Warenschau

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Lexikon des Mittealters Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen
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Warenschau. Um angemessene Quantität, Qualität und Preise der Waren, besonders der Lebensmittel zu gewährleisten, hatten schon die Capitularien Karls d. Gr. strafbewehrte Normen gesetzt. In der nachkarolingischen Zeit verfiel die Einrichtung der Warenkontrolle, um erst in den Landfriedensgesetzen des 13. Jh. wiederaufzuleben. Wie sehr dies nötig war, geht aus einer Bußpredigt des Berthold v. Regensburg (13. Jh.) hervor, in welcher er u. a. das Schlachten kranker Tiere, das Verwässern von Wein und das Fälschen von Gewürzen anprangert. In den Städten wurde gegen Ende des gleichen Jh. die Landesgesetzgebung durch Städterechte abgelöst, die dem komplizierter gewordenen Wirtschaftsleben besser angepasst waren. Eine strenge Marktgesetzgebung sollte den Konsumenten vor Übervorteilungen jeder Art schützen. Ständige Kontrollinstanz war die Warenschau, die von Meistern der Zünfte bzw. Innungen zusammen mit Ratsherren oder städtischen Beamten durchgeführt wurde. Der Termin und der Weg der Kontrollgänge wurden im Geheimen festgelegt. Jedem Prüfer (prüefer, schouwaere) war ein bestimmter Bezirk (mhd. rifir, v. mndl. riviere) zugeteilt, den er – begleitet von einem Schreiber und mehreren Stadtknechten – am festgesetzten Tag vom frühen Morgen an abzugehen hatte. Auf seinem Weg kam der Kontrolleur “zu allen kremern, goltschmiden, pfragnern (Kleinhändlern), mülnern, gastgeben, gewantsneidern, sneidern, neterin, appoteckern und dazu in alle andern heuser und gewelb, wo man mit elen, metzen, … mass, wage und gewicht umbgeet, kaufft und verkaufft.” Besonders intensiven Kontrollen unterlagen Lebensmittel des täglichen Bedarfs wie Brot, Fleisch, Fisch, Met, Bier und Wein. (Weinfälschung [“gefarliche gemechte, verlepperung, verenderung und vermyschung”] wurde “an leib oder gut” bestraft. Bei der “beckenruge” genannten Brotschau begutachteten die “Brothüter” Waage und Gewicht, Güte und Preis. Es gab zwei Mehlsorten, “semel” und “bolle”, und dementsprechend ein helleres und ein schlechteres dunkles Brot. Die Unterscheidbarkeit der Sorten, Güte und Preis wurden an den Brotbänken täglich vom bestellten Meister, einmal wöchentlich von einer Kommission aus Ratsbürgern und Meistern [“brothüter”] überprüft, die auch die Backstuben selbst besuchten. Besonders bei der Brotschau wurde die Fürsorgepflicht des Rates gegenüber den Armen deutlich). – Honig wurde vor dem Verkauf von “gesworen honigmessern geschawet und gemessen”.

Der Warenschau unterlagen außer Nahrungsmitteln auch Hopfen, Waid, Wolle, Tuch, Häute, Leder, Rauchwaren, Edelmetalle, Edelsteine und Spezereien wie Pfeffer, Safran, Muskatnüsse oder Nelken und handwerkliche Fertigprodukte.

Beschränkte man sich bei weniger bedeutenden Gewerben, wie etwa Kannengießern, Färbern oder Ölern, darauf, den Meister unter Eid zu nehmen, so wurden umsatz- und prestigeträchtige Gewerbe, wie Weber und Tuchmacher, oder solche allgemeiner Bedürfnisse, wie Lederer und Schuster, durch besonders kritische Warenschau unter Kontrolle gehalten.

Um den überwiegend illiteraten Konsumenten vor Übervorteilung zu schützen, wurden ihm von der städt. Obrigkeit eigene Kontrollmöglichkeiten gegeben. Diese bestanden aus Vergleichslängen (etwa der örtlich gültigen Elle), aus Flächendarstellungen (z.B. von Brotlaiben, Mauer- und Dachziegeln) oder aus Eichmaßen (für Getreide, Holzkohle, Wein usw.). Diese Normalmaße und Eichgefäße waren meist am Marktplatz aufgestellt bzw. in die Außenmauer des Rathauses oder einer Kirche (z.B. Freiburger Münster) eingemeißelt. Die allgemeine Zugänglichkeit der Längen-, Gewichts- und Größennormen war umso wichtiger, als diese je nach Stadt oder Marktflecken bedeutenden Schwankungen unterlagen. In den Rathäusern stand zu Eich- und Kontrollzwecken auch eine allgemeinzugängliche Stadtwaage mit einem Satz geeichter Gewichte. Gewichtsverfälschung wurde mit hoher Geldbuße und/oder Verkaufssperre bestraft. Bei der Strafzumessung schlugen Luxusgüter (z.B. Edelmetalle, Seide, Safran) stärker zu Buch als alltägliche Handelsgüter (z.B. Fleisch, Schmalz, Salz, Hanf, Flachs), “da sol die gnad dest grosser sein”.

Einer strengen Warenschau auf Identität, Qualität und Reinheit unterlagen auch Produkte des Fernhandels, besonders mediterrane und exotische Drogen, die ihres hohen Preises wegen gerne gefälscht wurden. Oberste Instanz für die Beaufsichtigung des Drogenhandels in dem wichtigsten mittelmeerischen Exporthafen Venedig waren die “Consoli dei mercanti”. In Nürnberg, dem wichtigsten deutschen Einfuhrzentrum für Drogen, hatte der Rat im 13. Jh. Schauämter eingerichtet, deren eines für Importe wie z.B. Safran zuständig war.

(s. Brot, Konsumentenschutz, Maße, Wein)

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