Wasser

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Lexikon des Mittealters Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen
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Wasser (mhd. wazzer; lat. aqua). Das zweitschwerste der vier Elemente, aus denen alle sublunare Materie zusammengesetzt ist. Vom Gewicht her zwölfmal leichter als das Element Erde, seinen Eigenschaften nach sichtbar, flüssig, kalt, feucht, beweglich, zäh, stumpf. Bezüge zu Phlegma, Venus, weiß, salzig. Zum Beweis einer – wenn auch unvollständigen – Stoffumwandlung (Transmutation) von Wasser in (wässriges) Feuer galt die Überdestillation von Wein in brennbaren Weingeist (aqua ardens).

In den naturkundlichen Schriften der Hildegard v. Bingen nimmt das Element Wasser breiten Raum ein. “Das Wasser besitzt fünfzehn Kräfte, nämlich Wärme, Luft, Feuchtigkeit, Überschwemmung, Geschwindigkeit, Beweglichkeit; den (Wald-)Bäumen gibt es Saft, den Obstbäumen Geschmack, den Kräutern die Grünkraft. Mit seiner Feuchtigkeit benetzt es alle Dinge; es erhält die Vögel, nährt die Fische, es bewirkt, dass die Wildtiere in ihrer Wärme leben können, es bewahrt das Gewürm in seinem Schaum und hält so alles aufrecht” (zit. nach P. Riethe).

Trinkwasser war eines der höchsten Güter, entsprechend groß waren die Anstrengungen zum Bau von Brunnen und Wasserleitungen, entsprechend grausam die Strafen für – häufig nur angedichtete – Brunnenvergiftung. Eine ständige Gefahr stellte das Zusickern von fäkalienverseuchtem Grundwasser in Brunnenschächte dar (s. Abfallbeseitigung), die man durch Reglementierung des Mindestabstandes zwischen Fäkaliengrube und Brunnen abzustellen suchte.

Wasser spielte in der Hygiene (s. Badhaus) und Heilkunde (s. Diätetik, Heilbäder) eine bedeutende Rolle. Hildegard von Bingen hielt Süßwasser für geeignet zu Speise und Trank, zu Bädern und zum Waschen. Von Salzwasser sagt sie, dass es weder zur Speisezubereitung noch zum Trinken oder anderen Zwecken zu gebrauchen sei, und Seuchen bei Mensch und Tier hervorriefe.

Naturphilosophen befassten sich mit hydrologischen Fragen wie Regen, Wolken, Tau (s. Meteorologie), Meeresströmungen und Gezeiten. Im praktischen Leben war Wasser unentbehrliche Voraussetzung für die menschliche Existenz und die Haltung von Vieh, von ausschlaggebender Bedeutung für die Anlage von Städten (s. Stadtanlage), Grundlage für die Herstellung von Nahrungsmitteln (Met, Bier, Brot), für die Züchtung und Mast von Fischen (Fischteiche) für gewerbliche Verfahren (Färben, Gerben, Walken, Schleifen, Mörtel- und Papiermachen) und zum Löschen der häufigen Feuersbrünste; man nutzte Flüsse, Seen und Meere als Verkehrswege (s. Binnenschifffahrt, Seestraßen) und ergänzte diese durch Kanäle (s. Kanalbau), bediente sich der Wasserkraft als Energiequelle (s. Wassermühlen, Wasserrad) und verließ sich bei der Beseitigung von Schmutz und gewerblichen Abfällen auf die als unerschöpflich erachtete Selbstreinigungskraft von Flüssen und Bächen. Die gerichtliche Wasserprobe fand über das offizielle Ende der Gottesurteile (1215) hinaus bis in die Neuzeit Anwendung bei Hexenprozessen. Letztlich war Wasser auch im christlichen Kult (s. Taufe, Weihwasser) und im Volksglauben (s. Osterwasser, Sakramentenzauber) von symbolträchtiger bzw. magischer Bedeutung. Dem fließenden Wasser wurde fast unbegrenzte Heil- und Reinigungskraft zugetraut: es schwemmte Leiden davon (wenn man Ausscheidungen, Blut, Haare oder Nägel des Patienten hineinwarf) und entsorgte jederlei Unrat (Schmutz, Abfälle, Exkremente usf.), wobei angenommen wurde, dass es schon nach kurzer Fließstrecke wieder rein sei.

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