Ketzer

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Ketzer (das mhd. Wort ketzer, kether erscheint im 13. Jh.; wahrsch. v. ital. gezzari, aus grch. katharoi = die Reinen, Bezeichnung für Mitglieder der mittelalterliche Sekte der Katharer. Berthold von Regensburg leitet “Ketzer” von “Katze” ab, galten Katzen doch als Symboltier der Ungläubigen. Manche mittelalterliche Chronisten wenden die Synonyme “Epikureer” oder “Manichäer” auf alle Glaubensabweichler an. Ma. Prediger sprachen von “Abgesandten des Teufels”, “Kindern der Finsternis” oder “räudigen Schafen inmitten der gläubigen Herde”.) Einzelpersonen oder Gemeinschaften, die – obwohl dem Christentum anhängend – kath. Lehrsätze bezweifelten oder neue Beweisgründe für diese vorbrachten, abweichenden Glaubenssätzen anhingen oder offene Kirchen-, Kultur- oder Sozialkritik betrieben, wurden kirchlicherseits mit dem diffamierenden Namen “Ketzer” (oder “Häretiker”; s. Häresie) belegt. (In der “Vita Columbani” über einen Ketzer: “… confutator veritatis et novorum introductor argumentorum.”) Schon in der Alten Kirche wurden Ketzer angeprangert und verfolgt, besonders aber nach 391, als das Christentum Staatsreligion geworden war. Von nun an war die Ketzerverfolgung auch Sache des Staates; die Strafen reichten von Güterkonfiskation, Aberkennung der Bürgerrechte, Verbannung bis zur Todesstrafe. Als todeswürdig galt “Ketzerei”, weil der Delinquent einem Fälscher im schwersten Falle gleichzusetzen war – fälschte er doch die wahre Lehre; zudem war er als Mörder zu bestrafen, tötete er doch die Seele, indem er ihr die Aussicht auf ewiges Heil nahm. Ma. Kirchenrechtler unterschieden zwischen dem Urheber und Verkünder einer Irrlehre (Häresiarch) und jenen, die einer Irrlehre anhingen und sie verteidigten. Die volle Schärfe kirchlicher wie weltlicher Ketzergesetze traf nur die Ersteren.

Zu den wegen Ketzerei verfolgten – dabei zumeist christlich-fundamentalistischen – Gemeinschaften zählten Arnoldiner, Beg(h)arden, Bogomilen, die ®”Brüder und Schwestern vom Freien Geist”, Humiliaten, Hussiten, Katharer (Albigenser), Nikolaiten, Ortlieber, Patarener, Lollarden, Waldenser sowie die Anhänger von Averroismus, Donatismus und Manichäismus u.a.m. Bei der Anhängerschaft von Ketzern unterschied man: den eifernden, öffentlichen Bekenner (celerator haereticorum), den geheimen Anhänger (occultator h.), denjenigen, der Ketzer beherbergte (receptator h.), denjenigen, der Ketzer verteidigte oder nicht pflichtgemäß verfolgte (defensores h.) und den, der Ketzer irgendwie mit Rat und Tat unterstützte (fautor h.). Die Härte der Urteile gestaltete sich je nach Sachlage; härteste Strafen galten den rückfälligen Ketzeranhängern (relapsi).

Im weiteren Sinn wurden im Mittelalter je nach Interessenlage kirchlicher oder weltlicher Mächte auch Hexerei, Magie oder Immoralität der Häresie zugeordnet; auch die sektiererischen Fraticellen (s. Franziskaner), missliebige Kaiser oder rivalisierende Päpste wurden als Ketzer apostrophiert. Generell galt: Ketzer ist, wen eine der kirchlichen oder weltlichen Autoritäten dazu erklärt. Bei ihrem Urteil konnten sich die Ketzerjäger des Mittelalter stets auf die Ketzerlehren des hl. Augustinus (“De haresibus”; eine Auflistung von 88 Ketzereien) stützen und auf die des hl. Thomas von Aquin. Nach dessen moralischer Grunddefinition waren Hochmut und Ruhmsucht die Wurzeln aller Ketzerei (“Omnis hereticus superbus est”); ihnen entspringen Heuchelei, Ungehorsam, Besserwisserei, Anmaßung und Hartnäckigkeit.

In der Kunst des Mittelalter wurden Ketzer und Ketzereien durch ein hässliches nacktes Weib, durch unter der Herde der Gläubigen wütende Wölfe oder durch andere negativ besetzte Tiersymbole dargestellt, wie Katze, Frosch, Esel, Kentaur, Sirene, Fuchs, oder das Mischwesen Manticora (mit Löwenkörper, Menschenkopf, dreifachen Zahnreihen und stacheligem Schwanz).

(s. Epikureer)

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