Lexikon des Mittealters | Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen |
Erkunde das Mittelalter: Über 3.979 Seiten und mehr als 6.400 Einträge bieten dir einen tiefen Einblick in diese Ära. Vom Ablass bis zur Zunftordnung - dieses eBook ist dein Guide durch die Geschichte, Gesellschaft und Kultur Europas von 500 bis 1500 n. Chr. | Entdecke in „Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen“ auf 111 Seiten die mittelalterliche Burgenwelt: Architektur, Alltag und ihre Rolle im Mittelalter kompakt erklärt. |
Jan Hus, ein Professor der Prager Universität, rief öffentlich zum Kampf gegen die Herrschaft der Deutschen und der katholischen Kirche aus. Er predigte gegen die Habgier der katholischen Geistlichkeit, gegen den Ablasshandel und forderte die Enteignung der Kirchengüter. Er übersetzte religiöse Schriften aus der lateinischen Sprache, die das Volk nicht verstand, ins Tschechische. Auch gegen die Herrschaft des Papstes trat Hus scharf auf. Seine Predigen fanden in allen Kreisen der tschechischen Öffentlichkeit lebhaften Widerhall, und His wurde der anerkannte Führer der nationalen Befreiungsbewegung.
Bei den Deutschen war Hus verhasst. Sie verfolgten ihn und suchten ihn zu beseitigen.
In Konstanz hatte sich zu dieser Zeit die hohe Geistlichkeit der katholischen Kirchen zu einem Konzil versammelt, vor dem sich Jan Hus verantworten sollte. Hus schwankte zunächst, ob er nach Konstanz gehen sollte, aber der deutsche Kaiser Sigismund versprach ihm völlige Sicherheit und stellte einen Schutzbrief aus. Hus hoffte, dass es ihm gelingen würde, das Konzil von der Rechtmäßigkeit seiner Haltung zu überzeugen. Doch die dort versammelte Geistlichkeit ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen und empfing ihn mit wütenden Beschimpfungen; er wurde eingekerkert und zum Feuertod verurteilt. Sigismund dachte nicht daran, ihn zu schützen. Man verlangte von Hus, dass er seine Lehren widerrufe, aber zog den Tod dem Widerruf vor. Am 6. Juli 1415 wurde er verbrannt. Dieser heimtückische Mord verstärkte die nationale Befreiungsbewegung in ganz Tschechien noch mehr. Sie erhielt nach Hus die Bezeichnung „Hussitenbewegung“ und ihre Anhänger hießen „Hussiten“. Die Bevölkerung begann, die katholischen Pfaffen zu vertreiben.
Im Jahre 1419 kam es zum offen Aufstand. Die tschechische Bevölkerung, vor allem Handwerker, zerstörte in Prag die Kirchen und Klöster. Die Handwerker stürmten das Rathaus, wo sich die Mitglieder des Stadtrates eingeschlossen hatten, und warfen sie zum Fenster hinaus. Die Tschechen weigerten sich, Sigismund weiter als ihren Herrscher anzuerkennen. Um die Selbstständigkeitsbestrebungen Tschechiens zu unterdrücken und das Land dem deutschen Kaiser und der katholischen Kirche zu unterwerfen, ließ nun der Papst einen Kreuzzug predigen. Zu diesem Kreuzzug versammelten sich hauptsächlich Deutsche, aber auch Ritter aus allen anderen Ländern des katholischen Europas schlossen sich ihnen an. Mit Kaiser Sigismund an der Spitze rückten sie gegen Tschechien vor, wurden aber von den Hussiten geschlagen. Die Kreuzfahrer zerstreuten sich über ganz Tschechien und plünderten und verwüsteten die schutzlosen tschechischen Dörfer. Als Antwort darauf zerstörten die Hussiten die katholischen Kirchen und Klöster und nahmen deren Land sowie die Güter der katholischen Feudalherren.
Die Hussiten spalteten sich in zwei Lager. Der eine Teil, die Gemäßigten, erstreben die Beschlagnahme des kirchlichen Besitzes und die Anerkennung der Selbstständigkeit der tschechischen Kirche. Zu ihnen gehörten die Händler, die Gewerbetreibenden, die wohlhabenden Bauern und die Professoren der Prager Universität.
Die Arbeiter Tschechiens, die Bauern und Handwerker, bildeten eine eigene Partei, die „Taboriten“. Sie wurden so genannte nach der von ihnen errichteten befestigten Stadt Tabor. Ihre Hauptmacht bildeten die Bauern, die für eine völlige Abschaffung der Leibeigenschaft und der Feudallasten und für die freie Wahl der Geistlichen eintraten. Für die Bauern war der Krieg gegen die Deutschen ein Krieg gegen die Grundbesitzer.
Die Bewegung der Taboriten war im Grunde genommen genau so ein Bauernaufstand gegen die Feudalherren wie die Jacquerie und der Aufstand des Wat Tyler. Einige Taboriten, hauptsächlich die Ärmsten aus den Städten und Dörfern, sowie die Bergleute, forderten die völlige Abschaffung des Privateigentums und die Einführung gemeinsamen Besitzes. Den Taboriten schlossen sich auch verarmte Ritter an, die zum Teil Kriegserfahrung besaßen. Einer von ihnen, Jan Ziska, wurde ein anerkannter Anführer der Hussitenheere.
Die Deutschen organisierten fünf Kreuzzüge gegen die Hussiten (1420 – 1431), die alle mit einem völligen Misserfolg für die Deutschen endeten. In Tschechien wurden große revolutionäre Heere aufgestellt. Als Gegengewicht gegen die deutschen Ritterheere stellte Jan Ziska eine vorzügliche Fußtruppe und Abteilungen mit leichten, auf Wagen mitgeführten Kanonen auf. Aus Trosswagen, die mit Ketten und Brettern verbunden wurden, errichtete Ziska uneinnehmbare Befestigungen. An der Verteidigung dieser beweglichen Festungen nahmen auch Frauen teil.
In einem Gefecht wurde Ziska durch einen Pfeil verwundet und verlor ein Auge. Aber er blieb an der Spitze der Hussitenheere und kämpfte unter großen Opfern weiter für seine Heimat. Schon sein bloßer Name flößte den Feinden Furcht ein. Die Hussiten aber nannten ihn Vater. Die Heere der Hussiten waren außerordentlich beweglich und tauchten oft dort auf, wo man sie nicht vermutete. Es wird erzählt, dass sich die Heere der Kreuzfahrer schon zur Flucht wandten, wenn sie nur das Rattern der Hussitenwagen hörten. Die Heere der Hussiten wurden auf Grund einer allgemeinen Dienstpflicht aufgestellt. In ihnen herrschte eine strenge Disziplin aber auch eine revolutionäre Begeisterung. Bald gingen die Hussiten von der Verteidigung zum Angriff über. Sie unternahmen Feldzüge gegen Deutschland und drangen bis an die Ostsee vor. Überall verbreiteten sie ihre Lehren, die auch bei den arbeitenden Massen Deutschlands Widerhall fanden. Die deutschen Pfaffen und Feudalherren nannten die Lehren das „tschechische Gift“.
Die Hauptmacht für die Hussitenkriege stellten die Taboriten, während die Gemäßigten die sich selbst vor den Taboriten fürchteten, Verständigung mit den Deutschen suchten.
Kaiser Sigismund entschloss sich schließlich, die Forderung der Gemäßigten anzuerkennen. Sie durften das Land, das der Kirche abgenommen wurde war, behalten und der Kaiser war bereit, die Selbstständigkeit der tschechischen Kirche anzuerkennen. Die Gemäßigten erkannten ihrerseits Sigismund als ihren Herrn an.
Die Taboriten aber erkannten diese Vereinbarungen nicht an und bezeichneten sie al Verrat. So kam es zum Krieg zwischen den Gemäßigten und den Taboriten. Die Gemäßigten überfielen die Taboriten hinterrücks und schlugen sie bei Lipan (1434). Danach verhängten sie ein grausames Strafgericht über ihre Gegner.
Die Bewegung der Taboriten endete ebenso mit einem Misserfolg wie die anderen großen Bauernbewegungen. Die Stadtarmut, die sich der Bewegung angeschlossen hatte, konnte die Bauern nicht zum Siege führen, da sie selbst noch zu schwach und unorganisiert war.