Bordell

Cinque Terre Forest
Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Bordell (aus dem fränk. bord = Brett wurde borde = Bretterhütte, davon leiteten sich das afrz. bordel und das mndl. bordeel ab; im 15. Jh. gelangte der Ausdruck in die deutsche Sprache. Im Mhd. vrouwenhus, sünthus, gemeyn hus. Einige weitere Synonyme waren: Töchterhaus, Jungfernhof, Minnehaus, offenes und freies Haus, Rosengarten usf.; lat. prostibulum publicum, lupanarium). Vorläufer der städt. Freudenhäuser waren die frühmittelalterliche “Taubenhäuser” (lat. columbaria; auch Genecia) der Grundherren, in denen hörige Frauen und Mädchen neben Spinnen und Leinweben wenigstens gelegentlich auch zur Prostitution gezwungen wurden. In präurbaner und frühstädtischer Zeit wurde die Prostitution durch varnde frouwen ausgeübt. Vom Ende des 12. Jh. an wurden vom städtischen Rat, vom Landesherrn oder von kirchl. Institutionen städtische Bordelle eingerichtet, die unter der Leitung einer Frauenwirtin oder eines Hurenwirts standen. (Der niedere soziale Stand des Hurenwirts erhellt aus der Tatsache, dass er oft auch das Henkersamt versah.) Frühe Belege gibt es für Augsburg (1273), Hamburg (1292) und Zürich (13. Jh.). Bordelle waren befriedete Häuser, Unruhestifter “verfielen zweifacher Strafe”. Sie lagen meist an der Stadtmauer (deswegen “murhus” genannt) und an Straßen, denen man euphemistische Namen gegeben hatte wie Rosengasse, Rosenberg, Rosental. Sie hatten üblicherweise zwei Eingänge und umfassten die Wohnung des Wirts, mehrere Gewerberäume, Küche und Essraum, später auch einen gemeinsamen Schlafraum für die Dirnen. Bordelle wurden erst von den Zeiten der großen Epidemien an als geschlossene Häuser geführt, in denen die Dirnen gleichsam kaserniert waren und vom Hurenwirt mitunter auch zum Spinnen von Garn gezwungen wurden. Vorher wohnten sie in “verrufenen” Straßen oder Quartieren, gingen bei hellem Tag auf den Straßen und in den Wirtshäusern auf Kundenfang, und führten ihren Freier ins Bordell, wo man, bevor es zur Sache ging, meist noch kräftig tafelte. Bordellähnliche Einrichtungen waren vielfach auch Badhäuser, die unter dem Aushängeschild der Reinlichkeit ein eher anrüchiges Gewerbe beherbergten. Privilegierte Frauenhäuser wurden von der Stadtobrigkeit gerne herangezogen, um sich durchreisende Große geneigt zu machen. Bei diesen Gelegenheiten durften die Dirnen keinen Lohn annehmen; ihre Dienste wurden auf dem Kerbholz vermerkt und später abgerechnet.

Die Betreiber von Dirnenhäusern hatten neben den lukrativen Einkünften noch soziale und hygienische Ziele im Visier: die sexuelle Triebhaftigkeit der ungebärdigen männlichen Jugend sollte kanalisiert werden; ebenso sollten Durchreisende und Ortsfremde nicht auf die ehrbaren Frauen und Mädchen der Stadt als mögliche Sexualpartner angewiesen sein. Ehemänner, Knaben unter 14 Jahren, Juden und Kleriker waren zwar offiziell vom Bordellbesuch ausgeschlossen, doch wurde die Einhaltung dieser Regel nicht allzu streng überwacht – nahm man doch an, dass Ehebruch und Jungfernschändungen so eher hintangehalten würden, dass der städtische Friede so den geringeren Schaden nähme. Einzig die Juden hatten mit schwerer Bestrafung zu rechnen; meist wurden sie auf Lebenszeit der Stadt verwiesen. Nicht der geringste Vorteil der kontrollierten Prostitution war, dass infolge regelmäßiger Überwachung der Dirnen durch Hebammen die Ausbreitung von Seuchen und Geschlechtskrankheiten so gering wie möglich gehalten wurde. Dirnen hatten einmal wöchentlich ein Badhaus aufzusuchen; zu diesem Zweck gab es mancherorts (z.B. in Ulm) eine eigene Badstube. Sma. Verordnungen betrafen neben anderem auch die Öffnungszeiten: An Werktagen musste – abweichend von der üblichen Polizeistunde – erst um 23 Uhr geschlossen werden; an Sonntagen, an Marienfesten, während der Fastenzeit, zumindest jedoch in der Karwoche, und an den wichtigsten Heiligentagen hatten Frauenhäuser geschlossen zu bleiben. Schwangere Frauen durften nicht als Buhlerinnen beschäftigt werden. Die Dirnen durften weder Schmuck noch aufwendige Kleidung tragen, mancherorts mussten sie sich durch Stoffstreifen in diffamierenden Farben kenntlich machen.

Am Florieren des Sexgewerbes war auch die Kirche interessiert. So ließ Papst Sixtus IV. (1471-1484) in Rom Bordelle einrichten, aus deren Ertrag er sich jährlich 80.000 Dukaten gutschreiben konnte.

Als sich im ausgehenden 15. Jh. die Syphilis seuchenartig ausbreitete, ging die große Zeit der Frauenhäuser – wie die der Badhäuser – zu Ende.

(s. Prostituierte)

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