Lexikon des Mittealters | Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen |
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Zahlzeichen. Von den im Mittelalter gebräuchlichen röm. Zahlzeichen bedeuteten I die Einer, V eine Fünf, X eine Zehn, L Fünfzig, C Hundert, D Fünfhundert und M Tausend. Die Jahreszahl 1468 wird in röm Zahlzeichen MCCCCLXVIII geschrieben. Niedrigere Zahlzeichen dem nächsthöheren vorangestellt verminderten diesen: IV = 4, IIX = 8, XL = 40, CM = 900. In der got. Schriftperiode wurden diese Zeichen als gotische Minuskeln dargestellt (s.u.). Um den Zahlenwert 1/2 auszudrücken, halbierte man das I durch einen Querstrich. Bei Ordnungszahlen wurde häufig die Endung hochgstellt mitgeschrieben: I (hoch) mo für primo, II (hoch) do für secundo. Sollte bei Kardinalzahlen der Stellenwert ausgedrückt werden, so wurde der Multiplikator hochgeschrieben: VI (hoch) m für 6000, IV (hoch) c für 400. Der Rechenvorgang selbst wurde auf dem Rechenbrett vorgenommen, die Buchstabenziffern dienten nur zur Niederschrift eines Zahlenwertes. In mittelalterliche Handschriften wurde – abweichend von röm. Tradition – ein Zahlzeichen auch durch einen Deckstrich vertausendfacht.
Etwa ab 1000 wurden die indischen Ziffern auch im christl. Abendland bekannt und von gelehrten Klosterbrüdern neben den röm. Zahlzeichen verwendet. (Das älteste Zeugnis findet sich in einer span. Handschrift von 976, verwahrt in Madrid in der Biblioteca del Escorial.) Da die neuen Ziffern von arabischen Gelehrten, wohl von Spanien her, vermittelt worden waren, sprach man von arabischen Zahlen. Größere Verbreitung fanden sie durch die Verwendung auf dem Abakus, für den sie Gerbert v. Aurillac eingeführt hatte. Namen für diese Ziffern sind in Texten und Abbildungen des Rechenbretts aus dem 11. Jh. erhalten; es handelt sich dabei um latinisierte Formen der arabischen Zahlwörter: igin, andras, ormis, arbas, quimas, caltis, zenis, temenias, celentis. Zusammen mit dem Gerbertschen Abakus gerieten diese Namen im 12. Jh. in Vergessenheit.
Im Spätmittelalter kamen das Dezimalsystem mit Stellenwert und der Null sowie die arabischen Ziffern (zifferzalen) – mit nunmehr lat. Namen bzw. deren volkssprachlichen Entsprechungen – zunehmend in allgemeinen Gebrauch. Die Form der Ziffern wandelte sich entsprechend dem jeweiligen regionalen Schriftbild und wohl auch entsprechend der Position, in welcher die Rechensteine gelegt wurden; so kamen beispielsweise die ursprünglich „auf dem Kopf stehenden“ 2 und 5 durch Drehung um 180° in die heute geläufige Position. Die Zahlenschrift des 11. Jh. (s. „Apices“), wie sie von Gerbert auf die Rechensteine des Klosterabakus‘ gezeichnet wurden, ließ deren Herkunft von westarabischen Ziffern (Gobarziffern) kaum noch erahnen. Die Zahlzeichen des Spätmittelalter waren dagegen mit den Gobarzeichen fast identisch. Charakteristisch waren: die 1 als aufrechter gerader oder gebogener Strich mit Anhängsel(n), die einem z mit Unterlänge ähnliche 3, die schlingenförmige oder eckige, unten offene 4 (als halbe Acht zu deuten), die bis zum 15. Jh. ohne Querstrich geschriebene 5 und die einem unten offenen Winkel ähnliche 7.
Im ausgehenden Mittelalter und noch in der beginnenden Neuzeit kam es häufig zu Überschneidungen und Vermischungen der röm. und arab. Zahlenschreibweisen. Nicht selten ergab sich dabei Missverständliches und Unlogisches. Einige Beispiele: M CCCC 8II (1482); 1 5 IIII (1504); CC2 (202); 15X5 (1515); I 0 VIII IX (1089); 15000 30 (15030); ICC00 (1200).
Röm. Zahlzeichen wurden im Mittelalter häufig auch als Buchstaben in Kleinschrift (Minuskel) geschrieben: aus I wurde ein i (an letzter Stelle immer als j lang ausgezogen, um Betrug zu verhindern), aus X wurde ein x, aus V ein v oder ein u. Wurde einem statt eines x ein u angeschrieben („ein X für ein U gemacht“), so hatte man das Doppelte angeschrieben bekommen, war betrogen worden; diese Betrügerei, geübt von Gastwirten oder Händlern auf der Tafel, auf welcher die Schuld von Kunden vermerkt war, hat sich als RW bis heute erhalten.
(s. Algorithmus, Chronogramm, Leonardo Pisano, Rechnen, Ziffern)