Mode

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Mode (von lat. modus = Art, Maß; das Wort gelangte im 16. Jh. aus Italien und Frankreich nach Deutschland). Die zu einer bestimmten Zeit aktuelle Art sich zu kleiden, die Wahl von Zuschnitt, Stoffart und Farbe, vom Kopfputz bis zum Schuhwerk, wurden im Mittelalter vom Adel bestimmt – Angehörige des Adels allein hatten dafür Mittel,Muße und Anregungen genug. Manche Einzelheiten (etwa Knopf und Öse) wurden im Gefolge der Kreuzzüge aus dem Orient, aus byzantinischen, süd- und südwesteuropäischen Kleiderformen übernommen. Insgesamt überwogen bis zum 12. Jh. schlichte, dabei höchst kultivierte Formen. Danach kam es – gefördert durch das Heranwachsen eines kapitalkräftigen Bürgertums, durch neue Stoffe, durch die Erfindung der Schnürung und des Schnitts sowie durch zunehmende Vielfalt der Textilfarben – zu einem rasanten Anwachsen modischer Extravaganzen. Diese wurden vor allem von der Jugend aufgegriffen und auf bizarre, gar anstößige Weise übertrieben und waren Ansatzpunkt der Kritik asketischer Sittenprediger, wie z.B. des Franziskaners Berthold von Regensburg: “So habent die frouwen mit dem gelwen gebende groezer arbeit, denne die diemüeteclech ein wizez treit, wan ir eteliche legent daz jar wol halbezu dar an, niur an daz gebende, niur an sleir” (So haben die Frauen mit dem gelben Gebende mehr Arbeit als die, die demütig ein weißes trägt, weil etliche von ihnen das halbe Jahr nur für Gebende, nur für Schleier drangeben). Als modische Kleiderzier aufgewertet wurden funktionale Teile wie Gürtel (s. Dusing), Schließen oder Beutel (s. Beutler). Die Zaddelung (das Säumen in Zacken-, Girlanden- oder Zinnenform; mhd. zersnitzeln, zersniden) wurde um die Mitte des 15. Jh. von der Verbrämung mit kostbarem Pelzwerk abgelöst. Da sich der Reiz eines neuen Kleides, sobald dessen Zuschnitt Allgemeingut geworden war, alsbald verlor, waren modebewusste Leute gezwungen, sich immer wieder neue Finessen einfallen zu lassen.

Gegen übertriebenen modischen Aufwand reicher, geltungssüchtiger Bürger wandte sich nicht nur kirchliche Kritik, sondern auch die ständischen Kleiderordnungen. Weitgehend unkritisiert blieb dagegen der vorbildgebende Modeluxus des Adels. Modische Effekte fassten selbst in ritterlicher Rüstung Fuß: Waffenrock, Helmzier oder Helmdecke wurden immer bunter und aufwendiger gestaltet, ebenso die Pferdedecke (rossekleit). In der Gotik machte sich beim Harnisch die Vorliebe für lange, spitz ausgezogene Formen bemerkbar, beispielsweise bei der spitzen Schnauze der Hundsgugel, den überlangen Spitzen der Eisenschuhe oder bei den Stacheln an den Gelenkplatten. In der Spätgotik wetteiferten die Plattner bei der künstlerischen Oberflächengestaltung der Harnischplatten.

Fast gänzlich ausgeschlossen von der Teilnahme am modischen Wandel blieb der Bauernstand. Kleiderordnungen, die sich gegen einen vorgeblichen Kleiderluxus der Bauern wenden, sind wohl eher prophylaktisch gedacht als gegen bestehende Unsitten gerichtet. Auch die ständesatirische Geißelung bäuerlicher Prunksucht sollte nur die herkömmlichen Standesgrenzen sichern und der Verächtlichmachung des Bauern dienen. Dass einige reiche Bauern auf provokante Weise adlige Mode nachzuahmen suchten, kann angenommen werden.

Nach den Nöten der Pestzeit regte sich in der zweiten Hälfte des 14. Jh. neue, überschäumende Lebensfreude, die nicht zuletzt in der Kleidermode Ausdruck fand. Die Kleidung wurde eng auf den Leib geschnitten, die Geschlechtszugehörigkeit auf geradezu schamlose Weise betont. Dies wiederum erregte scharfe Kritik der Geistlichkeit und führte zu entsprechenden Reglementierungen durch die weltliche Obrigkeit bezüglich Dekollete (mhd. heubtfinster) und Hosenlatz (mhd. schamgewant).

Angehörige des Gelehrtenstandes (z.B. Professoren, Juristen, Ärzte, Theologen, Ratsherren, Stadtschreiber) enthielten sich – wenn auch aus anderen Gründen – ebenfalls modischer Kleidung: Als ihrer Würde angemessen galten lange oder wenigstens knielange, weite Gewänder. Aus wiederholten Klagen und Reglementierungen geht hervor, dass auch Kleriker, Mönche und Nonnen seit dem 14. Jh. dazu neigten, dem Kleidungsluxus der Laien nachzueifern. Auf den Kölner Synoden von 1360 und 1371 musste beispielsweise den Nonnen untersagt werden, Kleidung aus vielfarbigen Stoffen oder einen Kruseler zu tragen und das Haar mit aufwenigen Haarnadeln aufzustecken.

Im 15. Jh. breitete sich vom vorbildgebenden burgundischen Hof her die Mode aus, Angehörige des Hofstaates in gleichfarbige Gewänder zu kleiden und mit den Zeichen der jeweiligen Herrschaft zu schmücken. Diese Gepflogenheit wurde später auch für städtische Amtspersonen und für Kriegsknechte übernommen. Modeideal war nicht mehr der lose Faltenwurf, sondern die Betonung der Körperform. Im Alltag trug der elegante Herr das an Schultern und Brust stark ausgepolsterte Wams mit enger Taille und kurzem Faltenschoß, dazu eng anliegende Strumpfhosen. Als Mantel kam die glockenförmige Heuke (ndl.) oder die bodenlange, weite, gegürtete Houppelande in Mode (frz., benannt nach den in den südschottischen Uplands getragenen Mänteln). Beide wurden zunächst nur von Herren, später von beiden Geschlechtern getragen. In der Damenmode stach vor allem die Schleppe des Oberrockes ins Auge, die bei Hochstehenden so lang war, dass sie von Dienerinnen getragen werden musste; weniger Vornehme konnten die entsprechend kürzere Schleppe selbst – über den Arm gelegt – tragen.

Wechselnden Modeströmungen waren auch Schmuck und Verhaltensweisen (Umgangsformen, Essgewohnheiten, gesellschaftliche Rituale) unterworfen, wogegen das höfische Idealbild einer hochgewachsenen, schlanken Gestalt mit schön geformten Gliedern und blondem Haar unverändert blieb (s. Ästhetik).

(s. Amtstracht, Ärmel, Barttracht, Beinlinge, Eitelkeit, Gebärden, Gugel, Haartracht, Harnisch, Kleiderordnung, Kleiderstoffe, Kleidung, Kopfbedeckung, Mantel, Mi-parti, Pelze, Rasur, Schleier, Schmuck, Schneider, Schuhe, Umgangsformen, Unterkleidung)

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