Liebeskrankheit

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Liebeskrankheit (im MHD. umschrieben mit minnesiech, minnewunt, unsinnecheit, narrecheit, torheit, wanwizze, tobesuht u.a.m.; lat. morbus amatoris, amor hereos, amoris miseria; hereos = vulgärlat. Form von eros). Die mittelalterliche Medizin folgte zunächst antiken Theoretikern,suchte die Ursache des Leidens in der Säftelehre (Dyskrasie) und brachte es mit der melancholia in Verbindung. Der Arzt Petrus Hispanus (13. Jh.) schreibt: “Liebe ist eine Geisteskrankheit, aufgrund derer der Lebenshauch ins Leere schweift, wobei sich häufig Schmerzen mit Freude mischen. … Die Zeichen dieses Leidens sind depressive Gedanken, ein gelbes Gesicht, unbegründete Traurigkeit, tiefliegende, unstete Augen, tiefe Seufzer …” (Zit. bei P. Dinzelbacher). — Der franz. Arzt Bernhard von Gordon (13./14. Jh.) hält die Liebeskrankheit für eine Wohlstandsseuche der Herrschenden, und sie befalle häufiger Männer als Frauen. – Der span. Gelehrte Arnold von Villanova (13./14. Jh.) nahm als Ursache der “amor qui heroycus nominatur” (heroycus zu eros) eine organische Störung in Form einer Austrocknung des dritten Hirnventrikels an, die durch den überhitzten “spiritus desiderativus” bedingt sei und ohne Behandlung tödlich ende. (“Spiritus desiderativus” nannte man in Anlehnung an Avicenna jene hauchartige Substanz, deren Vorhandensein im Hirn die Geschlechtslust hervorruft.) Im Übrigen erkannte man in seelischen Störungen eine Besessenheit, bedingt durch eine Strafe Gottes oder durch Schadenzauber.

Als Symptome der L. nannte man tiefliegende, “hohle” Augen, Appetitlosigkeit, Unruhe, Schlaflosigkeit, Wechsel der Gesichtsfarbe von Blässe zu Röte und der Temperaturempfindung von Kälte zu Hitze, depressive Verstimmtheit und monomane Konzentration auf die geliebte Person.

Abhilfe suchte man zu schaffen durch Ablenkung, durch Ableitung überschüssiger Körpersäfte (sei es durch Aderlass oder häufigen Koitus) und durch Exorzismus.

Fern von theoretischen Spekulationen sehen die Menschen des Mittelalter ihr Angezogensein von Geschlechtspartnern zwiespältig: einmal als von satanischer, ein ander Mal als von himmlischer Macht bewirkt. Galt doch die sexuelle Lust als eine Folge des Sündenfalls, wogegen Liebe als göttliche Gabe angesehen wurde.

In der Malerei versinnbildlichten die Liebespfeile des Amor oder der Venus das Zustandekommen des Liebesleids.

Die Krankheit wurde thematisiert u.a. in Heinrich von Veldekes Aeneas-Roman “Eneit” und im “Tristrant und Isolt” des Eilhard von Oberge sowie in der Vagantenlyrik.

(s. Geisteskrankheiten, Liebe, Seelenschmerzen)

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