Tierheilkundliche Fachschriften

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tierheilkundliche Fachschriften. Von der Spätantike bis zum 13. Jh. entstanden nur wenige neue Abhandlungen über Tierheilkunde. Im Umlauf waren Werke wie etwa die hippiatrischen des Chiron Centaurus oder des Vegetius.

In einem englischen Herbarium aus dem 12. Jh. findet sich unter “Die Medizin der Vierfüßer” beispielsweise folgende – eigentlich nicht tier- sondern humanmedizinische – Behandlungsanleitung bei Bissverletzung durch einen tollwütigen Hund: Dem wutkranken Hund solle der “Zungenwurm” unter der Zunge hervorgezogen, zerhackt und dem Gebissenen in einer Feige verabreicht werden. In einem spätmittelalterliche Rezeptar zur gleichen Indikation: “So slach den (Hund) ze tod und pratt dy leber von dem huntt und peraitt si in maß und gib si dem menschen zu essen.” Hildegard von Bingen (1098 – 1179) unterscheidet in ihrer “Physica” zwischen der Pest des Menschen, die auch Pferde, Esel, Schafe, Ziegen “et omnia cetera pecora” befallen soll, einer Rinder- und einer Schweinepest. In der gleichen Schrift werden weitere Tierkrankheiten (Angina, Nasenausfluss, Koliken, Husten u.a.) beschrieben und pflanzliche wie physikalische Therapien empfohlen. In “Causae et curae” führt sie Arzneimittel und Aderlassregeln für Pferde, Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen an. Mangels eindeutiger Symptomatik sind die von ihr beschriebenen Tierkrankheiten nur schwer einzuordnen. Albertus Magnus (1193 – 1280) hing zwar noch abergläubischen Vorstellungen an, wusste aber schon um verschiedenene Ansteckungsarten und beschrieb in “De animalibus” einige Krankheiten von Pferd, Esel, Rind, Schwein, Hund und Elefant. Thomas von Chantimpre (1201 – um 1270) verfasste beliebte und weitverbreitete zoologisch-allegorische Traktate, so das “De natura rerum” und den “Bienenstaat”. Bischof Teodorico Borgognoni (1205 – 1298), der an der Chirurgenschule von Bologna studiert hatte und mit päpstl. Genehmigung noch als Bischof ärztlich und tierärztlich tätig war, experimentierte mit Betäubungstränken. Pferde versuchte er mit 2 – 3 Unzen Bilsenkrautsamen für Operationen ruhigzustellen. Dem Schlaftrunk wurden später noch Alraune und Mohn beigefügt.

Im 13. Jh. gaben lat. Übersetzungen arabischer Fachliteratur der Entwicklung der Medizin bedeutende Impulse, wovon auch die Tiermedizin profitierte. Der hochgebildete Kaiser Friedrich II. erließ Gesetze zur Medizinerausbildung und beschäftigte sich selbst mit dem Studium der Vogelanatomie. Sein Marschall Jordanus Ruffus veröffentlichte um 1250 eine Pferdeheilkunde (“De cura equorum”), in der er eigene Erkenntnisse über Rotz, Lahmheiten, Rheumatismus und angeborene Fehlbildungen mitteilt. Ruffus war dem Dogmatismus und Aberglauben seiner Zeit nicht verfallen und gründete sein Wissen auf eigenen Beobachtungen und auf Mitteilungen anderer Praktiker. Auf dem Buch des Ruffus baut die “Marescalcia” des päpstlichen Leibarztes Laurentius Rusius (14. Jh.) auf, die hauptsächlich von Zucht, Pflege und Ausbildung der Pferde handelt. Ein weiterer Marstaller Friedrichs II., Meister Albrant, verfasste im 2. Viertel des 13. Jh. ein dt. “Rossarzneibuch” mit 36 Heilanzeigen, das in der Folgezeit erweitert und in mehrere Sprachen übersetzt wurde und auch unter anderen Verfassernamen erschien (Johannes von Posen, Siegmund von Königgrätz, Peter von Schaumburg u.a.). Die große Verbreitung des Büchleins ging im 14. Jh. von Prag aus, wohin es wohl über Friaul gelangt war. Es liegt in 218 Handschriften und seit 1485 auch in gedruckten Ausgaben vor, die noch bis ins 19. Jh. in Gebrauch bleiben sollten.

Die theoretische Tiermedizin des 14. und 15. Jh. hinterließ in Deutschland keine nennenswerten literarischen Spuren, die praktische dagegen bürgerte sich in den Berufen der Marställer (Stallmeister) und Rossärzte ein. Erstere waren für die Kriegs-, Turnier- und Jagdpferde des Adels zuständig, letztere behandelten als städtische Angestellte die Militär- und Arbeitspferde größerer Städte. Tierärztliche, d.h. pferdeheilkundliche Handschriften des Hochmittelalter und Spätmittelalter waren bebildert, so etwa die im 13. Jh. entstandene ital. Kopie der “Marescalcia equorum” des J. Ruffus (Berliner Kupferstich-Kabinett, Codex 78 C 15) oder die Pferdeheilkunde des Johan Alvares de Salamiellas (14. Jh.; Nationalbibliothek Paris). In Frankreich erschien 1456 das Pferdepflege-Buch des Wilhelm von Villiers; gegen Hautrotz des Pferdes (“Malleus”; schon von Hippokrates und Aristoteles beschrieben) schlägt er eine stufenweise Verschärfung der Behandlungstechniken (von Aderlass über Diät bis zum Kauterisieren) vor – aber erst, wenn die Anrufung des hl. Eligius erfolglos geblieben war. – Breiten Raum nahmen in den Fachschriften Methoden zur Ruhigstellung der Pferde ein (Lippenbremse, Fesselung, Hängevorrichtung, Niederwerfen, Ausbinden der Extremitäten). Aderlassstellen wurden anhand eines Lassrössleins dargestellt. Unseligerweise wurde in der Tierheilkunde nur selten lege artis phlebotomiert. Meist schnitt man dem Patienten ein Stück der Ohrmuschel ab, durchbohrte die Nasenscheidewand mit einem “spitzigen Hölzlein” oder ritzte die Gaumenschleimhaut ein (“Kernstechen”). Tieranantomie wurde erstmals in Europa in dem “Libro de la disputa de mastro Marco Greco di Cipri et de mastro Mauro Thedesco di Colonia” bildlich dargestellt (1316).

Im 14. Jh. entstand im Bodenseeraum eine “Rossaventüre”, eine systematische Zusammenstellung von betrügerischen Machenschaften der Rosstäuscher, die von Doping- und Färbemethoden und von magischen Praktiken handelt.

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