Umweltprobleme

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Lexikon des Mittealters Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen
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Umweltprobleme. Es kann als sicher gelten, dass dem mittelalterliche Denken ein umfassendes ökologisches Bewusstsein fremd war. Der Mensch war nach Gottes Willen über die Natur gesetzt und durfte sich ihrer nach Belieben und Vermögen bedienen. Sehr wohl wurden jedoch schon im Hochmittelalter gravierende Umweltschäden durch Raubbau und durch Luft- und Wasserverschmutzung, mit dem Anwachsen bestimmter Handwerkszweige zudem durch Lärmbelästigung erkannt und durch entsprechende Verordnungen abzustellen versucht. Im Spätmittelalter vollzog sich in den Städten von daher eine Entmischung von Wohn- und Gewerbegebieten.

Das Mittelalter kann mit Recht als das Holzzeitalter bezeichnet werden. Ganze Landstriche wurden allein für Bauholz (s. Holz, Holzbau, Seeschiffe) und für Brennholz (s. Glasherstellung, Holzkohle, Metallurgie, Salzgewinnung, Ziegelherstellung) entwaldet, sodass schon im 13. Jh. erste Waldschutzbestimmungen erlassen werden mussten. Waldschädigung und -vernichtung entstanden auch bei der Nutzung als Viehweide durch Verbiss- und Trittschäden, bei der Futtergewinnung (Lauben, Schneiteln), durch die Zeidlerei und durch den Eintrag schwefel- und bleihaltiger Rauchgase und Niederschläge aus den Erzrösten und Seigerhütten (“Rauchblößen”). Dazu kamen Erosionen an den entwaldeten Berghängen, vermehrtes Auftreten von Hochwassern infolge des geringeren Wasserspeicherungsvermögens der bloßen Böden und Ausschwemmen von Erde und Gestein in die Täler. Für die Norddeutsche Tiefebene sind bis zu 60 Meter hohe Sanddünen als Folge von Waldvernichtung vielfach bezeugt.

Flurschäden ergaben sich beim oberflächennahen Schürfen nach Erzen und bei der Anlage von Bergwerken (Abraumhalden, Pingenfelder, Bodenerosion und -setzung). Sie fanden Niederschlag in spätmittelalterliche Bergordnungen: die von Rattenberg, 1463, wandte sich gegen den “Aufslag in ainer Wiesen, Aeckhern oder Feldern” (also gegen Abraumhalden), eine Salzburger Ordnung von 1477 bestimmte, dass “mercklicher Schad”, der einem Grundeigentümer durch Bergbau entstanden war, “widerkert” (wiedergutgemacht) werden müsse.

Die Brennstellen der Glas- und Ziegelhütten, der Salinen und besonders die der Schmelzhütten sorgten für Luftverschmutzung, indem sie massenhaft Stoffe wie Kohlendioxyd, Kohlenmomoxyd, Schwefeldioxyd und Stickoxyde freisetzten. Die Abgase der Seigerhütten enthielten zudem erhebliche Bleianteile. Man wusste, dass der gelbe Bleirauch (Hüttenrauch) “viel schmeltzer und abtreyber verlehmet und umbringet”. Er belastete Äcker, Wiesen und Weiden und schädigte Tier und Mensch. Beim Rösten arsenhaltiger Erze wurde als Hüttenrauch ein charakteristischer weißer Nebel von kondensiertem Arsenoxid (s. Arsenik) frei, von dem das Gift seinen Namen hütterouch (hüttrach, hytrach) bekam. Je nach Gesteinsart emittierten die metallurgischen Öfen auch Antimon oder Zink. Wo Steinkohle in größerem Umfang verbrannt wurde, wie besonders in England seit dem 12. Jh., ergab sich eine üble Luftverpestung, die für Atemwegserkrankungen und chronische Stirn- und Kieferhöhlenentzündungen Anlass ware. Des auf Kohlefeuerung zurückgehenden Smogs konnte man auch mit strafbewehrten Verordnungen nicht Herr werden.

Gewässerverschmutzungen ergaben sich vor allem durch Einleitung von Fäkalien, von Abwässern aus Färbereien und Gerbereien, durch schlammige und teilweise mit Schwermetallen belastete Abgänge aus Erzwäschereien und durch “Entsorgung” von Abfällen aus Schlachthäusern, von Aas und sonstigem Unrat (s. Stadtbäche). Die Vergiftung (lat. corruptio) der Flüsse und Bäche mit Säuren, Salzen, Kalk, Öl und Tierkörperabfällen machte das Wasser streckenweise untrinkbar und schädigte außer den Fischern auch die Flussperluschel-Sammler durch Rückgang der Bestände und Minderung der Qualität. Trotz der – hauptsächlich in Städten erfolgenden – Wasserverschmutzung wurde stets Wäsche in Fließgewässern gewaschen, konnte der Fischreichtum von Rhein und Donau noch im 15. Jh. gerühmt werden.

Das Übertreten von Fäkalien aus Aborten und Dungstellen verjauchte benachbarte Brunnen und setzte häufig einen Ansteckungskreislauf in Gang.

Bleieintrag ins Trinkwasser ergab sich aus der Verwendung von Bleirohren oder bleiernen Verbindungsstücken zwischen hölzernen Wasserleitungsrohren.

Geruchsbelästigung ging aus von Handwerkern wie Köhlern, Leimsiedern (s.Leim)- und Seifensiedern, Gerbern, Pergamentern und Färbern, sowie von den häuslichen Herdfeuern und dem allgegenwärtigen Kot und Unrat.

Für Lärmbelästigung sorgten Fassbinder, Wagner, Grobschmiede, Kessler, Schlosser, Zimmerleute und Schlachter, daneben bellende und jaulende Hunde, das grunzende, muhende und blökende Vieh beim Aus- und Eintrieb und nicht zuletzt das lärmende Volk in den Wirtshäusern. Eine Nürnberger Verordnung besagte, “daz alle smide suln niht e auf sten zu irm werck zu würcken danne so man pfarre metten leutet; und suln auch also niht lenger würcken, danne biz man feuergloggen leutet …”. Man untersagte als die lärmende Arbeit der Grobschmiede und Schlosser vor Sonnenauf- und nach Sonnenuntergang. Ein Nürnberger Ratsverordnung von 1430 besagt, dass nach dem abendlichen Glockenläuten kein Hundegebell mehr die Ruhe stören dürfe (“das jeder des nachts sein hunt einsperret, das er kein peilen auf der gassen tet”); dies wohl nicht nur der bürgerlichen Nachtruhe zu Liebe, sondern auch, weil ständiges Hundegebell verdächtige Geräusche übertönen und den Nachtwächtern die Arbeit erschweren konnte.

(s.a. Abfallbeseitigung, Arbeitsmedizin, Berufskrankheiten, Horbmeister, Philipp von Leyden)

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