Vergewaltigung

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Lexikon des Mittealters Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen
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Vergewaltigung (spätmhd.; mhd. vergeweltigung; auch Notzucht [mhd. notzog, notnunft, noetunge, nottwanc, notzerre, notzerrunge, notziehunge, notzuht, noetunge, v. not = Zwang, Gewalt]; mlat. raptus, stuprum, violenta oppressio virginum vel dominarum). Unter “raptus” verstand man ursprünglich sowohl Frauenraub und Entführung als auch Vergewaltigung, erst vom 13. Jh. wurde der Begriff unter Wortbildungen wie notnunft, notzog oder nutzuht auf das Verbrechen der geschlechtlichen Gewalttat eingeengt. Dieses wurde durch Todesstrafe (Pfählen, Lebendigbegraben, Enthaupten) geahndet. Im Frühmittelalter galt die Todesandrohung nur für Unfreie, Freie konnten sich durch Geldbuße entsühnen. Im Spätmittelalter wird auch von milderen Urteilen wie an-den-Pranger-stellen, Stäupen oder Landesverweisung berichtet. Manchen Rechten zufolge konnte Notzucht nur an einer unbescholtenen Frau (Ehefrau, Jungfrau, Witwe) begangen werden, nicht dagegen an einem “fahrendem Weib” oder an einer “öffentlichen Frau” (mulier communis). Nach anderen Rechten war Notzucht nur todeswürdig, sofern sie an ehrbaren Ehefrauen, Witwen oder Jungfrauen begangen worden war. Der Tatbestand des gewaltsamen Fortziehens und Erzwingens des Geschlechtsverkehrs war nach mittelalterliche Rechtsverständnis erst gegeben, wenn die Vergewaltigte Hilfegeschrei (s. “Gerüfte”) erhob und sofort, nachdem sie dem Täter entronnen war, “mit zerbrochenem Leib, mit flatterndem Haar und zerrissenem Gebend ihre Not klagt”. Klageerhebung konnte aufgrund ihrer rechtl. Stellung die Frau nicht selbst führen, sie benötigte dazu einen rechtsfähigen Vertreter. Sma. Landrechte forderten zur Beweissicherung – neben glaubwürdigen Tatzeugen (s. Schreimann) -, dass drei ehrbare Frauen die Klägerin durch körperliche Untersuchung “beschauten”. Konnte einer der Schändung weder durch Augenschein noch durch Zeugen überführt werden, so konnte er sich durch Eid aus der Klage befreien (“incusatus se solus expurgabit”); andernorts blieb dem Opfer noch die Wahl des gerichtlichen Zweikampfs. Das Recht der Frau auf Klage verfällt, wenn sie diese nicht binnen dreier Tage erhebt. Nach dem Rechtsbuch des Ruprecht von Freising (1328) gilt eine Frau, die aufgrund einer Vergewaltigung schwanger wird, als mitschuldig.

Wer bei einer Vergewaltigung auf das Gerüfte der Frau nicht zur Hilfe eilte, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre, dem sollte – als spiegelnde Strafe – wallendes Blei in die Ohren gegossen werden (Mühlhäuser Reichsrechtbuch); nach dem Schwabenspiegel waren alle Hilfeverweigerer zu enthaupten und dazu alles lebendige Getier “das in dem Hause gewesen ist” zu töten.

War eine Frau Opfer von Vergewaltigung geworden, so galt sie als ihrer Keuschheit verlustig, als befleckt. Man ging von ihrer Mitschuld aus, hatte sie ihre Unschuld doch nicht bis zum Äußersten verteidigt und den Geschlechtsakt vielleicht sogar genossen. Aus diesen Gründen und aus Furcht vor öffentlicher Schande dürften viele Fälle von Notzucht nicht zur Anzeige gekommen sein.

(s. Meintat)

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