Nibelungenlied

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Nibelungenlied (Nibelungen = urspr. Bewohner des unterweltlichen Schattenreiches Niflheim, die dort einen Schatz, den Hort der Nibelungen, hüten). Mhd. Heldenepos in lyrischer Strophenform, entstanden aus der Verbindung mehrer germanischer Sagen und Gesänge um niederrheinische, burgundische, hunnische und ostgotische Gestalten der Völkerwanderungszeit. Die ursprünglich gesungenen oder rezitierten Texte ließ Bischof Wolfger von Passau um 1200 durch einen unbekannten Dichter bearbeiten und niederschreiben, wobei die Handlung in die Zeit des höfischen Rittertums versetzt wurde. Die Original-Handschrift ist nicht erhalten; das Werk liegt in mehr als 30 – teils fragmentarischen – Pergamenthandschriften des 13. – 16. Jh. vor, deren Texte zwar in Teilen voneinander abweichen, jedoch den gemeinsamen Ursprung stets erkennen lassen. Die drei wichtigsten hat Prof. Karl Lachmann mit den Buchstaben A, B und C bezeichnet. (A, aus dem 4. Viertel des 13. Jh., die kürzeste, aus Hohenems, jetzt in München; B, 2./3. Viertel des 13. Jh., die dem Original am nächsten stehende HS, in St. Gallen; C, 2. Viertel 13. Jh., ebenfalls aus Hohenems, jetzt in Donaueschingen, die längste der drei Fassungen. A und B stellen die ursprünglichere, als “Der Nibelunge Not” bekannte Fassung, C die daraus hervorgegangene höfische Fassung “Der Nibelunge Lied” dar.) Das Lied war bis ins 15. Jh. allgemein bekannt und wurde von fahrenden Sängern vorgetragen; im 16. Jh. geriet es in Vergessenheit und wurde erst im 18. Jh. wieder entdeckt und von der damals herrschenden patriotischen Strömung begeistert aufgenommen.

Das Nibelungenlied berichtet in ca. 2.400 vierzeiligen Langzeilenstrophen, die auf 38 Aventiuren verteilt sind. Die ersten 19 Strophen, ursprünglich wohl nur als Einleitung gedacht und allmählich erweitert, erzählen von der Jugend des Königssohnes Siegfried (Siefrit) aus den “Niederlanden”, von seinem siegreichen Drachenkampf, dem Bad im Drachenblut und von dem Gewinn des Nibelungenschatzes, von seiner Werbung um die burgundische Königstochter Kriemhilt und von der Vermählung mit ihr, nachdem er ihrem Bruder Gunther durch List geholfen hatte, die starke Brünhild zu besiegen. Ferner von der tödlichen Beleidigung Brunhilds (Prünhilts) durch Kriemhilt, von Siegfrieds Ermordung durch Hagen und davon, wie dieser den Nibelungenschatz im Rhein versenkt. Der zweite Teil erzählt von Kriemhilts Heirat mit dem Hunnenkönig Etzel (Attila) und von ihrer grausamen Rache an den Burgunden in Etzels Burg (im ungarischen Gran). Das Nibelungenlied wird nach den Schlussworten seiner letzten Strophe auch “Der Nibelunge Not” genannt. Da es hauptsächlich das Schicksal der Kriemhilt zum Inhalt hat, wäre es schlüssiger, es nach ihr zu benennen, wie es der Schreiber der Ambraser Handschrift (frühes 16. Jh.) tut: “ditz buech heisset Kriemhild”. An die “Not” schließt sich in einigen Handschriften die sogenannte “Klage” an, benannt nach einer Nennung im Schlussvers (“ditze liet heizet diu klage”). Sie wurde wohl von einem Kleriker aus dem Passauer Donauraum verfasst und stellt eine kommentierende Fortsetzung des Nibelungenliedes in ca. 4.350 kurzen Reimpaarversen dar. Die Klage bringt zunächst eine Kurzfassung des Geschehens von Kriemhilts Heirat bis zum Untergang der Burgunden, danach berichtet sie von Totenklage, Bestattung der Helden, Benachrichtigung der Hinterbliebenen in Bechelarn, Passau und Worms, sowie vom Herrschaftsantritt von Brünhilds und Gunthers Sohn.

Der Nibelungenstoff, der nur zu geringem Teil auf historischen Begebenheiten aufbaut, wurde außer in der deutschen Dichtung auch in derjenigen nordischer Länder verarbeitet. Die handelnden Charaktere sind noch nicht christl. geprägt: heroische Schicksalsergebenheit, absolute Gefolgschaftstreue und gnadenlose Blutrache sind ihre Leitmotive. Auch die höfische Zucht findet noch kaum Niederschlag: die Recken sind schneller mit dem Schwert als mit dem Wort, selbst Frauen neigen eher zu List und Rache als zu huldvoller Milde.

Die metrische Form des Nibelungenlieds gleicht der des einst singbaren Heldenlieds (s. Nibelungenstrophe). Ein Textbeispiel:

Bild:nibelungenlied.jpg

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