Quedlinburg

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Quedlinburg. Am Westrand des Harzgebirges lag an dem Flüsschen Bode, einem linken Zufluss der sächs. Saale, im 10. Jh. der Stammsitz der Billunger, der später an die Liudolfinger überging und unter Heinrich I. zur Königspfalz ausgebaut wurde (erstmals erwähnt 922 als Quitilingaburg). 925 nutzte Heinrich I. einen Waffenstillstand mit den Ungarn, um befestigte Fluchtburgen für die Landbevölkerung anzulegen. Im Zuge dieses Befestigungsprogramms wurde neben Duderstadt, Goslar, Gandersheim, Merseburg, Nordhausen auch Quedlinburg zur Burg ausgebaut. (In diesen festen Orten musste ein Drittel der Ernte eingelagert werden, musste sich jeder 9. Mann von des Königs Dienstleuten ansässig machen.) Heinrich I. bestimmte die Pfalzkapelle auf dem Quedlinburger Burgberg zu seiner künftigen Grablege. Bald nach Heinrichs Tod (936) gründete Heinrichs Witwe Mathilde ein reichsunmittelbares Kanonissenstift auf dem Burgberg. Es sollte der Erziehung und Versorgung von Töchtern des Hochadels dienen. Dieses schon aufgrund seiner kaiserlichen Gründung höchst einflussreiche Stift erfuhr unter Otto I. bedeutende Aufwertung durch die Überführung der Gebeine des hl. Servatius aus Maastricht (961), Anlass für den Bau der ersten Stiftskirche (geweiht 997). 900 Jahre lang sollten die Quedlinburger Äbtissinnen die Geschicke der Stadt bestimmen. Auf dem Quedlinburger Hoftag zu Ostern 966 wurde Ottos elfjährige Tochter Mathilde zur Äbtissin des Stiftes geweiht. 972 hielt Otto I. Reichstag zu Quedlinburg und empfing die Huldigung der Herzöge von Polen und Böhmen. (Zwischen 922 und 1207 haben insgesamt 69 Besuche deutscher Könige und Kaiser in Quedlinbrg stattgefunden.)

Unterhalb des Burgbergs und in dessen Schutz siedelten die dem Stift zuarbeitenden Landarbeiter, Gärtner und Handarbeiter, direkt vor dem Schlosstor lagen die Häuser der Stiftsgeistlichen und -beamten. Bald entstanden auch zwei Kaufmannssiedlungen, die sich gemeinsam ummauerten, nachdem Otto III. 994 seiner Tante, der Äbtissin Mathilde, Markt-, Münz- und Zollprivilegien verliehen hatte. 1070 wurde die Stiftskirche durch einen Brand zerstört, konnte jedoch auf den gleichen Grundmauern neu errichtet und 1129 im Beisein Kaiser Lothars erneut geweiht werden. Der Bau erscheint als dreischiffige Basilika mit kurzem Querhaus, ausgeschiedener Vierung, sächs. Stützenwechsel und flacher Holzdecke. Unter dem hohen Chor findet sich eine weiträumige Hallenkrypta, in deren Westteil noch Teile des Vorgängerbaus erhalten sind. Die Kirche gilt als eine der schönsten der ottonischen Baukunst. 1308 wurde die roman. Apsis abgebrochen und bis 1347 durch einen gotischen Polygonchor ersetzt. (In den 30er Jahren des 20. Jh. wandelten die Nazis das Innere des got. Chores wieder in eine roman. Apsis um.) Von den beiden geplanten Türmen der Westfront wurde der im 11./12. Jh. der nördliche vollendet, der südliche sollte erst im 19. Jh. entstehen.

Um 1220 war die alte Stadt zu eng geworden, es entstand die planmäßig angelegte Neustadt (“nova civitate”) vor den östl. Mauern der Altstadt. 1310 findet erstmals ein Rathaus Erwähnung. 1426 trat Quedlinburg als wohlhabende Handelsstadt der Hanse bei, unterstand jedoch auch weiterhin der Herrschaft der Äbtissinnen des adligen Frauenstifts. 1440 wurde auf dem Marktplatz ein Roland aufgestellt, Zeichen des Selbstbestimmungswillens der Bürgerschaft. Im Sommer 1477 versuchten die Quedlinburger, sich dem Regiment der Äbtissin Hedwig, Herzogin von Sachsen, mit Waffengewalt zu entziehen, mussten jedoch vor den anrückenden Heerhaufen der Sachsenherzöge Ernst und Albrecht kapitulieren. Der Roland am Marktplatz wurde gestürzt, der Rat verlor seine Privilegien, die Mitgliedschaft in der Hanse wurde beendet.

Von den mittelalterliche Profanbauten Quedlinburgs haben sich Teile der Wehranlagen (ab 1310) erhalten, sowie einige Fachwerkhäuser (deren ältestes ein Ständerbau aus der ersten Hälfte des 14. Jh. ist; die meisten der 1.300 Fachwerkhäuser der Stadt sind dagegen nachmittelalterlich). Sakralbauten der Stadt sind außer der Stiftskirche St. Servatius: St. Wiperti (9. – 11. Jh., wegen seiner Umgangskrypta besonders interessant), St. Nikolai (in der Neustadt, dreischiffige got. Halle, über roman. Vorgängerbau), die Marktkirche St. Benedikti (1233 als Ecclesia forensis beurkundet, got. Hallenkirche über roman. Vorgängerbau), St. Aegidii (spätgot. Hallenkirche im nördl. Teil der Altstadt) und St. Blasiii (im Süden der Altstadt, achteckiger Barockbau zwischen roman. Turmunterbau und got. Ostgiebel).

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