Ritterlichkeit

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Ritterlichkeit (mos nobilium). Das hochmittelalterliche Idealbild des Ritters war geprägt von kriegerischen, mönchischen und höfischen Tugenden und getragen von einem spielerischen und ruhmsüchtigen Impetus, aus dem heraus jede Tat (arebeit) zur schönen Selbstinszenierung geriet.

Der Zentralwert höfischer Tugenden war die Ehre (ere), konstitutive Tugenden (qualitates) waren Selbstzucht (zuht; s. Disziplin), Mut (muot, manheit, ellen), ritterliche Hochgestimmtheit (s. Hoher Mut) und meisterliche Waffenkunst, unbedingte Treue (triuwe) bis hin zur Selbstaufgabe, Milde (s. milte = Toleranz, Mitgefühl, Freigebigkeit; frz. largesse), rechtes Maß (s. maze; i.S.v. Selbstbeherrschung, Mäßigung), Reinheit (s. kiusche), Beständigkeit (s. staete), Zuverlässigkeit (getriuwe), feine Bildung (s. vuoge), gute Manieren (zuht, elegans disciplina), Frohgestimmtheit (s. vroude, vroide, vreude; frz. joie), schoene (wohlgstaltetes und gepflegtes Äußeres; s. Ästhetik) und Manneskraft (s. Potenz).

Die Kirche suchte vom 12. Jh. an – ersichtlich im Ritus der Schwertweihe – Einfluss auf die Ritterschaft zu nehmen. Witwen, Waisen, die Schwachen gemeinhin und die Kirche mit all ihren Gliedern wurden dem besonderen Schutz der Ritterschaft unterstellt. Aber auch die Verfolgung der Heiden, Ketzer oder Andersgläubigen machte die Kirche zu einer ritterlichen, gnadenbringenden Angelegenheit der “militia Christi”. Das “sacramentum militare” ist Gottesdienst, die Ritterweihe wurde in die Nähe von Königs- und Priesterweihe gerückt. Wie sie ihre Waffen im Namen der Kirche empfangen hatten, geben viele Ritter im kampfesunfähigen Alter ihre Waffen und Standesabzeichen an die Kirche zurück und ließen sie in einem Gotteshaus – meist einer Stiftskirche – aufhängen. Als mortuarium wurden Schlachtrosse, Harnisch, kostbare Gewänder und Pferdeüberwürfe (rossekleit, waffenkleit) der Kirche dargebracht.

Aus der höfischen Kultur stammte der ritterliche Minnedienst (mhd. vrouwendienest), ein höchst artistisches Konstrukt aus sexuellem Verlangen und mönchischer Askese. Turnier- und Jagdsport waren höfische Spiele, bei welchen ritterliche Eigenschaften – Kühnheit, Stärke und Waffenkunst – bewiesen werden konnten.

In der Realität dürfte einer Minderheit kultivierter, tugendsamer Ritter eine Mehrheit draufgängerischer Haudegen gegenübergestanden haben. Und der Minnedienst dürfte oft genug der blanken Not der Nachgeborenen entsprungen sein, die sich gezwungen sahen, eine vermögende Erbin zu umwerben. Ritterlichkeit war demnach eher ein Idealbild als eine Zustandsbeschreibung. Alles in allem haben ritterliche Tugendideale jedoch ihre Wirkung auf die Gesellschaft nicht verfehlt, und manche ethischen Leitbilder und gesellschaftlichen Umgangsformen wirken noch in unseren Tagen nach. (s. septem probitates)

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