Analogiezauber

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Analogiezauber (Sympathiezauber). Im mittelalterliche Volksglauben war die Vorstellung weit verbreitet, dass zwischen zwei äußerlich ähnlichen Dingen eine innere Übereinstimmung (“Sympathie”) bestehen müsse. Entsprechend suchte man Beschwerden durch wesens- oder formverwandte Mittel zu begegnen. (Eine Vorstellung, die ähnlich auch der Homöopathie zugrundeliegt.) So glaubte man, dass eine Wunde durch das Verbinden des Gegenstands, der sie verursachte, geheilt würde; dass Schwalben ihrer außerordentlichen Sehkraft wegen gegen Sehstörungen verzehrt werden sollten; dass man gegen Schwindelanfälle Misteln einnehmen sollte, da diese in schwindelnder Höhe gediehen; dass Lungenkranke Hundefleisch oder Hundefett essen sollten, da Hunde als gute Läufer kräftige Lungen hätten. Auch, dass Goldmünzen oder gelb blühende bzw. gelben Saft absondernde Pflanzen wirksam gegen Gelbsucht, Leber- und Gallenleiden seien. Blutwurz (Potentilla tormentilla) und Ruhrkraut (Gnaphalium) waren ihrer roten Wurzeln wegen bei Menorrhagie (verlängerte und verstärkte Menstruationsblutung) und Dysenterie (Rote Ruhr) sehr beliebt. Bei Blasenleiden wurde das Trinken von Urin empfohlen. Eine Köstlichkeit zum Schluss: Bei Hörschwäche ließ man Hasenurin trinken, da diese Tiere besonders lange Ohren und damit ausnehmend gutes Hörvermögen haben; potenzierende Wirkung habe ein Zusatz von getrockneten und pulverisierten Ohrwürmern.

Neben dem sog. “sachlichen” kannte die mittelalterliche Volksmedizin den “sprachlichen” Analogiezauber. Dieser beruhte darauf, dass man aus den gleichklingenden Namen einer Person (einer Pflanze, eines Tieres usf.) und einer Krankheit auf einen inneren Zusammenhang zwischen beiden schloss und daraus einen heilenden Einfluss ableitete. Beispiele: St. Augustin wurde bei Augenleiden, St. Blasius auch bei Blasenleiden und St. Valentin bei der Fallsucht angerufen. – Durch den Stich der Gallwespe entstehen an den Zweigen des Rosenstrauches moosartige Auswüchse, im Volksmund “Schlaf” genannt. Diese wurden als Mittel gegen Schlaflosigkeit unter das Kopfkissen gelegt. – Wegen des gleichlautenden Namens behandelte man Krebskranke mit einem Mus aus lebend zerstampften Krebsen oder band einen lebenden Krebs über die erkrankte Stelle und ließ ihn liegen, bis er verendet war.

Hierher gehören auch der Brauch, dass man Leiden am besten durch Behandlung während abnehmenden Mondes zum Schwinden brachte, während man gesundheitsfördernde Kuren bei zunehmendem Mond durchführte, wenn sich des Wohlergehen zusammen mit dem Mondlicht mehrt, und das Aufschreiben von Schwindeformeln (s. Abrakadabra).

Als Analogiezauber mit umgekehrten Vorzeichen könnte man die Praxis verstehen, ein Krankheitscharakteristikum mit dessen gegenteiliger Entsprechung zu bekämpfen – nach der Regel Contraria contrariis. In diesem Sinne verwandte man Kaltes gegen Hitze, Schwarzes gegen Weißes oder Dinge weiblichen Gebrauchs gegen Erkrankungen des Mannes und umgekehrt.

(Die Fortsetzung des Analogiezaubers mit wissenschaftlicher Verbrämung wurde vom 16. Jh. an die Signaturenlehre. Nunmehr schlossen studierte Ärzte aus Gestalt und Farbe von Pflanzen- und Tierteilen oder Mineralien auf deren Pharmakodynamik.)

(s. Ähnlichkeitslehre)

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