Schmerz

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Schmerz (mhd. smerze, pin, pinede, leide, we, wehe; lat. dolor, passio; grch. álgos). Durch Erregung von Schmerzrezeptoren hervorgerufenes subjektives Missempfinden verschiedenster Art und Intensität. Denker der grch. und röm. Antike unterschieden zwischen körperlichem (dolor) und seelichem Schmerz (aegritudo). Hier soll nur von Ersterem die Rede sein.

Aristoteles lehrte, dass der Sitz der Schmerzempfindung im Herzen als dem Zentrum der Sinne liege. Nach Hippokrates sollte ein Ungleichgewicht der Körpersäfte die Schmerzursache sein. Beide Ansichten waren noch im Mittelalter verbreitet.

Christl. Theologen sahen die irdischen Schmerzen des Menschen als gerechte göttliche Strafe für den Sündenfall an, die durch die Erbsünde perpetuiert wird. Verdienstvoll sei das gottergebene Ertragen von Schmerz, auch von solchem, den man sich selbst zur Sühne zufügt (s. Flagellanten). Als verdienstvoll galt auch die mitleidende Versenkung in die Schmerzen Christi und in das Leid der Gottesmutter (s. Kreuzigung Christi (Kunstmotiv), Vesperbild).

Die mehr oder weniger starken Geburtsschmerzen (mhd. wewen; lat. dolores) sollten Frauen klaglos ertragen, büßten sie doch damit für die bei der Empfängnis empfundene Wollust.

Die Schmerzbekämpfung war seit jeher Gegenstand laikaler und professioneller Heilkunde. In einem Lehrbuch des arab. Chirurgen Abulcasis (~939 – ~1013) wird Schmerz definiert als “eine körperliche Zustandsveränderung, die dadurch charakterisiert ist, dass sie plötzlich hereinbricht” (Zit. H. Schipperges). Abulcasis nennt eine Reihe von äußerlichen und innerlichen Schmerzursachen und die jeweils adäquate Behandlungsweise.

Medizinische Autoren des Mittelalter sahen die Schmerzursachen im wesentlichen in einer Störung des Gleichgewichts der Kardinalsäfte (mala complexio), wodurch es zu einer Behinderung der Säftebewegung und als deren Folge zur Schmerzempfindung komme. Der Säftestörung suchte man u.a. durch Aderlass abzuhelfen, was bei hypertonie-bedingtem Kopfschmerz durchaus wirkungsvoll gewesen sein kann.

Ärzte des Mittelalter bemühten sich trotz der Ansicht, dass es verdienstvoll sei, Schmerzen geduldig zu ertragen, um die Linderung des Leidens ihrer Patienten. Das “Antidotarium Nicolai” (12. Jh.) z.B. enthält über 70 Schmerzmittel (anodyna) zur innerlichen und äußerlichen Anwendung. Häufigste Bestandteile waren Opium, Bilsenkraut und Alraune, die einzeln oder in Kombinationen verabreicht wurden (s. Drogen, Narkotika, Schmerzbekämpfung).

Die meisten Heilanzeigen betrafen Kopf-, Magen-, Seiten-, Zahn-, Nieren-, Brust- und Wundschmerzen, sowie Schmerzen infolge von Gicht oder Rheumatismus. Vielfältig waren die Applikationsformen: es gab Tränke, Pulver, Pflaster, Umschläge, Mittel zum Einatmen und zum Einreiben, Suppositorien u.a.m. Viele der Verschreibungen dürften wenigstens einen Placebo-Effekt gehabt haben.

Der Volksmedizin waren neben schmerzlindernden Kräuterpräparaten auch physikalische Anwendungen (z.B. warme oder kühle Umschläge, Bäder) und psychisch wirksame Methoden bekannt, wie etwa das Hersagen von Krankheitssegen und Heilsprüchen oder Streicheln bzw. Anblasen einer schmerzenden Körperstelle.

Im Aberglauben sah man Dämonen oder Hexen als Verursacher von Schmerzen und bediente sich der einschlägigen Mittel (s. Dämonenabwehr, Dämonenzauber).

Abschließend sei erwähnt, dass das Zufügen von körperlichen Schmerzen anderen Lebewesen gegenüber zu allen Zeiten für manche Leute einen Reiz von besonderer Faszination gehabt hat. (s. Tierquälerei {Katzen, Tierethik}, Folter).

(s. Seelenschmerzen)

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