Straßen und Wege

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Lexikon des Mittealters Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen
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Straßen und Wege. (mhd. strazze; v. spätlat. strata [via] = gepflasterter [Weg]; mhd. wec = schmale Straße). Im Frühmittelalter gab es, von wenigen Resten alter Römerstraßen abgesehen, nur befahrbare Erdwege, die durchwegs in miserablem Zustand waren. Für die Erhaltung der Römerstraßen (auf dem linken Rheinufer und südlich des rätischen Limes hatten sich solche erhalten) wurde nichts unternommen, und so verkamen auch diese. Daraus erklärt sich, dass trotz aller Fährnisse ein größerer Teil des Waren- und Personenverkehrs auf Wasserwegen stattfand. Karl d. Gr. legte seine zehntausende von Kilometern langen Reisen überwiegend auf Flussschiffen zurück. Erst nachdem sein ehrgeiziges Kanalprojekt eines “fossatum magnum” zwischen den Oberläufen der Rhein-Main- und Donau-Flusssysteme gescheitert war, entstanden wieder häufiger überregionale Straßenverbindungen. Diese wurden ursprünglich für militärische Zwecke konzipiert (s. Hellweg), zogen aber bald den aufblühenden Handel und die wachsenden Pilgerströme an. Die alten Fernwege waren den Kämmen der Mittelgebirge gefolgt, weil die Täler versumpft und von Bächen oder Flussarmen zerschnitten waren (s. Sumpf); im Gefolge des Landesausbaus, der mit Entwässerung, Rodung und Regulierung der Wasserläufe einherging, konnten die Straßen in die Täler verlegt werden. An Stellen, wo Waren zwischen Schiffs- und Landverkehr umgeschlagen wurden, entstanden neue Marktsiedlungen und Städte. Die Handelsstädte wurden folgerichtig zu Förderern des Straßen- und Brückenbaus, da sie am Gedeihen ihrer Märkte durch Handel und Verkehr interessiert waren. Mit dem Ausbau der Territorialherrschaft gelangte die Zuständigkeit für Bau und Unterhalt der Straßen von königlicher in landesherrliche Zuständigkeit. Die anfallenden Kosten wurden aus Abgaben und Zöllen auf Personen- und Warenverkehr bestritten. Vom 11. Jh. an erleichterten größere Brückenbauten die Flussübergänge (s. Brücken), im 13. Jh. wurde der Gotthardpass, im 15. Jh. die Via Mala und die Kesselbergstraße für den Lastverkehr ausgebaut (s. Alpenpässe). Die ursprünglich für den Straßenunterhalt eingeführten Wegezölle wurden bald zu handelshinderlichen Fiskalquellen der Landesherrschaften umfunktioniert. Den Unterhalt der Straßen legte man den Gemeinden als Frondienst auf, wodurch kaum die nötigsten Arbeiten geleistet wurden. Auch im Spätmittelalter änderte sich nichts wesentliches im Straßenbau, man begnügte sich mit dem Erdwegebau und streckenweiser dürftiger Kiesaufschüttung. In Regenzeiten verwandelten sich die Straßen in Schlamm- und Moraststrecken, die mit Knüppeln und Reisigbündeln notdürftig passierbar gemacht wurden. Fußgänger und Reiter mieden diese von tiefen Wagenspuren zerfurchten Straßen und Hohlwege und suchten sich bequemere Parallelwege (Stiegen, Stege). Ländliche Siedlungen wurden von Fernstraßen umgangen, wichen doch die Fahrzeuge bei schlechtem Straßenzustand häufig ins anliegende Terrain aus und verursachten Flurschäden (s. Feldfrevel), was wütende Attacken der betroffenen Landleute zur Folge hatte. Die Anrainer suchten dies durch Anlegen parallel zum Straßenrand gezogener Wälle und Gräben zu verhindern. Die Breite der Straßen und Wege war höchst unterschiedlich, es ließen sich jedoch Durchschnittswerte ermitteln; so sollen Saumpfade 1,5 m, befahrbare Gebirgsstraßen 2,7 m, Karrenwege 2,5 m und gewöhnliche Landstraßen 4,5 bis 5,0 m breit gewesen sein (s. Stangenrecht, Verkehrsordnung).

Auch innerstädtische Straßen waren im frühen und hohen Mittelalter unbefestigt, sie bestanden aus festgestampftem Lehm oder Sand, einer Kiesschüttung, einer Reisiglage oder einem Bohlenrost. Es gab keine Kanalisation, und so verwandelten sich die engen Straßen und Gassen zumal in Regenperioden in kot- und abfalldurchsetzte Schlammstrecken. Bestenfalls wurden flache Steine in der Mitte der Straße lose aneinandergereiht, damit man trockenen Fußes durch den Morast kam. Deren Benutzung war den Bürgern vorbehalten, weswegen sie Bürgersteig genannt wurden. Erst vom 13. Jh. an wurden Pflasterungen von Plätzen und Wegen mit Flusskieseln, Bruchsteinen oder gerundeten Hausteinen angelegt (Hannover um 1200, Köln und Duisburg um 1250; Aachen, 1265; Lübeck, 1310; Straßburg, 1322; Augsburg, 1324; Prag, 1331; Nürnberg und Wien, 1368; Rothenburg o.T., 1376 [hier waren 1374 schon Nebengassen gepflastert worden]; Frankfurt a.M., 1398; Bern, 1399; Zürich, 1400; Biberach, 1402; Regensburg, 1416; Würzburg, 1443 [1397 war schon der Eiermarkt befestigt worden]; Erfurt [1448 wurden Rathausplatz und Fischmarkt befestigt]). Bei unzulänglicher Straßenreinigung bildete sich jedoch im Lauf der Zeit über dem Pflaster wieder eine dicke Schmutzschicht. (Beispielsweise war der um 1200 gepflasterte Marktplatz von Hannover war 100 Jahre später von einer 30 cm dicken Schmutzschichte bedeckt.) An den Kosten der Straßenbefestigung mussten sich einerseits die Anlieger beteiligen, andererseits konnte der Rat von ein- und ausfahrenden Wagen Pflasterzoll erheben.

(s. Handelsrouten, Pflasterer, Reichsstraßen, Saumwege, Stadtanlage, Straßenzwang)

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