Bierbrauen

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Bierbrauen (mhd. brouwen, briuwen, ahd. bruwan, briuwan). Das Brauen von Bier war nach german. Tradition Sache der Hausfrauen, zu deren Mitgift alle Brauutensilien gehörten. Bierbrauen wurde auch noch im Frühmittelalter im Rahmen der Selbstversorgung in den Haushalten und in den Braustuben der Fronhöfe besorgt. Die Mönche bestritten zu dieser Zeit ihren Bierbedarf aus dem Bierzins der abgabepflichtigen Eigenleute. Als der Bedarf für die Gastung von Reisenden, Pilgern, Armen und Kranken und für die eigene Stärkung während der Fastenzeit (“liquidum non frangit ieiunium”/”Flüssiges bricht Fasten nicht”) größer geworden war, richteten sich die Klöster eigene Brauereien ein. Im deutschsprachigen Raum waren die Benediktiner die ersten, die nach dem Vorbild der irischen Kolumbaner-Mönche eigenes Klosterbier brauten. Als erste dt. Klosterbrauerei gilt die von St. Gallen, zu dessen Klosterwirtschaft um 820 drei kombinierte Back- und Brauhäuser nebst Darre, Malzquetsche, Kühl-, Gär-, Lagerräumen und Böttcherwerkstatt zählten. Klosterbier wurde gebraut als Starkbier (celia; Paterbier; Paternus; aus Gerste oder Weizen), als schwächeres Alltagsbier (cervisia; aus Hafer) oder als dünner Kofent (lat. conventus; auch cervisia posterior/Nachbier, ein Absud aus dem Rest der Würze stärkerer Biere), je nachdem, ob es für den Abt und hohe Gäste, für den Konvent oder für Kostgänger an der Klosterpforte bestimmt war. Jedem Mönch wurden üblicherweise täglich fünf “Maß” zugemessen, wobei die Maß zwischen einem und zwei Litern schwankte. Im 11. Jh. entstanden die ersten kommerziellen Klosterbrauereien. Bis zum Hochmittelalter war die Zahl der deutschen Klosterbrauereien auf über 500 angestiegen, darunter Weihenstephan in Freising und Weltenburg bei Kehlheim (beide um 1050 gegründet). Deren produktivste stießen jährlich um 4.500 Eimer (zu 60 bis 70 Liter, also rund 300.000 Liter) aus, wovon ein beträchtlicher Teil gewinnbringend verkauft wurde. Von Brauverboten, die anlässlich von Hungersnöten verhängt wurden – das knappe Getreide sollte zu Brot verarbeitet werden – blieben Klosterbrauereien ausgenommen.

War Bierbrauen im Frühmittelalter für den privaten Hausgebrauch betrieben worden, so wurde es in Klöstern und Fronhöfen zunehmend kommerzialisiert. Noch im 9. Jh. kam die Befugnis, Bier nicht nur zu brauen, sondern auch in den Handel zu bringen, unter königl. Recht und konnte als Privileg erworben werden.

In den Städten des Hochmittelalter war Bierbrauen ursprünglich eine Sache der häuslichen Selbstversorgung, auch mit Hilfe von Lohnbrauern. Vom 13. Jh. an entstanden nach dem klösterlichen Vorbild Brauhäuser (lat. bracitoria), welche die Konkurrenz der Klosterbrauereien bald als lästig empfanden, zumal diese kostengünstiger produzieren konnten und keine Steuern auf das Braurecht zahlten. Die Brauergilden griffen mitunter zur Selbsthilfe und brannten Klosterschänken nieder oder sie wandten sich an den Rat oder den Stadtherrn mit der Bitte, das Geschäft der Klosterbrauereien einzuschränken. Tatsächlich kam es auf Geheiß der Landesfürsten zu Schließungen von Klosterbrauereien. Kaiser Sigismund (1410 – 37) erließ ein Verbot des öffentlichen Verkaufs von Klosterbier und der Führung von Bierschänken durch Mönche und Weltgeistliche. Neben den gewerblichen Braustätten bestand in den mittelalterliche Städten weiterhin das Hausbrauen als Privileg (ius braxandi) der Bürger. Gewerbliches wie privates Brauen waren – nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Brandgefahr – streng geordnet und reglementiert. Als älteste dt. Brauordnung gilt die von Augsburg (1155). Brauordnungen regelten Produktions- und Verkaufsrechte, Brauzeiten, Ausstoßmengen, Bierqualität und -preis. Sie sorgten für eine kontinuierliche Auslastung des Braupersonals, für die Wartung des Braugeräts, für die Abnahme des Braueids und für die Beschränkung des Bierimports. Um die einbringsamen Braugerechtsame lagen die Städte häufig im Streit mit den jeweiligen Stadtherren (Fürsten, Bischöfen).

Bierbrauen stand in enger Beziehung zum Brotbacken, schon wegen der gemeinsamen Verwendung von Getreide und der in Backstuben ubiquitären Hefezellen (s. Hefe). In Osnabrück gab es um 1480 neun Brauer (mlat. brasearii, brasiatores), die sich gleichzeitig als Bäcker betätigten. Im übrigen besorgten die Brauherren (fachkundige Inhaber des Braurechts) das Brauen nicht selbst, sondern beschränkten sich auf Beaufsichtigung und Vertrieb. Für die Arbeit im Brauhaus wurden Brauknechte eingestellt, die keiner besonderen Ausbildung bedurften. Soweit sie nicht als Tagelöhner beschäftigt wurden, entstammten sie Berufen, die mit der Brauerei in Verbindung standen, waren hauptberuflich etwa Böttcher oder Fassbinder. In ausgesprochenen Bierstädten mussten sie im Braueid beschwören, das städtische Territorium nicht zu verlassen: man wollte sich so vor Weitergabe der Braugeheimnisse an die Konkurrenz sichern.

Vom 13. bis zum 16. Jh. war Bierbrauen überwiegend in Norddeutschland beheimatet. Hamburger Bier etwa wurde in Riga und Danzig, in Rußland und Schweden getrunken. In Süddeutschland wurde traditionsgemäß Wein getrunken. Das Brauen hatte sich anfänglich im Wesentlichen auf Klöster, private Braustuben und nur wenige gewerbliche Brauhäuser beschränkt, neben die im Spätmittelalter eine wachsende Zahl von kommerziellen Braustätten trat. In ausgesprochenen Weingegenden wurde das Brauen mitunter auch gänzlich verboten, so in Würzburg 1434.

(s. Bannmeilenrecht, Braurecht, Handelsgüter)

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