Lexikon des Mittealters | Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen |
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servitia regis (servitium regale; lat. = Königsdienst, zu servire = dienen; mhd. dienest, ahd. thionost). In dem “Capitulare de villis vel curtibus imperii” (um 800) Karls d. Gr. finden sich detaillierte Vorschriften zu Ausstattung und Bewirtschaftung der Reichshöfe, Reichsbistümer und Reichsabteien sowie deren Leistungen in Form von Naturalabgaben bzw. Zinszahlungen sowie Dienstpflichten (servitia regis). Leistungen zum Unterhalt des dt. Königs an seinem jeweiligen Aufenthaltsort wurden bis ins Spätmittelalter eingefordert. Ein derartiges, einmal jährlich zu lieferndes servitium für den Königshof samt zugehörigem Hofstaat (300 bis 4.000 Begleitpersonen) konnte bestehen aus Schweinen und Schafen, Ferkeln, Kühen, Hühnern, Eiern, Käsen, Gänsen sowie in Fischen, Getreide, Gemüse, Honig, Bienenwachs, Bier, Wein, Seife, Fellen, Holz, Salz und Gewürzen. Größere Pfalzen, wie etwa Merseburg, beanspruchten umfangreichere, kleinere, wie etwa Tilleda, entsprechend geringere. Auch Reichsbischöfe und Reichsabteien wurden von den Königen zur Gastung herangezogen und hatten – ihren Möglichkeiten entsprechend – für die Verpflegung des königlichen Hofes aufzukommen.
Aus der Abtei Werden wird berichtet (um 1050), dass sie ein servitium von 8 Kühen, 68 Schweinen, 50 Ferkeln, 8 Pfauen, 195 Hühnern, 95 Käsen, 870 Eiern, 41,5 Maltern Brotgetreide, 95 Scheffeln Hafer, 195 Krügen Bier, 485 Schüsseln und 147 Bechern “ad coquinam regis” zu erbringen hatte.
Der Königshof Trebur (Tribur, Rheinfranken) schuldete laut eines Verzeichnisses des 12. Jh. vier Servitien zu je 40 Schweinen, 7 saugenden Ferkeln, 50 Hühnern, 500 Eiern, 10 Gänsen, 5 Pfund Pfeffer, 90 Käsen, 10 Pfund Wachs und 4 großen Fudern Wein.
Auffällig und bislang ohne Erklärung ist das Fehlen wichtiger Verbrauchsgüter wie Brot bzw. Brotgetreide, Fisch, Salz, Honig, Milch, Gemüse oder Pferdefutter (Heu, Hafer).
Wofern der königliche Hof auf seiner Reise in einem Jahr nicht in die Nähe eines Tafelgutes gekommen war, sollte das nicht abgerufene verderbliche servitium verkauft werden.
Nachdem die Könige seit dem 12. Jh. überwiegend in Bischofsstädten (Reichsbistümern wie Aachen, Worms, Merseburg, Magdeburg, Mainz, Bamberg) und Reichsabteien (wie Corvey, Fulda, Gernrode, Essen, Lorsch) anstatt in den eigenen Pfalzen Hof hielten, wurden die Leistungen überwiegend in Geld erbracht (Geldservitium, des küneges stiure). Die Reichsabtei Lorsch z.B. leistete bis zum Jahr 1147, als es sich aus dieser Verpflichtung freikaufen konnte, ein jährliches Geldservitium von 100 Pfund/libra (was etwa 400 Schweinen entsprach) – und damit weit mehr als die meisten der anderen Reichsklöster. Was den Umfang des Servitialanspruchs anbelangt, so scheint es bei diesbezüglichen Urkunden häufig zu Fälschungen zugunsten der Dienstpflichtigen gekommen zu sein. Allerdings ist es auch vorgekommen, dass ein König bestimmte Einrichtungen von der Servitialpflicht per Privileg befreit hat.
Die Darbringung des servitium regis hatte zumeist jährlich an einem jeweils vom König bestimmten Ort und Termin zu erfolgen, doch scheint es gelegentlich auch einen mehrjährigen Turnus gegeben zu haben. Über die im Verlauf königlicher Rundreisen besuchten Servitialhöfe geben die Itinerare der Herrscher Auskunft.
Als servitium regis galten ausser Natural- und Geldabgaben auch die Stellung von Pferden, Transportmitteln, Truppenkontingenten seitens aller Klöster, Städte und Dörfer, die dem König direkt, und nicht einem adligen Herren oder einem Bischof unterstanden, Teilnahme der betroffenen Bischöfe und Äbte an königl. Hoftagen sowie – in königlichen Monasterien – das Gebetsgedenken. Manche Reichsklöster, wie z.B. Lorsch, dienten dem Herrscher auch als Verbannungsort für politische Gegner (s. Klosterhaft).
(s. Gastung, Reichskirchengut, Reichsklöster, Reisekönigtum, Tafelgut)