Res naturales

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Lexikon des Mittealters Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen
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Res naturales. Auf Lehren des Galenus und des Avicenna beruhte die mittelalterliche Theorie (theorica) zur körperlichen Befindlichkeit des Menschen. Demnach resultierten die fließenden Übergänge zwischen Gesundheit (sanitas), Krankheit (aegritudo) und einem neutralen Zwischenbereich (neutralitas) auf dem Gleichgewicht oder Ungleichgewicht körperlicher Abläufe, die ihrerseits durch Größen der res naturales, res non naturales und res praeter naturales gesteuert würden. Die Größen dieser drei Gruppen bestimmten maßgeblich Prophylaxe (praeservatio), Therapie (curatio) und Gesunderhaltung (conservatio sanitatis).

Als “res naturales” verstand man:

1.) elementa (Feuer, Luft, Wasser, Erde und ihre Qualitäten warm, kalt, feucht und trocken).

2.) complexiones s. commixtiones (die verschiedenen Mischungsverhältnisse der elementa und

derer Qualitäten).

3.) compositiones s. humores (die vier Körpersäfte Blut, Schleim, gelbe Galle, schwarze Galle

und deren mögliche wechselseitigen Beziehungen).

4.) membra (die Organe des Körpers).

5.) virtutes (die im Körper wirkenden Kräfte virtus animalis, virtus spiritualis und virtus naturalis)

6.) operationes s. actiones (die physiologischen Wirkungen der virtutes.)

7.) spiritus (die durch eine hauchartige Substanz vermittelten Kräfte, die als spiritus animalis vom Gehirn zu den Nerven, als sp. vitalis vom Herzen in die Arterien und als sp. naturalis von der Leber in die Venen ziehen.)

Unter den “res non naturales” verstand man die sechs fundamentalen Lebensbereiche, die der Mensch einzeln oder in ihrer Gesamtheit regeln musste, um das Gleichgewicht der Gesundheit zu erhalten oder wiederzuerlangen:

1.) aer (die Qualität der umgebenden Luft hinsichtlich Helligkeit, Temperatur, Feuchte, Geruch und Reinheit sowie Windverhältnisse und das jahreszeitliche Klima in bestimmten Gegenden. Außerdem die Qualität von Wohnung und Kleidung. Für letztere Faktoren wählte Arnaldus de Villanova die Bezeichnung “operimenta”.)

2.) cibus et potus (Qualität der Speisen und Getränke nach ihren Eigenschaften warm, kalt, feucht, trocken, nach ihrer vegetabilen oder animalischen Herkunft und nach derZubereitungsart. Zeitpunkt und rechte Art der Nahrungsaufnahme [Lob der Mäßigkeit].)

3.) motus et quies (Auswirkung maßvoller oder übermäßiger Bewegung des Körpers oder

einzelner Körperteile bei Arbeit (motus) und Sport (exercitia), sowie deren Kompensation durch Ruhe. Rhytmisierung des Alltags. Arbeit und Sport unterscheiden sich nur durch die Freiwilligkeit des Letzteren. Beide bewirken beschleunigte Atmung, schnelleren Puls und Anregung des Schwitzens.)

4.) somnus et vigilia (die Bedeutung von rechter Zeit und Dauer der Schlaf- und Wachzeiten für den Ablauf physiologischer Prozesse. Gesundheitsförderliche Gestaltung des Bettes [Kopfende höher als Fußteil] und richtige Schlafhaltung.)

5.) repletio et evacutio (auch: repletio et inanitio, secreta et excreta. Die Regulierung und Beobachtung der Körperausscheidungen wie Stuhl und Winde, Urin, Sperma und Menstruationsblut, Tränenflüssigkeit und Speichel, Auswürfe aus Mund und Nase, Erbrochenem, Ohrenschmalz. Auf diesem Feld griff man zu Maßnahmen wie Aderlassen und Schröpfen, Purgieren, Erbrechenlassen, Regulieren des Geschlechtslebens, Waschen, Baden und Massieren. Häufigkeit und richtiger Zeitpunkt einer bestimmten Maßnahme.)

6.) accidentia animi (auch: affectus animi, motus animi, passiones. Der förderliche bzw. schädliche Einfluss der sechs Emotionen oder Affekte Zorn (ira), Freude (gaudium s. laetitia), Angst (angustia), Furcht (timor), Traurigkeit (tristitia) und Scham (verecundia). Der rechte Umgang mit sich selbst und mit Seinesgleichen. Die Rückwirkung emotionalen Geschehens auf die körperliche Befindlichkeit.)

Als “res praeter naturam” (res praeternaturales, res contra naturam) bezeichnete man in der scholastischen Medizin die gegen die menschliche Gesundheit gerichteten “Dinge”. Man machte sie an Störungen der res naturales und der res non naturales fest und kannte einen Katalog von entsprechenden Krankheitszeichen (signa, significationes), die ausschlaggebend für Diagnostik und Prognostik waren.

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