Kleiderordnung

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Kleiderordnung. Die territoriale und städtische Gesetzgebung des Mittelalter befasste sich seit dem 13. Jh. regelmäßig (davor sporadisch) mit der Kodifizierung von Bekleidungszuschnitt, Stoffauswahl, Farbgebung und schmückendes Beiwerk; im 14. und 15. Jh. wurden Fragen der Kleiderordnung sogar auf Reichstagen behandelt. Nur wenige Punkte der Kleiderordnungen betrafen den Adel (etwa bezüglich des Tragens von Purpurgewändern oder von Hermelinpelz), weit überwiegend galten sie der Nachahmung prestigeträchtiger höfischer Mode durch Nichtadlige. Weitere Zielsetzungen für derartige Gesetze waren Erhaltung von Sittlichkeit und Moral sowie der ständischen Ordnung, Kenntlichmachung von Randgruppen (Spielleute, Vaganten, Juden, Dirnen), Steuerung von Gruppeninteressen (etwa der Studenten und Professoren oder der Handwerksgesellen) und ökonomische Steuerung (Vermeidung wirtschaftlichen Ruins durch übertriebenen Modeaufwand). Übertretungen wurden zwar mit Strafe bedroht, die Wirksamkeit der Kleiderordnungen dürfte aber eher zweifelhaft gewesen sein, wie deren wiederholte Neuerlasse nahelegen. So sollten z.B. Studierende gemäß der mittelalterliche Universitätsstatuten in klerikaler Tracht (vestitus clericalis s. scholasticus) daherkommen, in langem, talarähnlichem Rock von dunkler Farbe und dazugehörigem langen Mantel mit Kapuze und Gürtel. Stattdessen kleideten sie sich – wie wiederholte Strafandrohungen belegen – “in untzuchtiger, ungepurlicher claydung …”, mit Schnabelschuhen, auffallend kurzem Rock und allerlei geckenhaftem Brimborium. Das Konzil von Trier (1227) sah sich veranlasst, Mönchen und Nonnen weltlichen Kleiderluxus und modischen Schmuck zu untersagen. Im Bayerischen Landfrieden von 1244 wurde den Bauern vorgeschrieben, billige und graufarbene Stoffe für die Kleidung zu verwenden. Unzulässige bunte und kostbare Kleidungsstücke sollten eingezogen werden. Die Kölner Synode von 1337 untersagte Klerikern das Auftreten in modischer, übertrieben bunter Kleidung. In der Göttinger Kleiderverordnung von 1354 wurde das Tragen von kostbarer Kleidung und Schmuck von der Steuerleistung der Männer abhängig gemacht. Zuwiderhandelnde mussten Pferde für städtische Dienste unterhalten. Göttinger Kleiderordnungen von 1461 und 1468 setzten als Strafe die Ausbesserung oder Neuerrichtung einer halben Rute (ca. 1.80 m) der Stadtmauer mit Kalk und Steinen (Mauerstrafe). Die Zürcher Kleiderordnung von 1357 untersagte Frauengewänder mit aufgenähtem Gold, Silber oder Edelsteinen, das Tragen von Schnabelschuhen und langgeschwänzten Kapuzen. Jede Zuwiderhandlung sollte mit einer Geldstrafe von 10 Schilling Pfennig geahndet werden. Eine Konstanzer Kleiderordnung von 1390 verbot das Tragen von Hauben, deren Perlen-, Edelstein-, Gold- und Seidenschmuck teurer als 50 Gulden (!) war. Wenn man bedenkt, dass man nach damaligem Geldwert für einen Gulden 100 Pfund Rindfleisch kaufen konnte, begreift man, dass sich die Gesetzgeber gehalten sahen, ärgerniserregende Prunksucht zu unterbinden. Die Bekleidungsvorschriften hatten nicht nur keine durchschlagende Wirkung hinsichtlich einer geringeren modischen Verschwendungssucht (“wart wenig geholden”), sie setzten vielmehr für jeden Stand eine obere Grenze des Aufwands, die dann als erstrebenswerter Standard angesehen wurde. Verordnungen richteten sich nicht nur gegen Prunksucht, sondern auch gegen das freigebige Zurschaustellen weiblicher Reize (s. Dekollete).

Kleiderordnungen richteten sich gelegentlich auch gegen demonstrativ zur Schau gestelltes politisches Gemeinschaftsgefühl. So bestimmte z.B. die Rheinische Knechtsordnung von 1436, dass nicht mehr als drei Gesellen gleichartige “kugelhüte, roeck, hosen noch andere zeichen miteinander tragen”.

Randgruppen waren von stigmatisierenden Kleiderordnungen betroffen: Dirnen mussten mancherorts rote Kapuzen oder Schleier, anderswo gelbe Tücher oder Säume tragen, damit “man sie kente vor andern frawen”, “daz man sie erkenne”. Spielleute, Gaukler, Possenreißer mussten sich durch auffällige Kleidung kenntlich machen, “damit die ehrlichen Leute sich desto leichter vor Schaden hüten können”. Juden war (erstmals 1180) das Tragen des Judenhutes (cornutus pileus) vorgeschrieben, eines gelben spitzen Hutes mit abschliessendem Knauf. Ketzer hatten sich durch ein an Rücken und Brust getragenes gelbes Kreuz kenntlich zu machen. (Die Farbe Gelb diente seit dem 12. Jh. als Negativfarbe zur diffamierenden Kennzeichnung.).

Da sich Kleiderordnungen stets als wenig wirksam erwiesen hatten, ging man im 15. Jh. allmählich von derlei Verfügungen ab.

(s. Luxusordnungen, Mode)

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