Zigeuner

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Lexikon des Mittealters Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen
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Zigeuner (Fremdbezeichnung, spätmhd. zeginer, ziginer [1430], mlat. Cingari; über ungar. aus bulgar. acigane, von byzantin. atsinganoi = Unberührbare [kleinasiat. Sekte] oder von pers. asingari = Schmied [einer ihrer häufigsten Berufe]; auch athinganer [13.Jh.], acingani [1397], tateren [Tataren, 1407], heyden [Heiden, 1414], Egiptieren [Ägypter, 1422].) In der ersten Hälfte des 13. Jh. traten im Zusammenhang mit den Mongoleneinfällen in Rußland, Bulgarien, Polen und Ungarn erstmals Angehörige einer indischstämmigen Volksgruppe auf, die als ruhelose Wanderer bald ganz Europa durchzogen. Sie fanden urkundliche Erwähnung in Böhmen (1399), Hildesheim (1407), in Basel (1414, 1422), in Meißen (1416), in Augsburg, Soest, Magdeburg, Lübeck und anderen Hansestädten (1417), in Leipzig, Frankfurt und Straßburg (1418), in Friesland und Brüssel (1420), in Meiningen (1432). Nach Paris kamen sie 1427, in Spanien tauchten sie 1447 auf, in England 1449, in Schottland 1492 und in Russland 1500.

Die nomadisierenden Fremdlinge fielen durch ihr abweichendes Äußeres auf, das als hässlich und dunkelhäutig („nigri ut ratari“) geschildert wurde; sie sprachen eine eigene Sprache, die durch Lehnwörter des jeweiligen Gastlandes angereichert war. Auch in der Religion passten sie sich oberflächlich dem jeweils herrschenden Glauben an. Sie schlugen sich als Gold- und Silberschmiede, als Kesselflicker, Kupfer- und Schwarzschmiede durch, betrieben Pferdehandel und Schaustellerei, traten als Straßensänger, Spielleute, „Zauberer“ und Wahrsager (meist durch Handlesen und Kartenschlagen) auf. Im Familienverband bestimmte die Frau, Gerichtsbarkeit und Umgang mit Außenstehenden war Männersache. Als kompakte, fremdartige Randgruppe waren sie leicht zu identfizieren, gerieten ihrer Andersartigkeit wegen folgerichtig immer wieder in eine Sündenbock-Situation und wurden angefeindet und vertrieben. (Auf mittelalterliche Darstellungen wurden Zigeuner durch typische turbanartige Kopfbedeckungen kenntlich gemacht.)

Ein übriges zur Diffamierung taten christl. Schauerlegenden, in denen Zigeuner – gemäß dem von ihnen meistgeübten Beruf – die Nägel zum Kreuze Christi geschmiedet hatten. Zeitgenössische Quellen schildern sie als hässlich, kraushaarig, schwarz, wüst und unflätig, als arbeitsscheu,diebisch, untreu und verräterisch. Unklar bleibt, weshalb Kaiser Sigismund den Zigeunern 1423 einen Geleitbrief ausstellte, der ihnen Freizügigkeit garantierte und sie unter den Schutz und die Fürsorge all seiner Getreuen, Befehlshaber, Beamten und Richter stellte. Trotz dieses Freibriefs wurden Zigeunersippen weiterhin aus manchen Städten und Dörfern vertrieben. Die Stadt Bern befahl 1471 ihren Vögten im Landgebiet, alle Zigeuner aus dem Land zu weisen. Der brandenburgische Kurfürst Albrecht Achilles hat ihnen 1482 generell den Aufenthalt in seinem Herrschaftsbereich verboten. Nachdem auf den Reichstagen von Lindau und Freiburg (1496/1498) der Schutzbrief Kaiser Sigismunds offiziell für ungültig erklärt worden war, ging die relative Sicherheit der Zigeuner zu Ende; sie galten als vogelfrei und wurden wegen Ungläubigkeit und Zauberei, als Unheilbringer und Spione verfolgt.

(s. Fremdling)

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