrad soll das Schadenfeuer im Kloster Lorsch im Jahre 1090 verursacht haben.)

In der Symbolik des Mittelalter spielten das Glücksrad und das Lebensrad (s. Glücksrad) eine Rolle.

Als schändliche und qualvollste Form der Todesstrafe kannte man das „Rädern“ (radebrechen, mit dem rade stozen, in rota punire); dabei wurden dem mit gestreckten Gliemaßen auf dem Boden festgebundenen Delinquenten durch den Aufprall der Radfelge die langen Röhrenknochen gebrochen. Die Frakturierung der Knochen wurde durch untergelegte Hölzer (Brecheln) sichergestellt. Als Gnadenerweis konnte der Stoß gegen Hals oder Herzgegend gerichtet werden, was den sofortigen Tod zur Folge hatte. Im Regelfall sollte der Verurteilte – oft erst nach tagelanger Qual – auf dem Rad sterben. Dazu wurde er unter den scheußlichsten Verrenkungen der zerbrochenen Glieder auf die Speichen des Rades geflochten und mit diesem auf einer Stange erhöht. Die Strafe wurde für Mord verhängt, nicht an Frauen und ursprünglich nur an unfreien Männern vollzogen.

Das Rad als Strafwerkzeug ist in der mittelalterliche Malerei häufig dargestellt (z.B. in einer Fensterrosette der Tübinger Stiftskirche, in deren Speichen der Körper eines Geräderten eingeflochen ist). Im mittelalterliche Aberglauben galten Teile des Tötungswerkzeuges – etwa eine Speiche oder ein Holzspan – als zauberkräftig und waren entsprechend begehrt.

In der Heraldik des Mittelalter kommen Räder in verschiedener Form vor. Die Stadt Mainz beispielsweise führt zwei durch ein Kreuz verbundene Speichenräder im Wappen (Mainzer Rad, Doppelrad; seit dem 12. Jh.).

Mit einem Rad als Attribut wurden die Heiligen Katharina v. Alexandrien, Euphemia, Georg, Martin v. Tours und Willigis von Mainz dargestellt.

(s. Kammrad (s. Kammrad-Stockgetriebe), Notfeuer (s.a. Feuermachen), Räderuhr (s. Uhr), Radfenster, Radkreuz, Radleier (s. Drehleier), Radleuchter (s. Leuchter), Schmiermittel, Spinnrad (s. Spinnen), Töpferrad (s. Töpferscheibe), Wagen, Wagner, Wasserrad (s.a. Wassermühlen), Windrad (s. Windmühle, Zahnrad (s. Kammrad-Stockgetriebe)

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